Richter, Franz#
* 16. 1. 1920, Wien
† 1. 5. 2010, Wien
Schriftsteller, Dichter (v.a. Lyrik, Essays und Romane)
Nach seiner Gymnasialzeit begann Franz Richter neben einer musikalischen Ausbildung als Violinist bei Willi Boskovsky sein Studium an der Universität Wien.
1940 wurde er zur Deutschen Wehrmacht einberufen und geriet in den Wirren der letzten Kriegswochen auf der pommerschen Seenplatte im März 1945 in russische Kriegsgefangenschaft. Erst 1948 konnte er aus der Gefangenschaft nach Österreich zurückkehren, und setzte als "Werkstudent" neben einer Tätigkeit als Lehrer an einer Wiener Berufsschule sein durch die Kriegsereignisse unterbrochenes Studium fort und promovierte 1950 zum Dr. phil.
Danach war er an verschiedenen Schulen Wiens (Wiener Handelsakademie, zuletzt am "Theresianum") als Professor für Chemie tätig. Für den Chemieunterricht an den Höheren Schulen verfasste er auch mehrere vielbenutzte Lehrbücher, deren Erfolg ihm die notwendigen Mittel für sein literarisches Schaffen als Lyriker und Essayist verschaffte.
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer und Schriftsteller engagierte sich Franz Richter zeit seines Lebens auch auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturförderung, als Mitglied von Fördervereinigungen und Kunstsenaten und als Rezensent für Literaturzeitschriften
Gemeinsam mit seiner Ehegattin Edith, einer Violoncello-Solistin, spielte er bis ins hohe Alter "Hausmusik" mit namhaften befreundeten Musikern auf hohem Niveau.
Franz Richter starb am 1. Mai 2010 in Wien
Richters literarisch-musikalische Doppelbegabung gibt seiner Lyrik Intensität und klare Form. Doch auch sein erlernter Beruf als Chemiker, für den naturwissenschaftliche Genauigkeit Erfordernis ist, ist vor allem seinem reichen essayistischen Schaffen zugute gekommen. Alle Werke durchzieht jedoch eine radikale Unbestechlichkeit, ein innewohnender diagnostischer Blick, der ans Licht fördert, was die Klarheit des Gedankens fordert.
Die geradezu enzyklopädische Bildung Richters, die seine Essays auszeichnet und zu immer neuen Leseerlebnissen einlädt, wirkt nie prätentiös, sondern ermöglicht dem Autor jene leicht wirkende Selbstverständlichkeit, über sein Thema umfassend zu handeln und auch die unterschiedlichsten Blickwinkel eines Problems zu entdecken. Manchmal droht Richter seine Texte mit Reflexionen zu überfrachten, doch selbst dann kann der Leser dem Autor wegen der sachlichen Klarheit des Stils ohne Schwierigkeiten folgen und sich auf eine "wenngleich verwirrende, so doch immer gewinnträchtige" Reise ins Unbekannte einlassen.
Das zentrale Erleben des Zweiten Weltkriegs und der schwierigen Nachkriegszeit, welche in der Biographie des Autors eine klarerweise dominierende Rolle spielte, spiegelt sich in den Romanen Richters, insbesondere seinem Hauptwerk "Spaltklang". In schonungsloser und doch nie verletzender Weise fördert Richter hier die unheilvolle Geschichte der 40er- und 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts zutage.
Mitgliedschaften und Funktionen:
- Ehrenmitgliedschaft des Österreichischen P.E.N. Clubs, des Österreichischen Schriftstellerverbandes und der W. H. Auden-Gesellschaft
- 1975-79 Präsident des Österreichischen Schriftstellerverbandes
- 1976-90 Generalsekretär des Österreichischen P.E.N. Clubs
- 1979-96 Delegierter in die Hörer- und Sehervertretung des Österreichischen Rundfunks
- Mitglied des Literaturkreises PODIUM, der IG Autorinnen Autoren, der Humboldtgesellschaft, Mannheim, und der Sociétée européenne de Culture, Venise
Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl):
- 1967 Theodor-Körner-Preis
- 1967 Preis der Stadt Wien für Literatur
- 1981 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
- 1984 Kulturpreis des Landes Niederösterreich
- 1985 Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien
- 1988 Otto Stoessl-Preis
- 1990 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
- 2000 Humboldtplakette der Humboldt-Gesellschaft Mannheim
Werke (Auswahl)#
Bücher- Wir, die an den Grenzen wohnen. Gedichte. Jugend und Volk, Wien, 1955
- Anbruch der Vergangenheit. Gedichte. Bergland, Wien, 1964
- Diogenes ultraviolett. Roman. Stiasny, Graz, 1964
- Wir leben chemisch. Sachbuch. Jugend und Volk, 1967
- Keine Sintflut für Noah . Die dreifältige Einfalt. Zwei Spiele zwischen Glauben und Zweifel. Bergland, Wien, 1968
- Humanimales'. Fabeln. (Illustrationen: Thomas Moog). Jugend und Volk, Wien, 1969
- Kreuzweg. Reliefs von Horst Aschermann. Presse und Vertrieb in Österreich, Wien, 1971
- Kosmo-Rhythmik. Anklänge und Entsprechungen. (Nachwort: Kurt Adel). Bergland, Wien, 1973
- Im Wendekreis der Blume. Essays über Pflanzenästhetik. (Illustrationen: Horst Aschermann), Wien, 1975
- Trockengebiet. Gedichte. Vlg. Grasl, Baden, 1980
- Pardon für Genies. Zwölf Charakterbilder. Niederösterreichisches Pressehaus, Wien 1982
- Kurz gefaßt, lang bedacht ... Gedankensplitter. Niederösterreichisches Pressehaus, Wien, 1984
- Auf der Atembrücke von A nach O. Gedichte. (Nachwort: Alexander Giese), Wien, 1986
- Spaltklang. Roman vom Erbteil Europa 1933-1955, Wien, 1987
- Gestalten der Liebe. Erdachte Briefwechsel, literarische Porträts, Wien, 1989
- Lichtecho. Gedichte. (Nachwort: Marianne Gruber), St. Pölten, Wien, 1992
- Ein Pfauensommer. Drei Erzählungen vom magischen Auge. (Nachwort: Kurt Adel). Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten, Wien, 1994
- Geheimes wird Signal. Gedichte. (Nachwort: Matthias Mander, Illustrationen: Ernst Steiner), St. Pölten, 1996
- Lob der Weltvernunft. Gedichte. St. Pölten, Wien, 1999
- Ausgewählte Gedichte. Reihe "Podium Porträt" 20. St. Pölten, Wien, 2005
- Bruchwerk aus einer Umbruchszeit (Illustrationen: Horst Aschermann, Nachwort: Reinhart Hosch). Edition Doppelpunkt, Wien, 2005
Essays
- Gesicht des Menschen, in: Rudolf Felmayer, Festgabe, 1968
- Weisheit der Heiterkeit, in: Ernst Schönwiese, Festschrift, 1978
- Einzelgänger im Massenmedium, in: Roman Ro ek, 1995
- Neue Sandalen für Sokrates, in: Humboldtgesellschaft (Bd. 15), 1998
- Ordnung und Freiheit, in: Beethovenfest, Bonn 2000
- Humanität und Literatur, in: Alexander Giese, 2001
- Zum Wolfgang Amad. Mozart Gedenkjahr, in: Carinthischer Sommer 2006, Programm zur Eröffnung der Festspiele
- Keine Sintflut für Noah, 1969
- Die Reifeprüfung mit der Sphinx, 1972
- Nur den Sängern kann es noch gelingen, 1984
Literatur#
- K. Adel, Die Literatur Österreichs an der Jahrtausendwende, Peter Lang-Verlag, Frankfurt, 2001
- M. Gruber, Vorwort in Podiumportrait 20, Franz Richter, Gedichte aus 65 Jahren, Verlag Podium, St. Pölten, 2005
- M. Mander, "Ich bin hier vorgekommen", Literarisches Österreich 2/2004, Organ des Österreichischen Schriftstellerverbandes.
Quellen#
Redaktion: H. Maurer, I. Schinnerl