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vom 08.06.2020, aktuelle Version,

Vertragsarzt

Ein Vertragsarzt, herkömmlich und in Österreich Kassenarzt, ist ein approbierter, niedergelassener Arzt mit einem Vertragsarztsitz. Die Zulassung als Vertragsarzt setzt den Eintrag in ein Arztregister voraus, das von den Kassenärztlichen Vereinigungen geführt wird. Sie erfolgt auf Beschluss eines Zulassungsausschusses und gilt nur für den Bezirk des Vertragsarztsitzes.

Früher wurde in Deutschland zwischen Vertragsärzten und Kassenärzten unterschieden: Vertragsärzte waren für den Ersatzkassenbereich zugelassen, Kassenärzte für den Primärkassenbereich. Diese Unterscheidung wurde vom Gesetzgeber im Zuge einer Reform des Gesundheitswesens aufgegeben.

Ungeachtet der vertraglichen Bindung üben die Vertrags- bzw. Kassenärzte in Deutschland und Österreich einen freien Beruf aus.

Deutschland

Organisation und Rechtliches

Der Vertragsarzt kann allein, in einer Praxisgemeinschaft, in einer Berufsausübungsgemeinschaft, (früher: Gemeinschaftspraxis), in Teilgemeinschaftspraxis oder als freiberuflicher Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum tätig werden. Angestellte Ärzte in Medizinischen Versorgungszentren haben keinen Vertragsarztstatus, sind aber, da sie im Arztregister eingetragen sein müssen, Mitglieder der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch ermächtigte Krankenhausärzte sind keine Vertragsärzte, aber Mitglieder der regionalen Kassenärztlichen Vereinigung. Die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gibt dafür nachfolgenden Rahmen vor:

„Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ist zulässig unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz (örtliche Berufsausübungsgemeinschaft). Sie ist auch zulässig bei unterschiedlichen Vertragsarztsitzen der Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft (überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft), wenn die Erfüllung der Versorgungspflicht des jeweiligen Mitglieds an seinem Vertragsarztsitz unter Berücksichtigung der Mitwirkung angestellter Ärzte und Psychotherapeuten in dem erforderlichen Umfang gewährleistet ist sowie das Mitglied und die bei ihm angestellten Ärzte und Psychotherapeuten an den Vertragsarztsitzen der anderen Mitglieder nur in zeitlich begrenztem Umfang tätig werden. […]“

§ 33 Abs. 2 Ärzte-ZV

Versorgungsprobleme der Kassenpatienten

Insgesamt wird in Zukunft mit einem Vertragsarztmangel gerechnet, da innerhalb von 15 Jahren 78.000 niedergelassene Ärzte aus Altersgründen einen Nachfolger suchen werden. Weil der Beruf durch die vielfältigen Beschränkungen wie Budgetierung, Reglementierung, Bürokratisierung und verschlechterte Vergütungen in den letzten 15 Jahren stark an Attraktivität eingebüßt hat, wenden sich viele Absolventen des Medizinstudiums anderen Aufgaben als der Behandlung kranker Menschen zu oder gehen ins Ausland.

Beendigung der Kassenzulassung

Kassenärzte verloren bis 2008 mit Vollendung des 68. Lebensjahres ihre Zulassung als Vertragsarzt.[1] Dies wurde am 17. Oktober 2008 vom Bundestag mit Wirkung vom 1. Januar 2009 aufgehoben.[2]

Der Bezug einer Rente aus dem berufsständischen Versorgungswerk ist seitdem von den jeweiligen Ärzteversorgungen abhängig.

  • Die Berliner Ärzteversorgung bietet die Rente mit 67 an mit der Möglichkeit, diese um bis zu fünf Jahre vorzuziehen.[3]
  • Ähnlich ist dies in Nordrhein-Westfalen.[4]
  • Bei der Bayerischen Ärzteversorgung hat ein Mitglied Anspruch auf Altersruhegeld, das die Regelaltersgrenze erreicht hat. Wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird diese für die Geburtsjahrgänge 1947 bis 1963 schrittweise angehoben. Für vor 1947 Geborene ist die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres, für nach 1963 Geborene mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. Die Berufstätigkeit muss weder eingestellt noch beschränkt werden.[5] Mitglieder, die das 60. Lebensjahr (bzw. das 62. Lebensjahr bei erstmaligem Mitgliedschaftsbeginn nach dem 31. Dezember 2011) vollendet haben, erhalten auf Antrag vorgezogenes Altersruhegeld.

Tabellen

Umsatz und Einkommen der Vertragsärzte und Psychologischen Vertrags-Psychotherapeuten aus der GKV im Jahr 2006 in Euro:[6]

Facharztbezeichnung GKV-Umsatz 2006 in Euro Überschuss aus GKV-Umsatz, vor Steuern
Radiologen 414.827 116.566
Fachärztlich tätige Internisten 403.777 112.636
Augenärzte 224.532 100.815
Kinder- und Jugendärzte 187.096 87.000
Urologen 201.452 86.221
Orthopäden 219.819 86.169
Frauenärzte 191.822 85.169
Allgemeinärzte 177.980 83.117
Hausärztlich tätige Internisten 186.966 82.452
HNO-Ärzte 177.569 79.373
Chirurgen 199.086 71.671
Hautärzte 165.406 65.666
Psychiater 134.100 65.575
Nicht-ärztliche (psychologische) Psychotherapeuten 62.882 38.673
Hausärzte 181.859 84.240
Fachärzte ohne psychol. Psychotherapeuten 226.239 95.466
Alle Ärzte ohne psychol. Psychotherapeuten 204.643 91.178

Bei den in der zweiten Spalte genannten Einkommen muss berücksichtigt werden, dass sie nicht die verfügbaren Einkommen der Vertragsärzte und -psychotherapeuten wiedergeben. So ist der Vergleich der Einkommen z. B. mit Bruttogehältern von Angestellten nicht ohne weiteres möglich, da bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber die Hälfte der Sozialabgaben, also die Hälfte der Beiträge zu Kranken-, Pflege, Arbeitslosen- und Rentenversicherung trägt. Diese Absicherungen muss der Selbständige in voller Höhe aus seinem Einkommen aufbringen, außerdem Beiträge für eine Tagegeldversicherung, denn er erhält keine Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber bei Krankheit oder Schwangerschaft. Im Übrigen sind die angegebenen Zahlen Durchschnittswerte, die naturgemäß stark streuen. Die Zahlen enthalten die Einnahmen von Privatversicherten und Selbstzahlerleistungen (individuelle Gesundheitsleistung).[7] Diese Werte werden alle vier Jahre vom Statistischen Bundesamt erhoben.

Einzel/Gemeinschaftspraxis, Fachrichtung Erfasste Praxen Einnahmen selbst. ärztl. Tätigkeit je Praxisinh. in 1000 € Aufwendungen in % der Einnahmen Reinertrag je Praxisinhaber/-in in 1000 €
Einzelpraxen von Allgemein-/Praktischen Ärzten 20.160 234 52,9 110
Einzelpraxen von Internisten 7.817 319 52,8 151
Einzelpraxen für Frauenheilkunde 5.571 278 52,3 133
Einzelpraxen für Kinderheilkunde 2.946 266 53,1 125
Einzelpraxen für Augenheilkunde 2.839 290 51,8 140
Einzelpraxen für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde 2.180 275 50,7 135
Einzelpraxen für Orthopädie 2.306 380 56,6 165
Einzelpraxen für Chirurgie 1.936 373 62,4 140
Einzelpraxen für Haut- und Geschlechtskrankheiten 2.004 336 52,6 159
Einzelpraxen für Radiologie und Nuklearmedizin 291 685 66,5 229
Einzelpraxen für Neurologie, Psychiatrie, Kinderpsychiatrie, Psychotherapie 2387 235 48,9 120
Einzelpraxen für Urologie 1.236 341 52,9 161
Gemeinschaftspraxen von Allgemein-/Praktischen Ärzten 6.371 222 43,6 125
Gemeinschaftspraxen von Internisten 3.117 369 54,6 168
Gemeinschaftspraxen für Frauenheilkunde 1.164 316 45,8 171
Gemeinschaftspraxen für Kinderheilkunde 1.011 228 44,1 127
Gemeinschaftspraxen für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde 637 272 41,3 160
Gemeinschaftspraxen für Orthopädie 1.011 400 47 212
Gemeinschaftspraxen für Chirurgie 691 343 52 165
Gemeinschaftspraxen für Radiologie und Nuklearmedizin 647 758 64,7 267
Gemeinschaftspraxen für Neurologie, Psychiatrie, Kinderpsychiatrie, Psychotherapie 698 274 46,5 147
Gemeinschaftspraxen für Urologie 452 309 44,7 171

[8]

In jüngster Zeit mehren sich Bestrebungen der Vertragsärzte, das System zu verlassen, in dem sie keine Zukunft mehr sehen. Teilweise planen die Ärzte den kollektiven Verzicht auf ihre Vertragsarzt-Zulassung. Es gibt in Deutschland mehr als Tausend niedergelassene Ärzte, die nicht als Vertragsarzt zugelassen sind und die nur Privatversicherte, Selbstzahler bzw. Gesetzlich Versicherte nach Genehmigung durch die Kasse behandeln. Vor allem in unterversorgten Gebieten kann sich die Kasse genötigt sehen, diese Genehmigung zu erteilen.

Nettoeinkommen 2011

Laut KBV-Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für das erste Halbjahr 2011 beträgt das Nettoeinkommen im Bundesdurchschnitt:

  • Allgemeinmediziner 5.017,50 €/Monat
  • Orthopäde 6.343,50 €/Monat
  • Psychotherapeut 2.657,80 €/Monat

Das Nettoeinkommen entspricht etwa einem Viertel (23,5 %) des Praxisumsatzes.

Österreich

Organisation

Kassenärzte sind freiberuflich tätige Ärzte, die durch den Abschluss eines Einzelvertrags mit einer sozialen Krankenversicherung mit dieser in einer vertraglichen Beziehung stehen. Vergütet wird die vertragsärztliche Leistung über die Honorarordnung, welche integraler Bestandteil des Gesamtvertrags ist.[9] Die Gesamtverträge wiederum werden nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (§§ 338 ff. ASVG) für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abgeschlossen.

Demgegenüber sind Wahlärzte freiberuflich tätige Ärzte, die in keinem Vertragsverhältnis zu Trägern der sozialen Krankenversicherung stehen und ihre ärztliche Leistung über Privathonorar mit dem Patienten verrechnen.[10]

Ärzte können sich fachgleich oder fächerübergreifend in der Rechtsform einer OG (Offenen Gesellschaft) oder einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) zu einer Gruppenpraxis zusammenschließen.[11]

Bei Vorlage der e-card wird die gegenüber dem Versicherten erbrachte ärztliche Leistung (Sachleistung) direkt mit dem zuständigen Versicherungsträger verrechnet.

Einzelverträge

Zum Abschluss eines Einzelvertrags müssen sich die Interessenten um eine ausgeschriebene Planstelle bewerben. Es gibt bestimmte Kriterien für die Reihung der Bewerber. Die Reihungskriterien sind in einer Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums niedergelegt (§ 343 Abs. 1a ASVG).[12] Diese Kriterien sind insbesondere die fachliche Eignung, zusätzliche fachliche Qualifikationen durch Fortbildung, der Zeitpunkt der ersten Eintragung in eine Bewerberliste, bei im Fach Frauenheilkunde und Geburtshilfe außerdem die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit (§ 2 Abs. 1 Z 1 bis 4 Reihungskriterienverordnung). Die einzelnen Kriterien gehen mit bestimmten Punktwerten in die Auswahlentscheidung ein. Erfolgreiche Bewerber werden auch als § 2–Ärzte bezeichnet.

Das Vertragsverhältnis erlischt kraft Gesetzes etwa bei Tod des Vertragsarztes oder der Auflösung der Vertrags-Gruppenpraxis sowie im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung des Vertragsarztes zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe. Der Träger der Krankenversicherung muss es kündigen, wenn der Arzt die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes verliert. Der Vertrag kann außerdem von beiden Teilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres ordentlich gekündigt werden.

Statistik

Ende des Jahres 2014 gab es in Österreich 7 208 § 2-Ärzte in der Humanmedizin, die mehrheitlich männlich und zwischen 50 und 64 Jahren alt waren, wobei dies sowohl für die Gesamtzahl der Ärzte als auch für das Fachgebiet „Allgemeinmedizin“ sowie für die allgemeinen Fachärzte gilt.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Regelung bis Ende 2008
  2. Artikel des Büros gegen Altersdiskriminierung vom 1. Jan. 2009
  3. Bericht der Ärztekammer Berlin vom 22. September 2010
  4. Artikel der Ärzteversorgung NRW (Memento vom 9. Dezember 2012 im Internet Archive) (Stand 2012)
  5. Bayerische Ärzteversorgung, Altersruhegeld
  6. Bewertungsausschuss, KBV, Bundesministerium für Gesundheit, zitiert nach Ärzte Zeitung, 11./12. Juli 2008, S. 6
  7. Statistischen Bundesamt Fachserie 2, Reihe 1.6.1 (Stand Oktober 2009) für das Jahr 2007
  8. Kostenstrukturstatistik Arzt- und Zahnarztpraxen, Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Bonn
  9. Kassenarzt (Memento vom 25. Dezember 2014 im Internet Archive) Website der Österreichischen Ärztekammer, abgerufen am 17. Oktober 2018
  10. Wahlarzt (Memento vom 17. Oktober 2018 im Internet Archive) Website der Österreichischen Ärztekammer, abgerufen am 17. Oktober 2018
  11. Gruppenpraxis (Memento vom 17. Oktober 2018 im Internet Archive) Website der Österreichischen Ärztekammer, abgerufen am 17. Oktober 2018
  12. Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Kriterien für die Reihung der ärztlichen BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern (ÄrztInnen-Reihungskriterien-Verordnung) BGBl. II Nr. 379/2017
  13. Vertragsärztinnen und –ärzte in Österreich: Bestandsaufnahme und Analyse Website des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, abgerufen am 17. Oktober 2018