Rott, Hans#
* 1. 8. 1858, Braunhirschen (Wien XV)
† 25. 6. 1884, Wien
Komponist, Organist
Hans Rott wurde als (vorehelicher) Sohn eines Schauspielerpaars am 1. August 1858 in Braunhirschen (heute 15. Wiener Bezirk) geboren. (Seine Mutter starb schon 1872; sein Vater, der damals bekannte Schauspieler und Gesangskomiker Carl Mathias Rott, eigentlich "Roth", starb 1876.)
Er absolvierte das Akademische Gymnasium und zwei Jahre einer Handelslehranstalt, danach entschied er sich für die Musik. Obwohl früh verwaist, konnte er eine Ausbildung am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien beginnen. Er studierte ab 1874 Orgel (bei Anton Bruckner), Klavier (bei Leopold Landskron), Harmonielehre (bei Hermann Graedener) und Komposition (bei Franz Krenn).
Hans Rott hatte Freunde im Kreis der "Neudeutsche Schule" - Komponisten, die sich damals um Wagner, Bruckner, Liszt, Wolf und Bülow versammelten. 1876 besuchte er - als Wagner-Anhänger und Mitglied des Wiener Akademischen Wagner-Vereins - die ersten Bayreuther Festspiele.
Ab 1876 war er – unter sehr bescheidenen Lebensverhältnissen – Organist des Josefstädter Kirchenmusikvereins und lebte im Piaristenkloster. Diese Stelle als Organist gab er 1878 auf und schloss er sein Studium am Konservatorium ab. Es begann eine zweijährige, von Misserfolgen geprägte Arbeitssuche - auch Anton Bruckner versuchte vergeblich, seinem "Lieblingsschüler" zu einer Anstellung zu verhelfen. So lebte Hans Rott ab 1878 von Privatmusikunterricht und Zuwendungen seiner Freunde. Zwischen 1878 und 1880 entstanden seine ersten großen Werke - die 1. Sinfonie in E-Dur und das Pastorale Vorspiel in F-Dur.
Zu seinem engsten Freundeskreis zählte auch Gustav Mahler, der Rotts Kompositionen sehr schätzte und von dessen 1. Symphonie für sein eigenes Schaffen stark beeinflusst wurde.
Mit dieser 1. Symphonie bewarb sich Hans Rott 1880 um ein Staatsstipendium, wurde aber von Johannes Brahms, Mitglied des Stipendium-Kuratoriums, abgelehnt. Weitere Rückschläge führten im Oktober 1880 auf der Zugfahrt nach Mülhausen (Elsaß, Frankreich), wo er einen Posten bei der Chorvereinigung "Concordia" antreten wollte, zum Ausbruch einer bereits latent vorhandenen Geisteskrankheit. Hans Rott wurde aus dem Zug geholt und zunächst in eine Wiener Psychiatrische Klinik eingewiesen. Im Februar 1881 wurde er mit der Diagnose "Verrücktheit, halluzinatorischer Verfolgungswahn" in die Niederösterreichische Landes-Irrenanstalt in Wien überstellt, wo er den Rest seines kurzen Lebens verbrachte.
Er komponierte zwar noch fallweise, vernichtete aber teilweise seine Werke im Wahnsinn. Nach einigen Selbstmordversuchen starb er am 25. Juni 1884 an Tuberkulose; seine Kompostionen gerieten in Vergessenheit.
Erst in den 1980er Jahren befasste sich der englische Musikwissenschaftler Paul Banks - im Zuge seiner Studien zur Jugend Gustav Mahlers und dessen Wiener Freundeskreis - auch mit Hans Rotts künstlerischem Nachlass. Das Manuskript der Symphonie in E-Dur erregte Banks’ Interesse, weil diese von Gustav Mahler sehr gelobt wurde. (Mahler hatte seinerzeit Zugang zu Rotts Nachlass und hatte dessen Symphonie schon 1882 gemeinsamen Freunden am Klavier vorgespielt; er nannte seinen Mitschüler 1900 u.a. "Begründer der neuen Symphonie".)
Paul Banks stellte das Aufführungsmaterial der 1. Sypmphonie von Hans Rott wieder her und initierte die Uraufführung. Am 4. März 1989 - mehr als 100 Jahre nach der Komposition - wurde diese Symphonie in Cincinnati (Ohio/USA) uraufgeführt und erregte das Interesse der Musikwelt, da Hans Rott in diesem Werk Themen verwendete, die aus dem erst später einsetzenden symphonischen Schaffen Mahlers bekannt sind.
Nach der inzwischen weltweit oft gespielten 1. Symphonie erlebten bisher auch fast alle vollständig erhaltenen Orchester- und Kammermusikwerke, Lieder, Chöre sowie einige Klavierstücke ihre Uraufführung. 2002 wurde in Würzburg (Deutschland) die "Internationale Hans Rott Gesellschaft" mit Sitz in Wien gegründet. Sein Nachlass befindet sich in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien; am Wiener Zentralfriedhof erinnert seit 2004 eine Gedenktafel an Hans Rott.
Werke (Auswahl) #
- Symphonie Nr. 1, E-Dur, 1878–80
- Pastorales Vorspiel in F-Dur, 1877–80
- Streichquartett
- Streichquintett
- Chöre, Lieder Klavierstücke, Orchesterstücke
- zahlreiche Skizzen und unvollende Werke
Weiterführendes#
- Vetter, H.: Genial Gescheitert - Hans Rott und seine Zeit (Essay)
- Hans Rott (AustriaWiki)
Literatur#
- A. Bruckner, Ges. Briefe (hrsg. von M. Auer), 1924
- M. Loehr, H. R., der Lieblingsschüler A. Bruckners, in: Lebendige Stadt. Literar. Almanach, 1958, S. 16 ff.
- L. Nowak, Die Kompositionen und Skizzen von Hans Rott in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, in: Beitrag zur Musikdokumentation. F. Grasberger zum 60. Geburtstag (hrsg. von G. Brosche), 1975
- P. Banks, The Early Social and Musical Environment of Gustav Mahler, Dissertation, 1980
- U. Harten (Hrsg.), Hans Rott (1858-1884), Biographie, Briefe, Aufzeichnungen und Dokumente aus dem Nachlaß von Maja Loehr (1888-1964), 2000
Quellen#
- Österreichisches Biographisches Lexikon
- Harten, U., "Rott, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 136-137 (Online-Version)
- Harten, U., "Rott (eig. Roth), Familie", in: Österreichisches Musiklexikon online
- KLASSIK heute
- Klassika.de
- Spiegel online
- Internationale Hans Rott Gesellschaft Wien