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vom 25.05.2021, aktuelle Version,

Rudolf Reitler

Rudolf Reitler (* 3. Jänner 1865 in Wien; † 26. März 1917 ebenda) war ein österreichischer Arzt, Psychoanalytiker und Gründungsmitglied der Psychologischen Mittwochsgesellschaft in Wien.

Leben

Rudolf Reitler stammte aus einer wohlhabenden römisch-katholischen Wiener Bürgerfamilie. Sein Vater, Marzellin Adalbert Reitler, war Schriftsteller und Eisenbahnbeamter. Marzellin Adalbert Reitler veröffentlichte eine Reihe von Schriften zur Rationalisierung des Eisenbahnwesens unter Berücksichtigung der „Sozialen Frage“.[1] Der junge Rudolf Reitler besuchte das k.k. Akademische Gymnasium in Wien. Im Jahr 1883 legte er seine Maturitätsprüfung ab. Anschließend studierte er Medizin an der Universität Wien und beendete dieses Studium 1889 mit Erfolg. Während seines Studiums hörte er Vorlesungen bei Sigmund Freud. Rudolf Reitler gehörte mit Wilhelm Stekel, Alfred Adler und Max Kahane zu den Gründungsmitgliedern der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft. Er war im Jahr 1902 von Freud mit einer Postkarte zu einer ersten Diskussionsrunde eingeladen worden, aus der sich anschließend die Mittwoch-Gesellschaft entwickelte.[2][3] Nach Freud war Reitler der erste Arzt, der die Psychoanalyse anwendete. Reitler praktizierte in Baden bei Wien. Um die Jahrhundertwende eröffnete er eine zusätzliche Praxis im 1. Wiener Bezirk, wo er auch die „Thermal-Curanstalt“ leitete. Reitler bot hier eine „partielle Trocken–Heißluft–Behandlung“ nach dem „System Dr. Reitler“ an. Die unsicheren Erfolge dieser Behandlung ließen ihn zur Psychoanalyse greifen. In den Jahren zwischen 1910 und 1914 veröffentlichte Reitler mehrere kleine Beiträge und Rezensionen im Zentralblatt für Psychoanalyse. In einer Rezension von Wilhelm Stekels „Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung“ beschrieb Reitler seinen Weg zur Psychoanalyse. Die Unsicherheiten der bisherigen Neurosentherapie und das Herumexperimentieren mit elektrischen und hydriatischen Behandlungen, mit klimatischen und diätetischen Kuren, ohne sich über das Ergebnis auch nur halbwegs sicher sein können, habe ein Ohnmachtsgefühl erzeugt, das ihn die neue Methode der Psychoanalyse versuchen lasse.[1][4][5]

Rudolf Reitler nahm regelmäßig an den Vortragsabenden der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft (später: Wiener Psychoanalytische Vereinigung) teil. Am 2. März 1910 hielt er einen Vortrag zur „Entwicklungsgeschichte der Neurose“. Reitler stellte einen selbst skizzierten „Stammbaum der Neurosen“ vor.[6]

Reitler nutzte, im Unterschied zu Freud, die psychoanalytische Coach nicht in seinen Therapien.[2]

Wegen einer schweren Krankheit musste sich Reitler im Jahr 1914 von allen Ämtern zurückziehen. Er starb im Jahr 1917 in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke „Am Steinhof“ in Wien.[1]

Nachruf

Im Nachruf der Internationalen Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse wurde Reitler posthum geschildert als Arzt mit musikalischen, zeichnerischen und photographischen Begabungen, der scharfsinnig beobachten konnte. Seine Bescheidenheit und seine Abneigung gegen Vordrängen und Erfolghaschen hätten verhindert, dass die volle Bedeutung seiner Persönlichkeit zur Geltung gekommen sei. Reitler wurde in diesem Nachruf als einer der ersten und bedeutendsten Vorkämpfer der Psychoanalyse bezeichnet, der es verdiene, einen Platz in der Geschichte zu erhalten.[1]

Publikationen

  • Thermal–Curanstalt, Baden 1900.
  • Leitung des Wiener Psychoanalytischen Vereins (Hrsg.): Diskussion des Wiener psychoanalytischen Vereins: Über den Selbstmord, insbesondere den Schüler Selbstmord, mit Beiträgen von Alfred Adler, Prof. Sigmund Freud, Dr. J. K. Friedjung, Dr. Karl Molitor, Dr. Rudolf Reitler, Dr. I. Sadger, Dr. W. Stekel, Unus multorum, Verlag von J. F. Hermann Wiesbaden 1910, Beitrag Rudolf Reitler S. 19–23. Digitalisat
  • Kritische Bemerkungen zu Dr. Adler's Lehre vom „männlichen Protest,“ Zentralblatt 1910/11,1:580–586.
  • Zur Augensymbolik, Internationale Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse 1913,1:158–161.

Literatur

  • Elke Mühlleitner (unter Mitarbeit von Johannes Reichmayr): Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen MIttwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902–1938, edition diskord Tübingen 1992, S. 266–268.
  • Almuth Bruder-Bezzel: Geschichte der Individualpsychologie, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1999, S. 32.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Elke Mühlleitner (unter Mitarbeit von Johannes Reichmayr): Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902–1938, edition diskord Tübingen 1992, S. 266.
  2. 1 2 Paul Roazen: Edoardo Weiss. The House that Freud Built. Transaction Publishers, New Brunswick and London 2005, S. 24 f. Digitalisat, abgerufen am 22. Mai 2021.
  3. Archiv Sigmund Freud Museum: Sigmund Freud Chronologie 1902. Digitalisat, abgerufen am 22. Mai 2021.
  4. Wolfgang U. Eckart: Kranke, Ströme, Strahlenfelder. Medizin und Elektrizität um 1900. In: Rolf Spieker (Hrsg.): Unbedingt modern sein. Elektrizität und Zeitgeist um 1900, Rasch Verlag Bramsche 2001, S. 126–135, 198–201.
  5. Zvi Lothane: Seelenmord und Psychiatrie. Zur Rehabilitierung Schrebers. Bibliothek der Psychoanalyse, Psychosozial-Verlag Gießen 2004, S. 174 Anmerkung 18; S. 478 Anmerkung 26; S. 640.
  6. Hermann Nunberg und Ernst Federn (Hrsg.): Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, Band II, 1908–1910, Fischer Frankfurt 1967, S. 395–405.