Popp, Adelheid #
geborene Dwořak
* 11. 2. 1869, Inzersdorf bei Wien
† 7. 3. 1939, Wien
sozialdemokratische Politikerin und Journalistin
Adelheid Dwořak wurde am 11. Februar 1869 in Inzersdorf bei Wien in schwierigen sozialen Verhältnissen geboren.
Ihre Kindheit und Jugend waren gekennzeichnet von Hunger und Ausbeutung: sie musste - nach nur drei Schuljahren - mit zehn Jahren die Schule verlassen, um zuerst als Dienstmädchen und Näherin und später ab 1883 als Fabriksarbeiterin (zuerst in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse, dann in einer Korkfabrik) zum Familienunterhalt beizutragen.
Durch einen Kollegen ihres Bruders kam sie mit sozialdemokratischen Ideen in Berührung, ab diesem Zeitpunkt las sie sozialdemokratische Zeitungen ("Gleichheit", die spätere "Arbeiterzeitung") und begann mit aktiver Propaganda. Sie schloss sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an und hielt - erst 17jährig -auf einer Parteiversammlung ihre erste flammende Rede über die unerträgliche Situation der Arbeiterinnen.
Ihr Arbeitspensum war enorm: sie arbeitete täglich zwölf Stunden in der Fabrik, lernte Rechtschreibung und Grammatik, las über den Sozialismus, und besuchte abends und an den Wochenenden Parteiversammlungen.
Führende Sozialisten begannen sich für sie zu interessieren, so u.a. Reumann, Engels, Bebel und Viktor Adler, dessen Frau ihr Sprach- und Rechtschreibunterricht gab.
Ab 1890 sprach Adelheid Popp auf vielen Versammlungen in allen Teilen der Monarchie, 1891 wurde sie Mitglied des Wiener Arbeiterinnenbildungsvereins, 1893 gründeten sie und Amalie Pölzer den Lese- und Diskutierklub "Libertas".
Von 1892 bis 1934 war Popp Redakteurin der von ihr mitbegründeten Wiener Arbeiterinnen-Zeitung . Als das Blatt 1895 wegen "Herabwürdigung der Ehe und Familie" angeklagt wurde, musste Adelheid Popp als verantwortliche Redakteurin vor Gericht und wurde schließlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
1893 heiratete Adelheid Dwořak den Parteifunktionär Julius Popp, mit dem sie 3 Kinder bekam. Ihr Mann starb 1902, nur acht Jahre nach der Eheschließung; zwei Söhne verlor sie ebenfalls in jungen Jahren (einer fiel im Ersten Weltkrieg, der zweite starb an Grippe).
Sie wurde auf der Frauenreichskonferenz 1898 in das dort gegründete Frauenreichskomitee, später Frauenzentralkomitee, gewählt.
1902 initiierte sie gemeinsam mit Therese Schlesinger und gegen den erheblichen Widerstand der Parteispitze den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen.
1909 erschienen – zunächst anonym - ihre Kindheitserinnerungen "Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin". Bereits im ersten Jahr wurde das Buch dreimal aufgelegt, es folgten zahlreiche weitere Auflagen und Übersetzungen in viele europäische Sprachen.
1918 wurde sie in den Parteivorstand der SDAP und in den Wiener Gemeinderat gewählt, dem sie bis 1923 angehörte; 1919/20 war sie Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung und von 1920 bis 1933 Abgeordnete zum Nationalrat.
1933 legte Adelheid Popp ihre Funktionen aus Altersgründen zurück; kurz nach der Feier zu ihrem 65. Geburtstag wurden sämtliche sozialdemokratischen Organisationen verboten.
Ab 1934 lebte sie zurückgezogen in Wien, wo sie am 7. März 1939 starb.
Adelheid Popp war eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung.
Sie kämpfte für die Verbesserung der Arbeitsbedingungungen für weibliche Dienstboten, den Schutz für Mütter und Kinder, gegen Kinderarbeit und die Unterdrückung der Frauen in Ehe und Beruf.
Literatur#
- Juchacz, Marie: Sie lebten für eine bessere Welt: Lebensbilder führender Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts., 1971
- Gertrud Höllinger, Frauen schreiben über ihr Leben. Bürgerliche Autobiographie (Gertrud Bäumer) und proletarische Selbstdarstellung (Adelheid Popp) – ein Vergleich, 1989
- Gunde Krispin, Hetzerin, Wunderkind, Vorzeigefrau – Adelheid Popp, 1989
- Edith Probst (Hrsg.), "Die Partei hat mich nie enttäuscht…", Österreichische Sozialdemokratinnen, 1989
- Barbara Schlick, Zwei Milieus – eine politische Gesinnung: Adelheid Popp / Elisabeth die "rote Erzherzogin", 2002
Werke (Auswahl)#
- Die Arbeiterin im Kampf um's Dasein, 1895
- Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin von ihr selbst erzählt, 1909
- Haussklavinnen. Ein Beitrag zur Lage der Dienstmädchen, 1912
- 20 Jahre österreichische Arbeiterinnenbewegung, 1912
- Erinnerungen. Aus meinen Kindheits- und Mädchenjahren, 1915
- Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft, 1922
- Traurige Jugend, 1927
- Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs; ihr Aufbau, ihre Entwicklung und ihr Aufstieg, 1929
Quellen#
- Republik Österrreich, Palament
- Das rote Wien
- ÖNB, Ariane Projekt - Frauen in Bewegung
- Uni Wien
- Frauen. Biographieforschung
- Artikel "Adelheid Popp: Sie war Viktor Adlers erfolgreichste Schülerin" in Die Presse
- Felix Czeike: Historisches Lexikon wien. Bd. 4, S. 575 f. Wien 1995
- Österreichisches Biographisches Lexikon
Weiterführendes#
- Figl, B.: "Die Frauen kommen!" (Essay)
Redaktion: I. Schinnerl