Viktoria Savs
Viktoria Savs (* 27. Juni 1899 in Bad Reichenhall; † 31. Dezember 1979 in Salzburg) war eine von zwei bekannten österreichischen Frontsoldatinnen[1] des Ersten Weltkriegs. Sie diente mit Wissen ihrer Vorgesetzten, doch praktisch als Frau unerkannt, an der Dolomitenfront. Nach einer schweren Verwundung im Mai 1917 kam sie ins Lazarett. Für ihren Einsatz und ihre Tapferkeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie erlangte als das „Heldenmädchen von den Drei Zinnen“ einen höheren Bekanntheitsgrad.
Leben
Viktoria Savs kam 1899 im heutigen Haus Nr. 6 am Florianiplatz in Bad Reichenhall zur Welt.[2] Ihre Eltern trennten sich, als sie fünf Jahre alt war,[3] und sie wuchs – als älteste von drei Schwestern – fortan bei ihrem Vater Peter in Arco, in der Nähe des Gardasees, auf. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zogen Vater, ein Schuhmachermeister, und Tochter nach Obermais bei Meran.[4] 1914 wurde der Vater zu den Kaiserjägern einberufen und in das russisch besetzte Galizien geschickt. Nach einer schweren Verletzung kam er nach Hause, und nach seiner Genesung schloss er sich als Freiwilliger dem Landsturm an. Die gerade 16-jährige Viktoria Savs, die sich nicht mehr von ihrem Vater trennen wollte, täuschte die Musterungskommission in Meran über ihr Geschlecht und konnte so am 10. Juni 1915 ins Standschützenbataillon Meran I eintreten. In diesem Bataillon, das seit 21. Mai 1915 auf der Hochfläche von Lavarone (südöstlich von Trient) im Einsatz stand, diente sie unerkannt als Trainsoldat (Schanzarbeiter) „Victor Savs“. Erst am 8. Dezember 1916 erreichte sie bei Armeekommandant Erzherzog Eugen die Genehmigung, als freiwillige Landsturmarbeiterin mit der Waffe in der Hand zu dienen, und rückte zum Landsturminfanteriebataillon Innsbruck II ein, in dem auch ihr Vater als Zugsführer diente. Sie erhielt auch die geheime Genehmigung zum Fronteinsatz.
Außer einigen wenigen Offizieren war niemandem bekannt, dass der Soldat Viktor Savs in Wirklichkeit eine Frau war. Im Fronteinsatz zeigte sie Talent beim Führen von Lasttieren und als Meldegänger auf Skiern. Am 1. Dezember 1916 wurde sie einem Hauptmann als Ordonnanz zugeteilt und nahm bald darauf sogar an Kampfhandlungen im Frontabschnitt Drei-Zinnen-Plateau (Tre Cime) teil. Bei einem Angriff auf italienische Stellungen in den Sextener Dolomiten am 11. April 1917 führte sie allein und unter gegnerischem Artilleriefeuer eine Gruppe von 20 gefangenen Italienern hinter die österreichischen Linien. Für Tapferkeit und vorbildliche Führung wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie die Tapferkeitsmedaille in Bronze,[5] das Karl-Truppenkreuz sowie die Große Silberne Tapferkeitsmedaille.[4]
Ihr Fronteinsatz endete mit einer Verwundung, die sie am 27. Mai 1917 erlitt: Durch einen Granateinschlag löste sich ein Felsblock, der ihr den rechten Fuß zerschlug, so dass er nur noch von einigen Sehnen am Bein gehalten wurde. Sie wurde ins Lazarett des Feldlagers Sillian transportiert, wo ihr Bein unterhalb des Knies amputiert werden musste.[6] Noch vor dem Lazarettaufenthalt war im Jänner 1917 durch ihren Vater bekannt gemacht geworden, dass es sich bei dem Soldaten „Viktor Savs“ um eine Frau handelte. Nicht mehr fronttauglich, begann sie für das Österreichische Rote Kreuz zu arbeiten und wurde dort später mit dem silbernen Verdienstkreuz ausgezeichnet.
Nach dem Krieg kam sie über Hall in Tirol und verschiedene Orte in Deutschland nach Salzburg, wo sie sich 1938 niederließ.[7] Sie nahm bis in die 1950er Jahre gelegentlich an Veteranentreffen teil; dokumentiert ist ihre Teilnahme an einem Treffen in den 1930er Jahren. Zu dieser Zeit trat sie als eine die Kameradschaft hochhaltende Deutschnationale der NSDAP bei, dies nicht zuletzt, um eine bessere Invalidenrente zu bekommen.[8] Über politische Tätigkeiten ist nichts bekannt, doch wurde in den Vorkriegsjahren des Zweiten Weltkriegs propagandistisch über sie berichtet.[9]
Viktoria Savs starb im Alter von 80 Jahren am 31. Dezember 1979 in Salzburg. Sie wurde mit all ihren Auszeichnungen im Salzburger Kommunalfriedhof beigesetzt.
Würdigungen
Der Unteroffiziers-Lehrgang 1999 der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) des österreichischen Bundesheeres ist nach ihr benannt.[10]
Siehe auch
Literatur
- Reinhard Heinisch: Frauen in der Armee – Viktoria Savs, das „Heldenmädchen von den Drei Zinnen“. In: Pallasch, Zeitschrift für Militärgeschichte. Heft 1/1997. Österreichischer Milizverlag, Salzburg 1997, ZDB-ID 1457478-0, S. 41–44.
- Das Heldenmädchen von den Drei Zinnen. Auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg befindet sich ein unscheinbares Grab, auf dessen Grabstein kaum leserlich der Name Viktoria Savs steht. Welche Bewandtnis hat es nun mit dieser Frau Savs? In: Mitteilungen und Berichte. Heft 129/2009. Österreichisches Schwarzes Kreuz, Wien 2015, ZDB-ID 2708727-X, S. 36.
- Frank Gerbert: Die Kriege der Viktoria Savs – von der Frontsoldatin 1917 zu Hitlers Gehilfin. Kremayr & Scheriau, Wien 2015, ISBN 978-3-218-00991-1, Inhaltstext.
- Dazu: Matthias Schulz: Tapferes Mädchen. Von der verwundeten Frontsoldatin zur Gehilfin Adolf Hitlers: Neue Dokumente belegen das erstaunliche Leben der Viktoria Savs. In: Der Spiegel. Nr. 38/2015, S. 118.
- David Pfeifer: Die Rote Wand. Roman. Wilhelm Heyne Verlag, 2015. (Roman über den Fronteinsatz von Viktoria Savs).
- Albin Kühnel: Das „Heldenmädchen von den Drei Zinnen“: Victoria Savs – Eine Spurensuche. In: Heimatblätter des Reichenhaller Tagblatts vom 31. Januar 2009.
Weblinks
- Fotos und Vita von Viktoria Savs, auf cimeetrincee.it (italienisch)
- Hans Savs: Soldat, 17, weiblich, Beitrag auf dradiowissen.de vom 27. Juni 2014 (19 min 30s)
Einzelnachweise
- 1 2 Im Osten gab es mit der Rumänin Ecaterina Teodoroiu (1894–1917) ebenfalls eine als Frau bekannte Frontkämpferin, und sie gilt dort als Heldin. Bei der österreichischen Stephanie Hollenstein wussten nur die Kameraden Bescheid, und als die Vorgesetzten es herausfanden, wurde sie umgehend entlassen. Die englische Reporterin Dorothy Lawrence (1896–1964) befand sich nur zehn Tage an der Front und wurde dann lange Zeit verhört.
- ↑ Andreas Hirsch: Ein Stück altes Reichenhall – Die obere Stadt... in den Heimatblättern, Beilage des Reichenhaller Tagblatts vom 2. Juli 2018
- ↑ Nach Angabe von Albin Kühnel, Heimatverein Bad Reichenhall, im Beitrag Hans Savs: Soldat, 17, weiblich, auf dradiowissen.de vom 27. Juni 2014, etwa bei 4 min 28s
- 1 2 Die invalide Vikkerl Savs mit der Großen Silbernen. Das Heldenmädchen von der Dolomitenfront. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, Nr. 250/1917 (XLIV. Jahrgang), 1. November 1917, S. 15, Mitte links. (Online bei ANNO). – Noch 1932 ist Peter Savs in Meran-Obermais als Schuhmacher nachgewiesen, vgl. Dolomiten. vom 25. Juni 1932, S. 16 (digital.tessmann.it).
- ↑ Amtlicher Teil. (…) In Anerkennung tapferen Verhaltens (…). In: Wiener Zeitung, Nr. 87/1918, 17. April 1918, S. 1, Mitte unten. (Online bei ANNO).
- ↑ (Bildunterschrift:) Die Kriegsfreiwillige Viktoria Savs (…). In: Das interessante Blatt, Nr. 35/1917 (XXXVI. Jahrgang), 30. August 1917, S. 10, unten links. (Online bei ANNO).
- ↑ Albin Kühnel: Viktoria Savs – Das Heldenmädchen von den 3 Zinnen. Eine Spurensuche. Vortrag Dienstag, 10. März 2009, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (Artikel online).
- ↑ Andreas Praher: Die vergessene Soldatin. In: Flachgauer Nachrichten, 28./39. Mai 2014, S. 24 (anlässlich der Sonderausstellung Krieg. Trauma. Kunst. Salzburg und der Erste Weltkrieg im Salzburg Museum, Neue Residenz, 9. Mai 2014 bis 27. September 2015, Artikel, salzburgmuseum.at).
- ↑ vergl. Viktoria Savs, das „Heldenmädchen von den drei Zinnen“, Zeitungsausschnitt-Sammlung II (SAVS, Viktoria), Hauptstaatsarchiv Stuttgart – M 737 Bü 25 (Archivalieneinheit, landesarchiv-bw.de).
- ↑ Viktoria Savs, Namensgeberin des 9. Unteroffizierslehrganges und 29. Stabsunteroffizierslehrganges. Aus: Christoph Hatschek: Frauen in der österreichischen Militärgeschichte (Memento vom 3. Mai 2012 im Internet Archive). In: bmlv.gv.at, abgerufen am 12. September 2015.
Personendaten | |
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NAME | Savs, Viktoria |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Frontsoldatin im Ersten Weltkrieg |
GEBURTSDATUM | 27. Juni 1899 |
GEBURTSORT | Bad Reichenhall |
STERBEDATUM | 31. Dezember 1979 |
STERBEORT | Salzburg |
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