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vom 07.03.2020, aktuelle Version,

Wander Bertoni

Metallskulptur Bewegung II, 1960–1961, Stuttgart
Doppelte Prora, 1975–1978, Melk Donaubrücke

Wander Bertoni (* 11. Oktober 1925 in Codisotto, Provinz Reggio Emilia, Italien; † 23. Dezember 2019 in Wien[1][2]) war ein österreichischer Bildhauer.

Leben

Weil sich sein Vater so sehr über das enge Verhältnis der katholischen Kirche zur faschistischen Partei Italiens ärgerte, wollte er keinem seiner Kindern einen christlichen Vornamen geben. Also nannte er seinen Sohn Wander, ein Name, der sich aus der etruskischen Tradition im nördlichen Italien ableitet. Bertoni kam im Jahr 1943 als Zwangsarbeiter nach Österreich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er in den Jahren 1946 bis 1952 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Fritz Wotruba. Er gehörte zusammen mit Anton Lehmden und Josef Mikl im Jahr 1947 zu den Gründervätern des Art-Clubs.

Bertoni starb im Dezember 2019 im Alter von 94 Jahren und wurde Anfang Jänner 2020 auf dem Areal seines Freilichtmuseums in Winden am See beigesetzt.[3]

Restaurierung bombengeschädigter Denkmäler nach dem Zweiten Weltkrieg

Wiener Pestsäule, Detailansicht
Burgtheater, Feststiege

Das Bundesdenkmalamt bezahlte einer Reihe von später bedeutenden Malern und Bildhauern für Restaurierungen Honorare, die nicht nur das Überleben sicherten, sondern auch die Chance boten, ihren künstlerischen Weg weiterhin zu beschreiten und ihre schöpferische Tätigkeit nicht zu vernachlässigen. Zu diesem Kreis zählte auch Wander Bertoni.[4] Der damalige Leiter des Bundesdenkmalamtes Otto Demus übertrug dem jungen Akademiestudenten – zunächst über die Vermittlung seiner Freunde Heinz Leinfellner und Maria Biljan-Bilger und später, als man mit seiner Arbeit zufrieden war, unmittelbar – eine Reihe von Restaurierungsaufträgen an kriegsbeschädigten Denkmälern.

Als erste Arbeit wurde ihm ein prominentes Objekt übertragen: die beschädigte Pestsäule am Wiener Graben. An diesem bedeutenden, von Johann Bernhard Fischer von Erlach 1694 als Dreifaltigkeitssäule vollendeten Monument sollte der Künstler die Restaurierung und Wiederherstellung der auf der Schauseite situierten Figurengruppe „Fides stürzt die Allegorie der Pest in den Abgrund“ von Paul Strudel in die Wege leiten. Verloren gegangene Details mussten neu geformt, in Kunststein gegossen und schließlich an den dafür vorgesehenen Stellen montiert werden.

Ein weiterer Auftrag betraf den 1729/32 als Ehrenmal und Marktbrunnen von Joseph Emanuel Fischer von Erlach errichteten Vermählungsbrunnen auf dem Hohen Markt. Hier war der Kopf der hl. Maria beschädigt und musste wiederhergestellt werden. Die vor den korinthischen Säulen stehenden Engelsfiguren aus Carraramarmor von Antonio Corradini hatten während der Kampfhandlungen ihre Flügel zur Gänze eingebüsst. Sie wurden in Kunststein neu gegossen und sie sind schöner als es die originalen jemals waren.

Die hochbarocke steinerne Maria-Immaculata-Statue an der Fassade des ehemaligen Hochholzerhofes (BAWAG, Tuchlauben 5) wurde 1949 von Bertoni restauriert, hier waren abgeschlagene Teile wie die zur Gänze verloren gegangenen Engelsköpfe erneuert worden. Die umfangreichste und schwierigste Aufgabe, die der Künstler für das Bundesdenkmalamt übernahm, betraf eine von einem Bombentreffer total zerstörte Skulptur im Inneren des Burgtheaters. Es handelte sich um den oberhalb der Feststiege an der Volksgartenseite situierten so genannten „Bacchus-Zug“ des Bildhauers Edmund Hofmann von Aspernburg. Der Treppenaufgang zum Zuschauerraum führt zu triumphbogenartigen Durchgängen, die von gekoppelten korinthischen Vollsäulen umrahmt und von diesem Bacchus-Zug tympanonartig bekrönt werden. Zwölf Plastiken, bis auf eine einzige durch den Bombentreffer völlig vernichtet, mussten ebenso wie ihr Umfeld neu gegossen werden. Da es so gut wie keine präzisen Vorlagen gab, an denen sich Bertoni hätte orientieren können, bekamen die Köpfe der Figuren ein Eigenleben. Seine Arbeit gedieh zur vollen Zufriedenheit des Bundesdenkmalamtes. Dazu folgende Begebenheit: Josef Zykan, Wiener Landeskonservator, äußerte sich kritisch .. sehr gut, Bertoni, bis auf die eine Figur links außen, die ist ihnen nicht gelungen, sie wirkt so unlebendig. Es handelte sich dabei um das einzige erhaltene Original.

Ein eigenständiger, unverwechselbarer Stil

Die Skulpturen von Bertoni auf dem Theodor-Herzl-Platz in Wien (zwischen Parkring und Coburgbastei)

Wander Bertoni, wohl der bedeutendste aus der Wotruba-Schule hervorgegangene Bildhauer, war auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. .. wir waren frei, zu allem frei, und es ging darum, das herauszufinden was unseren Anlagen und Möglichkeiten am besten entsprach. Der Drang zur Abstraktion steckte intuitiv in mir, nur wusste ich nicht, wie ich dazu kommen könnte. Auch für meinen damaligen Lehrer Wotruba war es das Problem. Kontakte mit ausländischen Künstlern und deren Arbeiten, zum Beispiel jenen von Giacometti oder Arp, werden Anknüpfungspunkte für ihn.

Zu seinen ersten Versuchen, eine ungegenständliche Aussage zu wagen, zählt ein für die Triennale Mailand im Jahre 1947 im Auftrage von Architekt Oswald Haerdtl geschaffenes polychromiertes Gipsrelief. Damit wollte er die Dynamik vermitteln, die damals Österreich und sein Leben bestimmte.

Meisterklasse für Bildhauerei

Von 1965 bis 1994, dem Jahr seiner Emeritierung, übte Bertoni eine Professur aus und war Leiter einer Meisterklasse für Bildhauerei an der Universität für angewandte Kunst Wien. Bertoni vollzog mit seinen Skulpturen in den 1950er Jahren den Schritt vom Figürlichen zur Abstraktion, später zum Symbolischen.

1965 kaufte Bertoni die Gritschmühle, eine Wassermühle in Winden am See am Fuße des Leithagebirges, welche umfangreich restauriert wurde. Hier stehen im freien Gelände zahlreiche Großplastiken des Künstlers. Weiters wurde 1999–2000 ein eigener Ausstellungspavillon mit Planung von Architekt Johannes Spalt errichtet, wo in einem Rundgang sein Schaffen in zeitlicher Folge zu sehen ist.[5]

Weinende Brücke 1999 Wien Floridsdorf Station Siemenstrasse
Im Freilichtmuseum Wander Bertoni
Ausstellungspavillon Wander Bertoni von Johannes Spalt (1999–2000)

Er besaß eine der umfangreichsten Eiersammlungen weltweit, von Grabbeigaben bis zum Kitsch, rund 3000 Stück.[6]

Bertoni war mit der 2002 verstorbenen Wiener Schauspielerin Inge Konradi verheiratet. Ab 1992 war er mit der Augenärztin Waltraud Bertoni, geborene Stanek, verheiratet.

Der Künstler wurde 2005 eingeladen, das 8. Europa-Symposium Kaisersteinbruch mit einer Festansprache zu eröffnen. Teilnehmer waren Bildhauer aus Frankreich, Schweiz und Bosnien-Herzegowina.

Teilnahme an internationalen Biennalen und Auszeichnungen

Ausstellung

  • 2013: Bertoni. Von der Zeichnung zur Skulptur. Landesgalerie Burgenland, Eisenstadt, Burgenland, Österreich.

Werke im öffentlichen Raum (Auswahl)

  • 1960–1961: Bewegung II, Stuttgart[7]
  • 1973: Sechs Säulen aus dem Zyklus Metamorphose der Säule, Auftrag Johannes Spalt, Wien[8]
  • 1975–1978: Doppelte Prora, Melk Donaubrücke[9]
  • 1999: Weinende Brücke als Denkmal zur italienischen Zwangsarbeit beim Bau der Floridsdorfer Hochbahn[10]

Literatur

Commons: Wander Bertoni  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bildhauer Wander Bertoni 94-jährig verstorben im Kurier vom 23. Dezember 2019 abgerufen am 23. Dezember 2019
  2. Herzschwäche Wander Bertoni verstorben. In: nön.at, 23. Dezember 2019. Abgerufen am 23. Dezember 2019.
  3. Biografie-Freilichtmuseum In: bildhauer-wanderbertoni.com, Abgerufen am 7. März 2020.
  4. Verena Keil-Budischowsky: Restaurierung bombengeschädigter Denkmäler und das Entstehen einer neuen Kunstströmung nach dem Zweiten Weltkrieg - Wander Bertoni zum 80. Geburtstag. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LVIII, 2004, Heft 3/4. Aus Trümmern wiedererstanden. Denkmalpflege 1945 bis 1955. S. 541–556.
  5. Architekturzentrum Wien (Hrsg.): Johannes Spalt. Wahlverwandtschaften. Residenz, Wien Salzburg 2010, S. 98ff.
  6. Beatrix Neiss: Fruchtbarkeits- und Heilssymbol. Der Bildhauer Wander Bertoni besitzt 3.000 verschiedene Eier (Wiener Zeitung, 29. März 2002).
  7. Wander Bertoni: Meine Aufträge 1945–1995., S. 90–93.
  8. Wander Bertoni: Meine Aufträge 1945–1995., S. 77–87.
  9. Wander Bertoni: Meine Aufträge 1945–1995., S. 116f.
  10. Wiens vergessenes Weltkriegsrelikt. In: orf.at, 5. Juni 2016, abgerufen am 21. November 2017.