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vom 21.05.2022, aktuelle Version,

Max Honsell

Max Honsell, badischer Finanzminister 1906–1910
Max Honsell, Aus dem Nachruf der Badischen Presse vom 2. Juli 1910

Max Honsell (* 10. November 1843 in Konstanz; † 1. Juli 1910 in Karlsruhe) war ein deutscher Wasserbauingenieur, Hochschullehrer an der Technischen Hochschule Karlsruhe sowie Abgeordneter und Finanzminister des Großherzogtums Baden.

Leben

Haus der Familie Honsell, Insel Reichenau, ca. 1940

Seine Kindheit und Jugend verbrachte Max Honsell mit drei Brüdern und einer Schwester als Sohn des Hofgerichtsrats Carl Honsell in Konstanz oder an den Wochenenden auf der nahegelegenen Bodenseeinsel Reichenau, wo die Familie ein großes Haus direkt am See hatte.[1] Sein beruflicher Wirkungsort war die badische Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe. Dort starb er im Alter von nur 66 Jahren infolge einer langanhaltenden, schmerzhaften Sarkomerkrankung.[2][3]

Seine Frau, Sophie Honsell, war die Tochter des Kreis- und Hofgerichtsrats Bernhard August Prestinari. Die Reichenau-Schriftstellerin Lilly Braumann-Honsell war seine Nichte.

Immer wieder spielten Mitglieder der Familie eine Rolle in der badischen Politik. Schon sein Schwiegervater Bernhard August Prestinari und sein Onkel Eugen von Seyfried waren Mitglieder der Badischen Ständeversammlung. Seine Tochter Luitgard Himmelheber engagierte sich in der Frauenpolitik und war eine der ersten zehn weiblichen Vertreterinnen im Stadtrat von Karlsruhe.[4]

Die Ingenieurstradition setzte sich nicht zuletzt in seinem Enkel Max Himmelheber fort, der aus den Erfahrungen der elterlichen Möbelfabrik heraus die Spanplatte erfand.

Werk

Technisch

Honsell war ein Absolvent der Polytechnischen Schule Karlsruhe. Er trat 1865 in den Dienst der Großherzoglich Badischen Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues ein und übernahm dort rasch Verantwortung.[5]

Er plante und leitete den Bau des Karlsruher Rheinhafens und den Ausbau des Mannheimer Hafens.

Die von Johann Gottfried Tulla begonnene Korrektion des Oberrheins war in großen Teilen schon abgeschlossen, allerdings führte Honsell sie zu Ende, korrigierte sie, wo neue Herausforderungen entstanden und verteidigte sie auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen.

Seine größte wasserbauliche Leistung besteht in der Schiffbarmachung des Oberrheins von Mannheim aufwärts bis Straßburg, wofür er die Planung erstellte in der er eine Niederwasserfahrrinne entworfen hat. Die Fertigstellung der Ausführung der 1907 begonnenen Honsell’schen Rheinregulierung erlebte er nicht mehr. Die ersten Schleppschiffe verkehrten ab 1913.[6] Honsell musste sich lange von Amts wegen zurückhalten in der Frage der Frachtschifffahrt oberhalb des im badischen Mannheim gelegenen Endpunkts. Erst mit dem Auftauchen eines Plans für einen linksrheinischen Kanal auf elsässischer Seite beim 3. Schiffahrtskongress 1888 in Frankfurt am Main ließ sich der Großherzog davon überzeugen, dass eine Schifffahrt auf einem regulierten Rhein – an der Baden dann auch Teil haben konnte – allemal besser war, als ein Kanal, der an Baden vorbei führte. Mit der Rheinregulierung setzte sich Baden gegenüber den Kanal-Projekten durch. Die fachliche Begründung dazu lieferte Honsell unter anderem in der renommierten Fachzeitschrift Centralblatt der Bauverwaltung in einem auf mehrere aufeinanderfolgende Ausgaben verteilten Aufsatz.[7] Nach dem Ersten Weltkrieg setzte Frankreich über den Versailler Vertrag 1919 allerdings die totale Nutzung des Rheins für sich durch und baute ab 1928 den Rheinseitenkanal mit zum Teil verheerenden Umweltfolgen.[6]

Alle baulichen Maßnahmen wurden von Honsell auf ihren volkswirtschaftlichen Nutzen hin überprüft und, wenn dieser nicht erkennbar war, abgelehnt.

Ab 1886 richtete er eine systematische Pegelbeobachtung ein und verbesserte den Hochwassernachrichtendienst am Rhein.[8]

Organisatorisch

Neben seiner – auch international – rasch anerkannten fachlichen Autorität besaß er ein hohes Maß an organisatorischem Geschick und Durchsetzungsvermögen. So ordnete er die Verwaltung und Aufsicht über die badischen Wasserwege neu, in dem er sie zumindest für die badische Hauptwasserstraße, den Rhein, zunächst vom Straßenbau trennte und auf drei Rheinbauinspektionen konzentrierte. Nach den verheerenden Hochwasserkatastrophen der Jahre 1882 und 1883 nutzte Honsell die Gunst der Stunde und setzte 1883 die Gründung des Zentralbüros für Meteorologie und Hydrographie durch und übernahm dessen Leitung.[9]

Wissenschaftlich

Das badische Büro war das führende Amt auf dem Gebiet des Wasserbaus in Deutschland. Am 9. März 1883 beschloss der Reichstag die Einsetzung einer Reichskommission zur Untersuchung der Stromverhältnisse des Rheins und seiner wichtigsten Nebenflüsse, in der Honsell und sein wissenschaftlicher Hilfsarbeiter Maximilian von Tein die Hauptarbeit leisteten. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in acht „Heften“ (tatsächlich teilweise mehrbändige Bücher) herausgegeben. Diese Arbeiten sind auch heute noch von grundlegender Bedeutung, was die Hochwasserereignisse und den Hochwasserschutz im 19. Jh. in diesem Raum betrifft. Hinsichtlich des Rheins wurde ein weiterer wesentlicher Schritt erst wieder in den 1970er Jahren von der ‚Hochwasserstudienkommission für den Rhein’ unternommen.[10]

Durch Kaiser Wilhelm I. wurde er 1883 zum außerordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie des Bauwesens ernannt.

Von 1887 bis zur Übernahme des Finanzministeriums war er Professor für Wasserbau an der Technischen Hochschule Karlsruhe.[11] In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung verlieh ihm die Technische Hochschule Karlsruhe im November 1906 die Ehrendoktorwürde (als Dr.-Ing. E.h.).[12]

Mit der Studie Der Bodensee und die Tieferlegung seiner Hochwasserstände[13] schlug Honsell 1879 das erste von bis heute (2017) neun Projekten zur Bodensee-Regulierung vor. Keines davon ist je zur Ausführung gekommen, weil die Interessen der vielen beteiligten Anrainer offenbar zu unterschiedlich sind und inzwischen die Angst vor einem nicht wieder gutzumachenden Schaden wohl auch zu groß geworden ist. Nichtsdestoweniger flammt die Diskussion dazu bei jedem Hochwasser erneut auf, zuletzt 1999.[14]

Politisch

Am 1. Mai 1902 hielt Max Honsell den Festvortrag zur Feier anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums des Großherzogs Friedrich in dessen Anwesenheit in der Aula der Technischen Hochschule Karlsruhe.[15] Neben der offensichtlichen persönlichen Wertschätzung für Max Honsell zeigte der Vortrag aber auch, welch hohe Bedeutung Friedrich I. der technischen Entwicklung zumaß, indem er die Hochschule zum Zentrum seines Regierungsjubiläums machte.

Honsell war von 1903 bis 1906 vom Großherzog berufenes Mitglied der Ersten Badischen Kammer, als Kommission wählte er für sich die Budgetkommission. Einer politischen Partei gehörte er jedoch nie an.

Im Oktober 1906 ernannte ihn der Großherzog zum badischen Finanzminister. Er war der erste Ingenieur auf diesem Posten, den er bis zu seinem Tod ausfüllte.[16]

Wissenschaftliche Politikberatung

Die (fragwürdige) wissenschaftliche Begründung des Rheinhochwassers von 1882/1883 als Folge außergewöhnlich hoher Niederschläge, die der Abgeordnete Georg Thilenius im deutschen Reichstag anhand von Diagrammen aus Max Honsells Schrift Hochwasser-Katastrophen veranschaulichte, gilt als ein frühes Beispiel wissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland.[17]

Öffentliche Wahrnehmung: Ein „Honselle“

Als Finanzminister machte sich Max Honsell wenig Freunde. Seine Amtszeit war zunächst geprägt von zurückgehenden Staatseinnahmen und explodierenden Staatsausgaben. Besonders im Bereich der Eisenbahnen hatte sich Baden über seine Verhältnisse engagiert. Seine Aufgabe als Finanzminister bestand in der Sanierung der Staatskasse – er ist deshalb auch als „Sparminister“ bezeichnet worden. Die Beamten ärgerten sich über die Streichung so mancher Privilegien. Mit dem 1. Januar 1909 trat das Gesetz die Kosten der Dienstreisen und Umzüge der Beamten betreffend in Kraft. Demnach wurden Tagessätze von Dienstreisen nicht mehr pauschal gewährt, sondern gestuft nach tatsächlicher Dauer „des auswärtigen Geschäfts (einschließlich der erforderlichen Ruhepausen und etwaigen Wartezeiten auf den Abgang des Zuges usw.)“[18] In Daxlanden: Die Ortsgeschichte heißt es dazu: Die verärgerten Beamten entdeckten bald, dass sie, wenn sie eine Dienstreise durch eine Rast im Wirtshaus etwas ausdehnten, mit dem Unterschiedsbetrag im gestuften Tagegeld ihren Verzehr bezahlen konnten. Das bei dieser Gelegenheit genossene „Viertele“ wurde so zum „Honselle“.[19]

Ehrungen

Vor allem, aber nicht nur, für seine Verdienste als Wasserbauingenieur wurde er von vielen europäischen Häusern mit Orden ausgezeichnet.

Nach ihm sind in Karlsruhe eine Straße, eine Brücke und auch ein Messschiff benannt, das den Rhein und den Neckar befährt, um die Wassergüte zu überwachen. Frankfurt am Main hat sowohl die Honsellstraße als auch die Honsellbrücke nach Max Honsell benannt. Außerdem haben Rastatt und Kehl je eine Honsellstraße.

Literatur

  • Rudolf Fuchs: Max Honsell. G. Graunsche Hofbuchdruckerei und Verlag, 1912. (Sein erster Biograph ist übrigens gleichzeitig sein Schwiegersohn und Ingenieur im badischen Wasser- und Straßenbau)
  • Walter Bleines: Honsell, Max. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7, S. 602 f. (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. Lilly Braumann-Honsell: Kleine Welt - Große Welt! Oberbadische Verlagsanstalt Merk & Co., Konstanz 1938, S. 126–135.
  2. Karlsruher Zeitung vom 3. Juli 1910 – , abgerufen am 5. November 2017
  3. Hinweis auf Sarkom in: Neue Badische Landeszeitung, Nr. 300 vom 2. Juli 1910, 1. Blatt
  4. Barbara Guttmann: Zwischen Trümmern und Träumen. Karlsruherinnen in Politik und Gesellschaft der Nachkriegszeit. Stadt Karlsruhe, Frauenbeauftragte und Stadtarchiv, Karlsruhe 1997, ISBN 3-923344-39-2, S. 61. (PDF; 21,6 MB)
  5. Rudolf Fuchs: Max Honsell. G. Graunsche Hofbuchdruckerei und Verlag, 1912, S. 4.
  6. 1 2 http://www.kaiserstuhl.eu/natur-am-kaiserstuhl/rheinbegradigung/ Rheinbegradigung
  7. Max Honsell: Die Wasserstraße Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-Straßburg, Canal oder freier Rhein?, I. In: Centralblatt der Bauverwaltung, 10. Jahrgang 1890, Nr. # (vom 15. März 1890) (Teil 1 von 5)
  8. Max Honsell (Memento des Originals vom 7. November 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wsa-ma.wsv.de, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt des Bundes, Mannheim, abgerufen 23. Juni 2017
  9. Rudolf Fuchs: Max Honsell. G. Graunsche Hofbuchdruckerei und Verlag, 1912, S. 24.
  10. Iso Himmelsbach: Erfahrung - Mentalität – Management. Hochwasser und Hochwasserschutz an den nicht-schiffbaren Flüssen im Ober-Elsass und am Oberrhein (1480-2007). Freiburg (Breisgau) 2013. (urn:nbn:de:bsz:25-opus-89694 online, abgerufen am 11. Juni 2017)
  11. Theodor Rebbock: Großherzoglich Badischer Finanzminister Dr.-Ing. Max Honsell (Nachruf). In: Zentralblatt der Bauverwaltung, 30. Jahrgang 1910, Nr. 55, S. 369. (online, abgerufen am 15. Juni 2017)
  12. Karlsruher Institut für Technologie, KIT-Archiv, Karlsruhe online, abgerufen am 15. Juni 2017
  13. Max Honsell: Der Bodensee und die Tieferlegung seiner Hochwasserstände. Witter, Stuttgart 1879. (online, abgerufen am 15. Juni 2017)
  14. Werner Konold: Die Regulierung des Bodensees. Eine alte Geschichte. In: Der Bürger im Staat, Heft 2/2000. (Der Rhein) Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart (online, abgerufen am 15. Juni 2017)
  15. Max Honsell: Fünfzigjähriges Regierungs-Jubiläum seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs Friedrich. Festvortrag und Ansprachen gehalten zur Jubelfeier in der Aula der Technischen Hochschule Fridericiana am 1. Mai 1902. Geschichtlicher Abriss des badischen Ingenieurwesens. Braun, Karlsruhe 1902. (online, abgerufen am 18. August 2019)
  16. Badische Presse vom 2. Juli 1910 (Titelseite der Mittagsausgabe) (online, abgerufen am 20. Juni 2017)
  17. Patrick Masius: Risiko und Chance. Das Jahrhunderthochwasser am Rhein 1882/1883 Eine umweltgeschichtliche Betrachtung. Universitätsverlag, Göttingen 2013, Seiten 114–116.
  18. Badischer Landtag, 2. Kammer, Beilagen Band 2, Beilagen zur 58. Sitzung, Seite 253, "zu § 4" online, abgerufen: 15. Juni 2017
  19. Gottfried Ganz, Hans Peemüller: Die Rheinbegradigung und ihre Bedeutung für Daxlanden. In: Werner Burkart (Hrsg.): Daxlanden. Die Ortsgeschichte. INFO Verlag, Karlsruhe 2007, Seite 210. (online, abgerufen am 20. Juni 2017)