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vom 02.03.2021, aktuelle Version,

Kuchelbader Schlacht

Einladung des Corps Austria zum Stiftungsfest 1881

Die Kuchelbader Schlacht war ein Überfall von Tschechen auf deutsche Studenten am 28. Juni 1881 in Kuchelbad (tschech. Chuchle, heute eingemeindeter Prager Stadtbezirk Velká Chuchle) bei Prag. Egon Erwin Kisch hat die Ereignisse in einer gleichnamigen Reportage festgehalten und dadurch den Begriff Schlacht für die Auseinandersetzung geprägt. Nach moderner Terminologie die Bezeichnung Straßenschlacht angemessener.

Vorgeschichte

Aufruf zum Überfall [1]

Die Bevölkerungsmehrheit des mittelalterlichen Prag war deutschsprachig. Die Vorlesungen an der Karl-Ferdinands-Universität wurden infolgedessen zunächst auf lateinisch, später auf lateinisch und deutsch, ab 1748 nur noch auf deutsch gehalten. Nach 1848 wurden zwar vereinzelt Vorlesungen in tschechischer Sprache angeboten, Prüfungen aber nur in deutsch abgenommen. Als um 1860 die Mehrheit der Prager Einwohner tschechischsprachig war, forderten tschechische Politiker die Einführung einer konsequenten Zweisprachigkeit. Da hierüber keine Einigkeit erzielt werden konnte, beschloss der Reichsrat (Österreich) am 31. Mai 1881, die Universität in eine tschechische und eine deutsche Hochschule aufzuteilen. Dies wurde in Prag sowohl von deutschen wie von tschechischen Studenten abgelehnt. Die Deutschen fürchteten, dass ihrer Teiluniversität nun das gleiche Schicksal drohe, das nach der Spaltung der Technischen Hochschule im Jahre 1869 dort das deutsche Institut bereits ereilt hatte: Es war beinahe zu Bedeutungslosigkeit herabgesunken, während das tschechische Polytechnikum zur angesehensten Ingenieurschule der Donaumonarchie aufstieg. Die Tschechen wollten die Teilung der Universität nicht, weil sie an ihr ohnehin seit 1870 die Mehrheit der Studenten stellten. Die Spannungen zwischen Deutschen und Tschechen wurden Mitte Juni 1881 verschärft, als erkennbar wurde, dass bei den Wahlen zur Handelskammer von Prag tschechische Kandidaten auf Grund der Wahlordnung kaum Aussicht auf Erfolg haben dürften.[2] Die Stimmung eskalierte am 27. Juni 1881, dem Tag vor der Kuchelbader Schlacht: Zum einen wurde bekannt, dass die deutschen Kandidaten die Wahl zur Handelskammer gewonnen hatten und zum anderen begann an diesem Tag das Stiftungsfest der deutschen Studentenverbindung Corps Austria mit einer Fahrt der Studenten in voller Couleur durch die Stadt, was von Tschechen als Provokation verstanden wurde. Grund dafür war, dass „die ihr Stiftungsfest feiernden großösterreichischen, an der alten übernationalen Staatsidee festhaltenden Corpsstudenten mit großdeutsch-nationalen Burschenschaftern verwechselt“ wurden.[3]

Auseinandersetzung

Kuchelbader Schlacht (1881)

Am 28. Juni 1881 fuhren die Angehörigen des Corps Austria und ihre Gäste mit einem Dampfer von Prag nach Kuchelbad, wo sie gegen 10 Uhr angelangten, um dort im Garten der oberen Restauration zu feiern. Gleichzeitig erschien in der Prager tschechischen Tageszeitung Národní listy ein Inserat[4] mit dem Text: Heute nachmittags Stelldichein in Kuchelbad, wer kann, der komme bis 4 Uhr, die Schraubendampfer verkehren während des ganzen Nachmittags. Nachdem sich auf diesen Aufruf hin den ganzen Nachmittag eine größere Menschenmenge zusammengerottet hatte, ertönte gegen Abend der Ruf Němečtí psi, domů! und eine wüste Auseinandersetzung begann.[5] Die Corpsstudenten verzeichneten acht Schwer- und zahlreiche Leichtverletzte.[6] Die deutschen Studenten flohen schließlich vor einem Steinhagel aus der Gaststätte zu ihrem Dampfer und kehrten in Prag angelangt unter Polizeischutz in ihre Quartiere zurück.

Die Bohemia berichtete ausführlich über die Ereignisse.[7]

Folgen

In den Prager Nationalitätenspannungen des 19. Jahrhunderts war die Kuchelbader Schlacht die erste vorausschauend geplante tätliche Auseinandersetzung. Als direkte Folge wurden die politischen Diskussionen über den Beschluss vom 31. Mai 1881 beendet und im Jahr 1882 die Universität Prag geteilt.

Literatur

Augenzeugenbericht von Josef Neuwirth (PDF; mehrere Seiten)
  • Josef Neuwirth: Blutige Krawalle. Bohemia (Prager Tageszeitung), 29. Juni 1881 (Nachdruck bei Wolfgang Wolfram von Wolmar: Prag und das Reich. Dresden 1943, S. 314 ff.)
  • Egon Erwin Kisch: Die Kuchelbader Schlacht. In: Prager Tagblatt, 8. Juni 1930.
  • Egon Erwin Kisch: Die Kuchelbader Schlacht. In: Prager Pitaval. Späte Reportagen. Berlin / Weimar 1969, 5. Auflage 1992, S. 267–271
  • Julius Kraus: Prag. 1908 (Roman unter anderem über die Kuchelbader Schlacht)
  • Jürgen Herrlein: Die „Kuchelbader Schlacht“ des Jahres 1881 aus der Sicht der akademischen Untersuchungsbehörde der Universität Prag, in: Kai-Oliver Knops/ Heinz Georg Bamberger/ Gerrit Hölzle (Hrsg.): Zivilrecht im Wandel, Festschrift für Peter Derleder zum 75. Geburtstag, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015, S. 189–210.
Commons: Kuchelbader Schlacht  – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „Heute nachmittags Stelldichein in Kuchelbad, wer kann, der komme bis 4 Uhr, die Schraubendampfer verkehren während des ganzen Nachmittags.“
  2. Zum deutsch-tschechischen Verhältnis in dieser Zeit siehe: Gary B. Cohen: The Politics of Ethnic Survival. Germans in Prague 1861–1914. Princeton 1981. Jan Kren, Václav Kural, Detlev Brandes: Integration und Ausgrenzung. Deutsche und Tschechen 1890–1945. Bremen 1986. Jan Kren: Die Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780–1918. München 1996, 2. Aufl. 1999 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, Bd. 71).
  3. Harald Lönnecker: Von „Ghibellinia geht, Germania kommt!“ bis „Volk will zu Volk!“ – Mentalitäten, Strukturen und Organisationen in der Prager deutschen Studentenschaft 1866–1914. In: Sudetendeutsches Archiv München (Hg.): Jahrbuch für sudetendeutsche Museen und Archive 1995–2001, München 2001, S. 34–77
  4. Ausgabe vom 28. Juni 1881, S. 3.
  5. dt. „Deutsche Hunde, nach Hause!“
  6. Adolf Siegl: Die Prager deutschen Hochschulen und ihre Studenten in den Jahren von 1870 bis 1914. Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Bd. 21 (1976), S. 95–133, hier S. 108.
  7. Nr. 177 vom 29. Juni 1881