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Kreisler, Karl#


* 29. 11. 1882, Wien

† 18. 10. 1942, KZ Sobibor


Dichter und Schriftsteller


Karl Kreisler wurde am 29. 11. 1882 in Wien als Sohn eines Kaufmannes und einer Lehrerin geboren.


Nach dem Studium der Germanistik und Altphilologie an der Universität Wien, an der er 1905 zum Dr. phil. promoviert wurde, konvertierte er vom jüdischen zum katholischen Glaubensbekenntnis und begann den Lehrberuf am Gymnasium in Korneuburg auszuüben. Mit dem Schuljahr 1907/08 wurde er Gymnasialprofessor in Mähren, und zwar zunächst in Kremsier und ab 1909 am Deutschen Gymnasium in Brünn, an dem er Deutsch und Latein sowie Stenographie unterrichtete.


Daneben war Karl Kreisler als Theaterkritiker für mehrere deutschsprachige Zeitungen in Mähren und später auch der Deutschen Sendung des Brünner Rundfunks tätig. Außerdem wurde er Mitglied des deutschen Stadtbildungs- und des deutschen Stadtschulausschusses von Brünn. Verheiratet war er seit 1918 mit der aus Niederösterreich stammenden Kinderärztin Dr. Hedwig Kreisler, geb. Loew, mit der er einen Sohn, DDr. Kurt Hermann Kreisler, hatte.


Auf der deutschen Sprachinsel Brünn hatte Karl Kreisler eine zweite Heimat gefunden – bis 1939. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen musste er seinen Dienst quittieren, er wurde am 8. 4. 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, von wo aus er in das Vernichtungslager Sobibor verschickt wurde, wo er ums Leben kam.

Werke (Auswahl)#

Literaturgeschichtliche Studien
  • Der Inez de Castro-Stoff im romanischen und germanischen, besonders im deutschen Drama, 1908
  • Rainer Maria Rilke. Eine literarhistorische Studie, 1910
  • Die Prinzipien einer modernen Homer-Übertragung, 1912
  • Hieronymus Lorms Schicksal und Werk, 1922
Bühnenwerke
  • Savitri, ein altes Spiel von Tod und Treue in einem Rahmen, 1923
  • Psychoanalyse. Lustspiel, 1927
  • Gefühl mit fünf Buchstaben. Lustspiel, 1928
  • Kino. Sketch, 1929
Romane
  • Die ewige Liebe der Frau Lilly Schwarz (1930)
  • Catilina. Roman eines Verschwörers, 1938
Novelle
  • Leidenschaft und Tod, 1934

Gedichtbände

  • Junge Jahre, 1912
  • Trunkenheit und Stille, 1927
  • Beseelte Welt, 1938

Leseproben#

Aus: Trunkenheit und Stille

Eine Stunde

Tausend Sterne standen
Über den Trunkenen.
Tausend Lichter blitzten
In Herzens Widerscheine.
Rings die ragende Welt
War in Demut
Eigen den ewig Liebenden.
Dein Haupt in meiner Brust,
Deine Augen tief in meinen.
Alles versank. Du und ich,
Ich und du – grenzenlos
Schwebend in Glückes Unendlichkeit.


Aus: Beseelte Welt

Fahrt durch den Äther

Die trübe Erde weicht
Und bleibt zurück.
Ein Vogel trägt uns leicht
Ins Wolkenglück.

Das Auge niederschaut
Auf weites Land:
Wie Spielzeug ist’s erbaut
Von Kinderhand.

Wie klein ist alles, was
Ruht in der Zeit,
Wie klein ist aller Hass
Und blinde Streit.

Hier oben ist der Ort,
Wo tief im Blut
Zur Wahrheit wird das Wort:
Der Mensch ist gut.

Herbst

Wenn das Lied der fernen Nachtigallen,
Das den Wald durchzitterte, verhallt,
Wenn vom Baum die welken Blätter fallen
Und der Nebel durch die Wiesen wallt,

Wenn am Himmel grämlich und verhangen
Nicht das Gold der heißen Sonne scheint
Und die Welt nach nächtlichem Erbangen
Manche kalte Morgenträne weint:

Wendest du dich trauervoll nach innen
Und besinnst dich auf die graue Zeit,
Wo du selber leise welkst von hinnen
Und entstürzest in die Ewigkeit.

Literatur#

  • Salomon Wininger, Große jüdische National-Biographie. Mit mehr als 8000 Lebensbeschreibungen namhafter jüdischer Männer und Frauen aller Zeiten und Länder. Ein Nachschlagewerk für das jüdische Volk und dessen Freunde, Bd. 3, 1928
  • Rudolf M. Wlaschek, Biographia Judaica Bohemiae, 1995
  • Dora Müller, Der Brünner Lyriker Karl Kreisler wie ich ihn kannte. In: Mährische deutschsprachige Literatur. Eine Bestandsaufnahme, ed. Ingeborg Fialova-Fürstova, 237–241, 1999
  • Mit der Ziehharmonika. Zeitschrift für Literatur des Exils und des Widerstands, 16. Jg., Nr. 3, 1999
  • Zdenek Marecek, Brünner Trunkenheit, Theresienstädter Stille. Zu Tragik der jüdischen Assimilation bei Karl Kreisler (1882–1942). In: Germanistische Literaturwissenschaft und die neuen Herausforderungen in Forschung und Lehre in Tschechien, ed. Jaroslav Kovar, Ales Urvalek, 45–63, 2009

Quellen#

  • Exil Archiv
  • Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 – 1950, Bd. 4 (Lfg. 18)
  • Hans Giebisch, Gustav Gugitz, Bio-bibliographisches Literaturlexikon Österreichs, 1964
  • Bibliographia Judaica. Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache, ed. Renate Heuer, Bd. 1 (München 1981)
  • Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18.–20. Jahrhundert, ed. Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe, Bd. 2, 2002
  • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser, Lexikon der österreichischen Exilliteratur, 2000

Redaktion: Dr. Markus Loew