Hahnl, Hans Heinz #
* 29. 3. 1923, Herzogenburg, Niederösterreich
† 18. 2. 2006, Wien
Journalist und Schriftsteller
Hans Heinz Hahnl wurde am 29. März 1923 in Herzogenburg in Niederösterreich geboren. Er verbrachte seine Kindheit zwischen Dorf und Kleinstadt, besuchte das Gymnasium in Krems an der Donau und übersiedelte 1938 nach Wien. Nach der Matura 1942 war er drei Jahre lang als Arbeiter in der Rüstungsindustrie tätig. Danach studierte er an der Universität Wien Theater-, Kunst- und Literaturwissenschaft.
Er promovierte im Jänner 1948 mit einer Arbeit über "Karl Kraus und das Theater", deren Drucklegung etlichen Verlegern zu riskant war. Schon ab 1945 war Hahnl journalistisch tätig, von 1947 bis 1988 war Hahnl Mitarbeiter der Wiener "Arbeiter-Zeitung". Anfangs verfasste Hahnl die Gerichtssaalrubrik, später war er langjähriger verantwortlicher Redakteur des Kulturressorts. Hahnl war auch als Theaterkritiker für die "Bühne" tätig und schrieb literaturkritische Artikel für die "Neue Zürcher Zeitung" und den "Kölner Stadtanzeiger".
Zu Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn veröffentlichte Hahnl lyrische Gedichte in Otto Basils "Plan", einer der wichtigsten Literatur- und Kulturzeitschriften, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich gegründet wurden. Seine erste selbstständige Veröffentlichung war der 1952 erschienene Erzählband "Die verbotenen Türen".
In den 1970er Jahren trat Hahnl auch als Romanautor hervor. Der Europa-Verlag publizierte eine, mit „Die Einsiedler des Anninger“ (1978) begonnene Trilogie, der „Die Riesen vom Bisamberg“ (1979) und Die verschollenen Dörfer (1980) folgten. Die wesentlichen Grundzüge dieser Romane sind Aufklärung und Ironie einerseits, Außenseiter- und Künstlerthematik andererseits.
Hahnl verfasste auch Hörspiele für verschiedene ORF-Landesstudios, u. a. „Der byzantinische Demetrios“ (1969) und „Interview mit Orpheus“(1976). Auch als Herausgeber mehrerer Anthologien u. a. zur österreichischen erotischen Literatur und Essays über „Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale „(1984) machte sich Hahnl einen Namen. Zudem gab er die mit einem Nachwort versehenen gesammelten Werke Robert Müllers in zwei Bänden heraus.
Hans Hahnl war Mitglied der IG Autorinnen Autoren, des Österreichischer P.E.N. Club, des Österreichischer Schriftstellerverband und des Literaturkreis PODIUM.
Er erhielt zahlreiche Preise, u. a. den Preis der Stadt Wien für Publizistik (1974), den den Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1986) und zuletzt den Literaturpreis des Niederösterreichischen Kulturforums (1998).
Im Jahr 1981 wurde ihm der Professorentitel verliehen.
Hans Heinz Hahnl verstarb am 18. Februar 2006 in Wien.
Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#
- Förderungspreis d. Landes Niederösterreich für Literatur 1971
- Preis des Wiener Kunstfonds für Literatur 1973
- Preis der Stadt Wien für Publizistik 1974
- Buchprämie (des Bundes) 1977, 1979, 1982
- Würdigungspreis d. Landes Niederösterreich f. Literatur 1979
- Ehrenmedaille der Stadt Wien in Silber 1983
- Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 1986
- Robert-Musil-Medaille 1987
- Literaturpreis des NÖ Kulturforum 1998
Werke (Auswahl)#
Bücher:
- Die verbotenen Türen. Erzählungen. Verlag Jungbrunnen, Wien, 1952
- Der byzantinische Demetrius. Drama. Bergland Verlag, Wien, 1972
- In flagranti entwischt. Grasl Verlag, Baden, 1976
- Die Einsiedler des Anninger. Roman, 1978
- Die Riesen vom Bisamberg. Roman, 1979
- Die verschollenen Dörfer. Roman, 1980
- Das Geheimnis der Wilis. Roman, 1982
- Verweile doch. Roman, 1983
- Shakespeares Hund. Gedichte, 1983
- Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Essays.
- Hofräte, Revoluzzer, Hungerleider. 40 verschollene österreichische Literaten. Essays, 1990
- Roman in fünf Sätzen. Betrachtungen zum Genre. Roman, 1993
- Hexeneinmaleins. Roman, 1993 (Edition S)
- Der Tod des Grafen Ortiz. Erzählung, 1994
- Velis Literaturzweifel / Velis Abschied, 1997
- Velis Land. Gedichte. 1998
- Die Fälschungen der heiligen Bücher, 2000
- Erinnerungen eines Durchschnittsessers, 2000
- Die Verbrecherin Zeit, 2001
- Autobiographie meiner Epoche, 2002
Hörspiele:
- Der byzantinische Demetrios. ORF Wien, 1969
- Interview mit Orpheus. ORF Niederösterreich, 1976
- Was die Schwester erzählte. ORF Burgenland, 1978
- Das Geheimnis des Mithras-Kultes. ORF Oberösterreich, 1980
- Füttern und gefüttert werden. ORF Burgenland, 1981
Leseprobe#
aus Hans Heinz Hahnl - Ausgewählte Gedichte
Der gute Mensch vom Rhein, Böll, der
Trümmerpoet, puritanischer Christ
und Verliereranwalt,
ehrlich und penetrant
und damit zu einem Praeceptor
Germaniae vorprogrammiert,
als Prediger und als
Kommentator ein Savonarola.
Die Ungerechtigkeit meines Hohns
liegt auf der Hand. Er hat
nichts bewirkt, aber angeblich
den Leuten die Krallen geschärft.
Lesen mag ich ihn nicht, sagte Veli,
aber vor meiner Achtung
kann ihn seit seinem Tod
nichts mehr bewahren.
*
Mein Zaddik hat mich verlassen,
sagte Levi, weit und breit
kein Guru, keine Bibelsprüche,
kein Gleichnis, das eine
schwankende Brücke zwischen mir
und dem Erlöser schlägt.
Die Rabbis haben sich verlaufen,
die Heiligen sind ausgestorben,
keine Märtyrer, nur Opfer
des Kapitalismus und
seiner sozialistischen Aussenstationen.
Führerlos. Das war Velis Land.
Allein in den Wäldern der
Kindheit, in den Buschwinkeln
der Flucht, geschützt von den
Sträuchern der einsamen Rast.
*
Die Flüsse hinab und die Alleen
entlang, aber zu Hause, sagte Veli,
war ich auf unseren Bauernstrassen
mit den schütteren Apfelmostbäumen.
Von Dorf zu Dorf, von
Hundegebell begleitet, den
Stallgeruch und den ersten Blütenduft
erschnuppernd, habe ich mir
die Wege eingeteilt, das ebene
Drittel, den Anstieg und
den Morast durch den Auwald.
Fünfminutenromane, Hymnen, Epen
und Elegien der Vergänglichkeit.
Ich habe zwischen Kirschenbaum
und den ersten Ställen alles
erlebt, was einem zustossen kann,
immer im Schatten des Schicksals,
aber dank meiner Beine und
einer Schotterstrasse mein eigener Herr,
auch in der Qual meiner
tausend Kinderängste.
A la Mommsen
wünschte Veli sich seinen Tod.
Bekanntlich traf den 86jährigen Historiker
in seiner Charlottenburger Villa
der Schlag, als er auf der
Bibliotheksleiter stand und
mit steif gewordener Hand
ein Buch aus dem Regal
ziehen wollte. Er glaubte,
den fehlenden vierten Band seiner
unvollendet gebliebenen Römischen Geschichte,
der immer wieder von ihm
eingefordert worden war, gefunden
zu haben und griff ins Leere.
*
Jetzt hast du so viel geschrieben,
gehört und gelesen, gespielt und gesungen,
wofür, fragte Veli, am Grab eines Freundes,
dein Körper vermodert, aber was ist aus deinem
Wissen, deinem Geschmack, deinen
tausend Empfindungsnuancen geworden?
Was hat der grosse Verschwender
da vorgesehen? Lässt er's verkommen?
Er lässt es verkommen.
Quellen#
Redaktion: I. Schinnerl