Orglmeister, Gustav#
* 23.12.1861, Smirchov bei Prag (Tschechische Republik)
† 25.10.1953, Wien
k.u.k. Hofbaumeister, Architekt u. Bauunternehmer
Gustav Orglmeister wurde in Prag-Smirchov geboren und in Prag absolvierte er auch seine Ausbildung zum Architekten.
Nach seiner Ausbildung in der Kunstgewerbeschule von Reichenberg und einem Praktikum im Atelier des Architekten Schumacher besuchte er die deutsche Technische Hochschule in Prag und die Prager Kunstgewerbeschule, an der die Ausbildung des Künstlerischen im Architekturstudium vermittelt wurde.
Der Zeitpunkt seines Studienabschlusses ist nicht bekannt, es gibt auch keine Informationen über eine Baupraxis und wann genau er nach Wien kam.
1889 gründete er jedenfalls in Wien zusammen mit seinem Jugendfreund Franz Kupka die Baufirma Kupka & Orglmeister. Bereits 1890 verfügte Orglmeister über die Stadtbaumeisterkonzession, die ihn berechtigte, in den inneren Bezirken zu bauen. Die Firma entwickelte eine rege Tätigkeit und gehörte bald zu den führenden Bauunternehmen Wiens.
Das Werk der beiden Architekten Kupka und Orglmeister ist kaum voneinander zu trennen: zusammen planten und errichteten Franz Kupka und Gustav Orglmeister zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser, Villen und Palais, Warenhäuser, Gewerbebauten, Klubhäuser für Sportvereine, Kirchen, Ausstellungsbauten und vieles mehr.
Sie errichteten Bauten nach eigenen Entwürfen, führten aber auch fremde Entwürfe aus, betätigten sich im Eisenbahnbau (die "Wocheinerbahn" ist mit der Brückenkonstruktion über den Isonzo Weltkulturerbe) und wurden mehrfach mit ausgesprochenen Großprojekten betraut.
Ihre repräsentative Wohn- und Geschäftshäuser führten sie vor der Jahrhundertwende im barockisierenden Stil aus, um die Jahrhundertwende wurden secessionistische Einflüsse merkbar - es fand sich eine merkliche Orientierung an den Stadtbahnbauten Otto Wagners; ab 1905 überzog auch neomanieristischer Dekor die eher flächig gehaltenen Fassaden.
Die Baufirma besaß ein Spezialbüro und Werkstätten für die Ausführung von Schnellholzbauten und Betoneisenbau. Bei dem Wohn- und Geschäftshaus Mariahilfer Straße 5 (1893) verwendeten sie zum ersten Mal in Wien Siemensches Drahtglas zur Überdachung des Hofes. Ebenso fortschrittlich zeigten sich die beiden Architekten mit der Verwendung der sogenannten "Construction Hennebique", einer weiter entwickelten Eisenbetonbauweise, bei dem Bau der Buchdruckerei 'Gottlieb Gistel Cie' (1901). Beim Bau der Kaasgrabenkirche (1909-1910), im um diese Zeit im Wiener Kirchenbau eher seltenen neobarocken Stil erbaut, wurde ebenfalls Eisenbeton bei der Ausführung des Tonnengewölbes angewandt. Am Wechsel errichteten sie für den Industriellen Wilhelm Schrantz eine Jugendstilvilla aus Fertigteilen.
1903 wurde Gustav Orglmeister der Titels eines Hofbaumeisters verliehen, 1909 wurde er gerichtlich beeideter Bausachverständiger und Schätzmeister und 1911 selbständiger Architekt und Alleininhaber der Baufirma "G. Orglmeister", da sich sein Kompagnon Franz Kupka 1908 vom gemeinsamen Betrieb zurückgezogen hatte.
Gustav Orglmeister führte das Unternehmen nun bis in die 1930er Jahre unter seinem alleinigen Namen weiter.
Der Erste Weltkrieg brachte eine Stagnation im Baugewerbe mit sich, an der sich auch in den darauffolgenden wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht viel ändern sollte - der Name Orglmeister verschwand aus dem Wiener Baugeschehen.
Gustav Orglmeister starb am 25. Oktober 1953 im 92. Lebensjahr in Wien, er wurde am Hernalser Friedhof beerdigt.
Beeindruckend ist die Werkliste Orglmeisters mit einer Vielzahl an Wiener Mietshäusern - er selbst geriet jedoch völlig in Vergessenheit.
Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#
- Franz-Josef-Orden, 1911
- Ehrenzeichen für Verdienste um das Rote Kreuz
- Königlich preußischer Kronenorden III. Klasse
- Schwedischer Wasa-Orden
Werke (Auswahl)#
Wohn- und Geschäftsbauten, gemeinsam mit Franz Kupka- Wohn- u. Geschäftshaus der (ehem. k.u.k. Hof-) Verlags- und Universitäts-Buchhandlung Manz, Wien 1, Kohlmarkt 16 (einst Kohlmarkt 20), 1892
- Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 6, Mariahilferstraße 5, 1893
- Wohnhaus, Wien 3, Jaquingasse 39 (abgerissen), 1893
- Miethaus, Wien 8, Lerchenfelderstraße 74, 1894
- Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 8, Lange Gasse 41, 1895
- Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 7, Neustiftgasse 74-76, 1896
- palaisartiges Wohnhaus, Wien 4, Brahmsplatz 4, 1897
- Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 4, Tilgnerstraße 2 / Favoritenstraße 20 (Fassade teilweise verändert), 1897
- Miethaus, Wien 10, Neilreichgasse 52, 1899
- Wohn- und Geschäftshaus, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 15 / Gärtnergasse 17, 1899-1900
- Miethaus, Wien, 3, Unt. Viaduktstraße 33 (1919 Fassade modernisiert), 1900
- Miethaus, Wien 3, Jacquingasse 33, 1900
- Miethaus, Wien 6. Theobaldgasse 10, 1900
- ehemal. Palais Wihelm Schrantz, Wien 4, Prinz Eugenstraße (ehem. Heugasse 72, demoliert), 1901
- Miethaus, Wien 3, Erdbergstraße 48, 1902
- Miethaus, Wien 4, Brahmsplatz 7 (Fassade abgetragen), 1902
- Miethäuser, Wien 5, Schönbrunner Straße 120-124 / St. Johann-Gasse 16-18 und Rechte Wienzeile 173, 1902-1903
- Miethaus, Wien 6, Theobaldgasse 12 / Königsklostergasse 6, 1902-1903
- Miethaus, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 6 / Glatzgasse 2, 1904
- Miethäuser, Wien 4, Argentinierstraße 8-10 / Paniglgasse 1-3 und Gußhausstraße 14, 1905
- Miethaus, Wien 3, Ungargasse 21-23, 1905
- Miethäuser, Wien 4, Schelleingasse 50 und 54 / Blechturmgasse 6, 1905-1907
- Miethaus, Wien 4, Schelleingasse 52 / Alois Drasche-Park 11, 1905-1907
- Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 6, Mariahilferstraße 27 / Theobaldgasse 21 / Windmühlgasse 2, 1908
- Miethaus, Wien 5, Bräuhausgasse 6, 1909
- Jagdhaus Schrantz, Molzegg/Wechsel, NÖ, um 1909
- Miethaus, Wien 4, Alois-Drasche-Park 12 / Blechturmgasse 10, 1910
- Villa Krebs, Wien 13, Ober-St.Veit, um 1910
- Miethaus, Wien 4, Mittersteig 15, 1910-1911
- Mietshäuser, Wien 2, Lassingleithnerplatz 2, 3 u. 4, 1911
Öffentliche Bauten
- ehem. Hotel Krantz (Ambassador), Wien 1, Neuer Markt 6 / Kärntnerstrasse (mit Franz Kupka, nach Kriegsschaden vereinfacht wieder aufgebaut), 1897
- Klubhaus des Wr. Athletik-Sport Clubs, Wien 2, Prater (mit Franz Kupka), 1898
- Remise und Depot (Bundesmobilienverwaltung) Wien 6, Mariahilfer Straße 88 (mit Franz Kupka), 1901
- Kaasgrabenkirche, Pfarrkirche Maria Schmerzen, Wien 19, Ettingshausengasse 1 / Stefan Esders-Platz (mit Franz Kupka), 1909-1910
- Lunapark-Variete (Theatersaal mit Restauration im Rahmen der Internationalen Jagdausstellung), 1910
- Pavillon für intern. Jagdausstellung, Wien 2, Prater, 1910
- Zubau zum Sporthaus des Wr. Athletik-Sport-Clubs, Wien 2, Prater (mit Franz Kupka), 1910
- Pavillon für Adria-Austellung, Wien 2, Prater, 1913
- Teilnahme am Bau der Triester- od. Karstbahn v. Görz nach Triest / (Nova) Gorizia, I/SLO – Trieste/Trst, I, 1904
Industrie-/Gewerbebauten
- ehem. Buchdruckerei Gottlieb Gistel Cie. Wien 3, Münzgasse 6 (mit Franz Kupka, Fassade verändert), um 1901
Literatur#
- W. Wagner-Riger, Wiens Architektur im 19. Jahrhundert, 1970
- E. Vancsa, G. Hajos, Die Kunstdenkmäler Wiens, 1980
- A.Lehne, Jugenstil in Wien, 1989
- W. Bandion, Steinere Zeugen des Glaubens, 1989
- I. Scheidl, Schöner Schein und Experiment, Katholischer Kirchenbau im Wien der Jahrhundertwende, 2003
- Erika Sieder, ... tout Vienne! Gustav Orglmeister 1861-1953, Der letzte Wiener k.u.k. Hofbaumeister, 2012
Quellen#
Redaktion: I. Schinnerl