Genial Gescheitert - Hans Rott und seine Zeit#
Von
Harald W. Vetter
Oft und oft stellt sich die Überlegung, wie viele hochbegabte oder geniale Menschen, ob Erfinder, Künstler und Denker, sang- und klanglos in der Geschichte untergehen mussten, nur weil sie ganz persönlich schlechte Karten hatten, sozial deklassiert waren und sich daher kein Selbstbewusstsein zutrauten oder aber von Konkurrenten schlicht und einfach ausgestochen wurden. „Das Gute beziehungsweise der Gute setzt sich immer durch“ heißt es zumeist etwas unreflektiert und tröstlich sein wollend. Aber nein, dem ist leider bekanntlich nicht so, denn da wird das Schicksalhafte, Krankheit und Tod völlig ausgeklammert. Und dann spielt nur mehr Meister Zufall eine entscheidende Rolle, ob jemandes Werk wieder entdeckt wird oder auch nicht. Dass im „bitteren Menschenland“ (Ernst Goll) auch damit zu rechnen ist, wer wollte es denn nicht glauben?
Doch irgendwann finden sich vielleicht dann wieder die Spuren von einem, der es in seiner realen Existenz vorerst nicht zu Anerkennung und Berühmtheit geschafft hatte. So erging es auch dem jungen, aufstrebenden Komponisten Hans Rott (1858 in Wien – 1884 dortselbst). Sein kurzes Leben war dramatisch genug, das Nachleben schließlich beinahe genauso. Hans Rotts Grab am Wiener Zentralfriedhof wurde längst aufgelassen. Aus Pietät brachte man jedoch dort eine Gedenktafel an, auf dem der Spruch steht:
„Mögst Du die Ruhe hier genießen, / Der man im Leben Dich zu früh entrissen.“ Bezeichnenderweise stammen diese Worte vom Komponisten selbst, der sie vier Jahre vor seinem vorausgeahnten Tod verfasst hatte.
Wer war nun also dieser so unglücklich Gescheiterte, in welches familiäre und soziokulturelle Umfeld war er eingebettet? Rott, geboren am 1. August 1858, war der zunächst illegitime Sohn einer Wiener Schauspielerfamilie, bald jedoch verwaist. Irgendwie gelang es ihm aber doch am „Wiener Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde“ zu studieren und wurde bald im Orgelfach zum Lieblingsschüler des dort lehrenden Anton Bruckner. Als Wagner- Anhänger besuchte er 1876 die ersten Bayreuther Festspiele. Später wirkte er als Organist in der Wiener Piaristenkirche. Von seinem Studium her pflegte er zumindest mit Hugo Wolf und Gustav Mahler gute Bekanntschaft, die zeitweise eine fast freundschaftliche gewesen zu sein schien. Hans Rott bewegte sich überwiegend im Kreis der sogenannten Neudeutschen, die sich damals um Wagner, Bruckner, Liszt, Wolf und Bülow versammelten. Brahms, Hiller, Joachim, Raff, Heuberger und natürlich der Wiener Großkritiker Hanslick positionierten sich auf der anderen Seite. Die „Kämpfe“ wurden insbesondere über Musikkritiken in Zeitungen ausgetragen, nicht selten aber natürlich auch während entsprechender Konzertaufführungen, wo die eine oder andere Partei sich lauthals zu Wort meldete, applaudierte oder eben pfiff. Kunst und Kultur standen damals noch im Mittelpunkt des Bürgertums, das es dem Adel gleichtun wollte. Heute ist dies eigentlich fast schon unvorstellbar, jedoch der Streit über Musikstile, Malerei und neue literarische Richtungen konnte damals tatsächlich noch ganze Familien auseinander bringen. Man identifizierte sich mit den Aussagen der Kunst, während heute schon weit eher die Codes des Konsumismus gelten.
Der blutjunge Komponist, von seinem Lehrer Bruckner, welcher sich von ihm noch Großes erwartete, vehement und mutig verteidigt, wurde von der Prüfungskommission des Konservatoriums schließlich nur belächelt.
Sicherlich mit ein Grund, der dazu beitrug, Rott endgültig ins ungesicherte Abseits eines Gescheiterten zu befördern. Gegenstand dieser Prüfung war mit größter Wahrscheinlichkeit ein Satzteil aus seiner E-Dur-Symphonie. Da nutzte es auch nichts, dass Anton Bruckner – eher gegen sein Naturell – aufmuckte und der Kommission seine berühmten Worte entgegenschleuderte: „Lachen Sie nicht, meine Herren, von dem Manne werden Sie noch Großes hören!“ Auch Johannes Brahms soll er übrigens bei Rotts Begräbnis ziemlich unverhohlen gestellt haben, da er diesen als Verhinderer seines Schützlings angesehen hatte. Der oft etwas mürrische und kurz angebundene Norddeutsche sollte ja den sensiblen Wiener Jungkomponisten bei Vorlage seiner Symphonie mit den höhnischen Worten, dass dieser das unmöglich selbst komponiert haben könnte, gnadenlos abblitzen lassen. Hatte dieses in Wahrheit ungemein empfindsame Genie sich jemals wohl darüber Gedanken gemacht, was er damit bei seinem jungen Kollegen angerichtet hatte?
Es müssen eher armselige Wiener Jahre gewesen sein, die er zusammen mit Kollegen und Bekannten verbrachte. Darunter befanden sich, wie schon erwähnt, der nur unwesentlich jüngere Hugo Wolf und Gustav Mahler, mit letzterem war Rott sogar eine Zeitlang in Wohngemeinschaft. Manches gemahnt dabei vielleicht auch an Franz Schuberts ruhelose und stets bedrängte Existenz nur einige Jahrzehnte zuvor.
Ein Alltag, der sich von unguten Hausherren und Hausmeistern bestimmt und kontrolliert, zwischen dürftigen Bassena-Wohnungen, Pawlatschen samt öden Innenhöfen und Heurigenlokalen schlecht und recht abzuspielen hatte! In diesen Jahren komponierte der hoffnungsvolle, doch immer wieder unter depressiven Phasen leidende Musiker also seine so bezeichnete 1. Symphonie in E – Dur. Daneben noch einige Orchesterstücke wie die Orchestersuite in B- Dur, ein Streichquartett in C-Moll und etliche Lieder. Endlich im Jahr 1880 fand er einen Posten als Musikdirektor und Chorleiter im elsässischen Mühlhausen. Er brach- trotz einer Liebesbeziehung in seiner Heimatstadt - also mit dem Zug im Oktober jenes Jahres dorthin auf. Doch noch innerhalb der Reichsgrenzen sollte er plötzlich einen ihm ganz unbekannten Mitreisenden im Abteil mit einem Revolver bedrohen, um diesen daran zu hindern, sich eine Zigarre anzuzünden, denn „Brahms habe den ganzen Waggon mit Dynamit füllen lassen“.
Hier zeigt sich äußerst tragisch die traumatische persönliche Begegnung mit dem längst arrivierten, berühmten Kollegen. Brahms pflegte das Zigarrenrauchen intensiv und es gibt viele Fotos, die ihn mit seiner geliebten Virginiastumpen zeigen. Die letzten Aufnahmen des alten Brahms im sogenannten Arenbergschlössl, von der engen Freundin Maria Fellinger angefertigt, bezeugen dies besonders eindrucksvoll. (Eine zeitgenössische Reproduktion befindet sich im Besitz des Autors.)
Das weitere Schicksal Hans Rotts ist leider nur zu rasch erzählt. Zuerst in die Psychiatrische Klinik des Wiener Allgemeinen Krankenhauses eingeliefert (die lokalen Polizeibehörden hatten vorher auf jede weitere Untersuchung verzichtet), wurde er im Februar 1881 in die „Niederösterreichische Landes- Irren –Anstalt“ überstellt. Im gleichen Haus sollte übrigens 1903 dann ja auch Freund Hugo Wolf - endgültig dem luetischen Wahnsinn verfallen - elendiglich zugrunde gehen. Die Diagnose Rotts lautete auf „halluzinatorischen Verfolgungswahn“, schlichter noch auf „Verrücktheit“. Nach einigen Suizidversuchen, jedoch immer wieder weiter komponierend und die Noten öfters dann vernichtend, verstarb er am 25. Juni 1884 nicht ganz 26jährig an Lungenschwindsucht. Einige Tage vor seinem Tod bedankte er sich noch bei Pflegern und Ärzten für die gute Obsorge. Seine Krankheit war wohl den schlechten und armseligen Lebensbedingungen geschuldet und galt zur damaligen Zeit als umgehende und virulente Volkskrankheit, die medizinisch mehr oder weniger unheilbar war.
Offenbar gibt es nur eine einzige Atelieraufnahme des Komponisten. Er präsentiert sich darauf als „junger Wilder“ mit ernstem Gesichtsausdruck. Ein ungebändigter Künstlerschopf bedeckt einen länglichen Kopf mit hoher Stirn, fragenden Augen und markanter Nase. Der ausdrucksvolle Mund scheint Verschlossenheit zu signalisieren und wie viele dieser alten Fotos deutet manches auf Inszenierung hin, was aber wohl auch mit den relativ langen Belichtungszeiten zu tun gehabt hat. Betrachtet man das Bild länger, so scheint es einem unwillkürlich, als ob dieses asketische Antlitz förmlich seine einzige Sinfonie verkörpern, ja vergeistigen möchte, um sich solcherart schließlich noch Zukünftigeres herbei zu wünschen!
Erst der britische Musikwissenschaftler Paul Banks sollte in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bei archivalischen Studien in Wien zufällig auf den Nachlass Hans Rotts stoßen. Das weiter oben genannte „Zukünftige“ fand sich in Form der Partitur der Es- Dur- Symphonie wieder, die Banks bei seinen Recherchen über die Jugend Gustav Mahlers und seines Freundeskreises in der Wiener Nationalbibliothek entdeckte. Dieser Nachlass kam auf verschlungenen Wegen erst 1950 dorthin. Banks bearbeitete die Partitur insofern, indem er verdienstvollerweise das Aufführungsmaterial herstellte und damit die Uraufführung am 4. März 1989 in Cincinnati (!) unter dem Dirigat von Gerhard Samuel ermöglichen konnte. Das internationale Echo war sogleich verblüffend hoch und alsbald erfolgten weitere Aufführungen und auch Einspielungen etwa in Paris, London, Wien und anderswo. Sogar eine eigene „Internationale Hans Rott Gesellschaft“ bildete sich schließlich. Die Anzahl verschiedener Einspielungen auf CD’s ist heute durchaus respektabel. Insbesondere wurde aber dadurch eine heftige und sehr spannende Diskussion vom Zaun gebrochen, denn Themen, Motive, Orchestrierung und Durchführung der E- Dur Symphonie erinnern verblüffend an Mahlers sinfonisches Werk.
Der internationale, aber vor allem österreichische Tenor lautete zunächst, inwiefern Rott mit seiner Sinfonie Elemente des Mahlerschen antizipiert hätte. Manche gänzlich unwissenden Musikkritiker meinten sogar, dieses wäre vielmehr umgekehrt gewesen. Gustav Mahler hatte jedoch seine 1. Sinfonie erst gut fünf Jahre später herausgebracht. Schlussendlich musste man sich musikwissenschaftlich darauf einigen, dass Mahler durch Rott nicht unwesentlich beeinflusst worden wäre. Unter jungen Künstlern war es vor allem damals durchaus üblich, Kompositionen, Dichtungen oder auch Bildentwürfe untereinander auszutauschen, um sich gegenseitig zureichend kritisieren zu können. So bekam auch der etwas jüngere Mahler dieses Notenmaterial in seine Hände. Er sollte es nach Rotts Tod auch am Klavier einem interessierten Kreis vorgespielt und dabei gelobt haben. Angeblich wollte er die E- Dur Symphonie im Sommer des Jahres 1900 auch uraufführen, es kam nur nicht dazu. Sind die Gründe vielleicht nicht allzu naheliegende? Fühlte sich der längst schon anerkannte Komponist, Dirigent und umtriebige Hofoperndirektor durch diese „Post mortem“- Partitur gar etwas düpiert, ja desavouiert? Die Mahlerschen Anklänge sind bei Rott, wie gesagt, unüberhörbar, was vor allem im 3. Satz „Frisch und lebhaft“ vollkommen zu Tage tritt. Dieses Scherzo könnte unschwer als ursprünglich verschollenes Jugendwerk Mahlers hingehen, aber dem ist, wie gesagt, nicht so. Sowohl Rott als auch Mahler gingen durch die stilprägende Schule Bruckners. Dieser hatte beide sicherlich, was Form und Orchestrierung betrifft, wesentlich beeinflusst. Doch die Rottsche Sinfonik deutet bereits auf dezidiert Eigenes hin, das auf die Moderne verweist. Eine neue Dynamik durchherrscht diese Musik, sie scheint von Unruhe und rasch wechselnden Gefühlen bewegt zu sein. Das emphatische Pathos wirkt öfters gebrochen, ja fast ironisch aufgearbeitet. Das Impulsive, der beinahe skizzenhafte Gestus sind auffällige Stilmittel, die Gustav Mahler ab dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts fast wie in einer riesigen Montage zusammenfügen sollte. Vergleicht man Rotts Sinfonie mit der berühmten 7. Sinfonie Bruckners, die ebenso in E- Dur steht und die dieser noch im vorletzten Lebensjahr Rotts zu komponieren begann, dann war der Schüler bereits ein bedeutendes Stück Weges abseits seines verehrten Lehrers gegangen. (Stilistische Vergleiche mit Bruckners Achter oder gar Neunter wären in diesem Zusammenhang naturgemäß unfair!)
Musikologische Analysen der Rottschen E-Dur Sinfonie sind hier sicher fehl am Platz, doch sollen die Empfindungen und möglicherweise wagemutigen Schlüsse eines zuhörenden Rezipienten gerade an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Der Schüler hatte sich mit seinem Werk wohl kaum von den „Neudeutschen“ emanzipieren wollen, im Gegenteil. Es mag sein, dass sein jugendliches Gesellenstück, das ein Meisterstück werden wollte und im Nachhinein auch wurde, ein förmliches Manifest, ja ein Protest gegen die „Konservativen“ war und bleibt. Die strahlende Tonart, die Feierlichkeit und Erhabenheit suggerieren soll, unterstreicht schon im ersten Satz das Bekenntnis zu Bruckner und Wagner. Mächtig, fast pompös, so als wolle er damit seinen Lehrmeister und Mentor noch übertrumpfen, kommen Kopf- und Seitenthemen daher, die Motive vielfältig variierend. Eine partielle Unausgewogenheit zwischen Streichern, Blech und Holz ist spürbar. Im zweiten Satz setzt sich noch einmal das „Romantische“ und „Tragische“ durch, mit Anklängen an Wagners „Tristan“, insbesondere aber an die „Meistersinger“, wohl kurz auch einmal an Schumann und Liszt. Der große Übervater Beethoven bleibt auch hier übrigens völlig ausgeblendet. Erst im dritten Satz befreit sich Rott beinahe vollkommen von seinen Vorbildern. Dieses Scherzo ist sein Geniestreich, es galoppiert wild daher, ungebremst und von allem übergeworfenen Zaumzeug befreit. Hier zerreißt gleichsam jegliche epigonale Konvention und gelehrte musikalische Räson. Der Satz changiert zwischen Raserei und tiefer Nachdenklichkeit. Es ist daher kein Wunder, dass Mahler dieses Pochen an die Tür der Moderne später aufgegriffen hat. Für einen knapp 22jährigen eine enorm reife Leistung, wenngleich - und das gilt für die gesamte Sinfonie – die thematische Substanz manchmal ein wenig zu unausgegoren wirkt. Aber erst im vierten Satz wird vermutungsweise die harsche Ablehnung von Johannes Brahms verständlich. Hier wird motivisch, kontrapunktisch und was vor allem die Durchführung betrifft, der Meister bewusst zitiert, ja nachgemacht, vielleicht auch nachgeäfft. Vieles am Satzende erinnert an die Behandlung der vierten Sätze des Älteren, vor allem im letzten, fugenhaften Teil dieser Es- Dur Sinfonie. Dass dann am Schluss auch noch das Kopfthema des ersten Satzes triumphierend wieder aufgenommen wird und solcherart den Sieg der „Neudeutschen“ fortissimo und mit allen orchestralen Mitteln symbolisch „hinausposaunt“ wird, musste Brahms wohl tatsächlich geradezu provozieren! Die Frage ist nur, ob sich Rott dessen auch wirklich bewusst war? Es könnte ebenso gewesen sein, dass er Brahms damit nur seine Fähigkeit beweisen wollte, sich stilistisch entsprechend anzupassen. Man weiß es nicht und wird es niemals mehr wissen, doch sind solche Spekulationen wenigstens ein schwacher Trost, wenn von einem Verschollenen und derart genial Gescheiterten nur mehr diese Partiturnoten existieren.
Ein Menschenalter später sollte Thomas Mann seinen voluminösen und vielschichtigen Roman „Doktor Faustus“ schreiben. In diesem ist viel von Kunst, Musik, Dekadenz und Versuchung die Rede. Fast scheint es, als hätte er in seinem Werk die Wiener Kunstszene im ausgehenden 19. Jahrhundert und später beschreiben wollen, aber nein, hier wird vielmehr München und seine weitere Umgebung etwas zeitversetzt als Ort der handelnden Personen gemeint. Jedoch die an der Kunst Leidenden, Verstörten und Gescheiterten sind - entgegen Aussagen des Autors – am Beispiel Nietzsches festzumachen. Und es gibt eine Unmenge von Dichtern, Malern und nicht zuletzt Komponisten, die um diese Zeit ihren Weg nicht mehr finden konnten und in ein dunkles Abseits gerieten; schrecklich und schmerzhaft für sie, aber auch für die Nachkommenden und Nachdenkenden. Der avantgardistische Maler Richard Gerstl (1883 – 1908) war so einer, aber auch der hochbegabte Philosoph Otto Weiniger (1880 – 1903) zählt wohl dazu. Beide endeten früh durch Selbstmord. Die morbide Reichshauptstadt Wien hatte damals mehr als nur ein Tagesgespräch.
Der nur zwei Jahre jüngere Untersteirer Hugo Wolf starb ebenso wie Hans Rott in der Nervenheilanstalt. Auch Robert Schumann tat dies bekanntlich gänzlich unromantisch. Rott und Wolf scheiterten vollkommen und gnadenlos am Establishment der damaligen Zeit. Dieses flocht – genauso wie heute – ein zu enges Netz um ihre Vorstellungen von Kunst und Kultur. Es zu durchdringen mit all den unsichtbaren Verbindungen, Intrigen und eingewebten Schlingen war und ist nicht jedem gegeben. Viele sind dazu zu schwach, und zu ratlos, manche setzen sich durch, aber das Menschenschicksal ist ein großer Würfel mit mehr als sechs Augen, der da geworfen wird. „Selber schuld“ sagen die „da oben“ hämisch zu den Gescheiterten und freuen sich weiter ihres federleichten Lebens.
Im September 1897 führten die Freunde den wahnsinnig gewordenen Hugo Wolf mit einer Kutsche aus Perchtoldsdorf weg nach Wien, von dort gleich in die Klinik. Denn Wolf wähnte sich als neuer Staatsoperndirektor, der nun endlich seine eigene Oper „Der Corregidor“ ohne alle Hemmnisse aufführen dürfte. Beide, Rott und Wolf gingen tragisch und jammervoll zugrunde, wobei Letzterer wenigstens einen - freilich heute immer mehr verblassenden – Nachruhm „ernten“ durfte. Hans Rotts früher Tod ist und bleibt jedenfalls eine Tragödie für die Musik, ja man wäre fast versucht zu sagen ein Skandal. Dass man ihn schlussendlich wiederentdeckt hat, ist immerhin Glücks genug, auch wenn manche dieser genial Gescheiterten wieder in Vergessenheit geraten werden. Mag sein, dass deren spirituelles Potenzial zurück fließt ins kollektive Unbewusstsein, um von Zeit zu Zeit wieder ganz Neues daraus entstehen zu lassen, wer kann es schon wissen?
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