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Boër, Johann Lukas#

ursprünglich J. L. Boogers


* 20. 4. 1751, Uffenheim, Grafschaft Ansbach (Deutschland)

† 19. 1. 1835, Wien


Arzt und Geburtshelfer


Johann Lukas Boër
Johann Lukas Boer. Lithographie
© Bildarchiv d. ÖNB, Wien, für AEIOU

Boogers wurde an der Jesuitenschule in Würzburg erzogen und war von seinen Eltern für den geistlichen Stand vorgesehen; studierte dann beim Wundarzt Carl Caspar von Siebold auf dessen Anregung Anatomie und Chirurgie.

Nachdem er 1770 eine im Umland grassierende bösartige Epidemie durch höchste Einfachheit in der Behandlung eindämmen konnte, gewährte ihm der Fürstbischof von Würzburg, Adam Friedrich v. Seinsheim, seinen Wunsch, seine Studien in Wien weiterführen zu können.

Dort lernte Boogers 1778 den Leibwundarzt der Kaiserin Maria Theresia, Anton Josef Rechberger, kennen. Auf dessen Anregung befasste sich Boogers näher mit der Geburtshilfe an der "Gebäranstalt" des damaligen Bürgerspitals und am Hospital St. Marx. 1784 wurde er zum Wundarzt am Waisen- und Findelhaus ernannt.

Kaiser Joseph II. wurde in der Folge auf den Arzt aufmerksam und bewog ihn, seinen Namen von Boogers auf Boër zu ändern. Er veranlasste Boër zu einer Studienreise nach Holland, England, Frankreich und Italien (1785-88).

Nach seiner Rückkehr erhielt Boër die Stelle eines kaiserlichen Leibwundarztes; 1789 wurde er Leiter der Abteilung für Wöchnerinnen im Allgemeinen Krankenhaus. Außerdem übte er praktischen Unterricht in Geburtshilfe aus. 1808 wurde er ordentlicher Professor, 1817 erhielt er die Lehrkanzel für theoretische Geburtshilfe an der Universität Wien.

1790 verstarb die Gattin des späteren Kaisers, Erzherzog Franz, nachdem Boër sie mit Hilfe einer Geburtszange von einem Mädchen entbunden hatte; in der Folge wurde ihm von seinen Feinden die Schuld an diesem Ereignis zugeschoben, was den Kaiser Joseph II. aber nicht hinderte, ihm weiterhin zu vertrauen.

Bis zu seinem Rückzug 1822 übte Boër sein Lehramt aus, und hob in dieser Zeit den Ruf der Wiener Schule auf eine zuvor ungekannte Höhe: Durch die große Anzahl Schüler, die bei ihm studierten, erfuhren seine geburtshilflichen Grundsätze weite Verbreitung.

Dazu ist anzumerken, dass die Geburtshilfe der damaligen Zeit sich in einem sehr schlechten Zustand befand: Der Begriff einer natürlichen Geburt war zu jener Zeit fast ganz abhanden gekommen. Die Mediziner strebten vor allem danach, sich durch Erfindung neuer Instrumente und neuer Entbindungsmethoden hervorzutun.

Boër dagegen proklamierte die Sicht, dass Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett natürliche Vorgänge seien, die nicht durch voreiliges Einschreiten der Ärzte in ihrem Ablauf gestört werden sollten. Es wird berichtet, dass Boër von 4456 Geburten nur 21 mit der Geburtszange durchführte, also unter 212 Fällen nur einmal von dem Instrument Gebrauch machte.

Er begründete somit die Geburtshilfe in Österreich als selbstständiges Fach.

Boër war mit Eleonora Jacquet, Tochter des Hofschauspielers Carl Jacquet und Schwester der Hofschauspielerin Antonie Adamberger, verheiratet. Nach seinem Tod wurde Boër auf dem Schmelzer Friedhof in Wien bestattet.


Schriften

  • Abhandlungen und Versuche geburtshilflichen Inhalts zur Begründung einer naturgemäßen Entbindungsmethode, 3 Bde., 1791-93
  • Naturalis medicinae obstetriciae libri septem (lateinisch, 1812); deutsch: Sieben Bücher über natürliche Geburtshülfe, Wien 1834

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • 1794 Doktor der Medizin und Chirurgie honoris causa der Universität Wien
  • 1894 benannte man die Boergasse in Wien Meidling nach ihm

Literatur#

  • R. Hussian: Boers Leben und Wirken, In: Neue Zeitschrift d. Geburtskunde, Wien 1828
  • Karl von Hecker: Boër, Lucas Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Bd. 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 31–33
  • Wolfgang Dietrich Heinlein: Johann Lukas Boër, der Begründer der „natürlichen“ Geburtshilfe (1751-1835). Memminger, Würzburg 1935
  • E. Vogl: Der Streit um Boër. Diss., Wien 1943
  • Gabriela Schmidt: Johann Lukas Boër; in: Felix Czeik, Historisches Lexikon Wien (Bd. 1), Kremayr & Scheriau, Wien 1992

Redaktion: J. Sallachner