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Doron Rabinovici: Andernorts#

Doron Rabinovici: Andernorts / Roman, Suhrkamp, Berlin / Rezension von Guenther Johann

Doron Rabinovici: Andernorts
Doron Rabinovici: Andernorts

RABINOVICI, Doron: „Andernorts“, Berlin 2020

Durch eine Fernsehsendung mit dem Autor wurde ich angeregt dieses Buch zu lesen.

Der in Israel geborene und in Wien wohnende Rabinivici kann – bedingt durch seine Herkunft und sein Leben – auf das Leben zweier sehr unterschiedlicher Kulturen blicken, die auch in diesem Buch zum Ausdruck kommen. Zwar in Israel, wo sich seine Eltern hin geflüchtet hatten, ist er – und auch der Protagonist dieses Buches – geboren, aber dann an vielen Orten der Welt aufgewachsen. „Jahre später seid ihr nach Paris, nach London und nach New York gezogen. Aber überall warst du der Israeli; nur in Israel wurdest du zum Wiener, zum Jekke, zum Franzosen, zum Amerikaner. Schon als Siebenjähriger bist du im Hebräischen und im Deutschen gleichermaßen zu Hause gewesen. Deine Aussprache war frei von jedem Akzent, und eben deshalb warst du nirgends bodenständig, bist es immer noch nicht, sondern wirkst überall abgehoben.“ (Seite 50)

Ethan heißt der Proponent und nennt sich einen Mischmasch aus Wien und Tel Aviv. Auf den Reisen zwischen den beiden Ländern werden Mozartkugeln und Manner Schnitten von Wien nach Tel Aviv gebracht und Falafel, Humus und hebräische Literatur in umgekehrter Richtung als Gastgeschenke transportiert.

Die Familie war mehrmals geflüchtet. Der Sohn, der letztlich nur ein „halber Sohn“ war, wurde in Israel geboren. Übersiedlungen veränderten das Leben und die Gewohnheiten. Als sie von Israel nach Wien übersiedelten fiel dem Jungen auf, dass er, um aus dem Haus zu kommen, einen Schlüssel brauchte. „In Tel Aviv hatten die Türen offen gestanden. ... Nach dem Sechstagekrieg lagen noch Sandsäcke vor den Eingängen.“ (Seite 229) In Wien fehlten ihm auch die Spielkameraden, die er in Israel auf der Straße fand. „In Tel Aviv sagte ein einstiger Freund aus dem Kindergarten, die Rosens seien Abtrünnige und Verräter, aber in Wien erklärte ihm ein Klassenkamerad, der jüdische Staat in Zion sei doch nichts als Rassismus. Seine Existenz stand unter Misskredit.“ (Seite 231)

In diesem Zwiespalt wuchs der Junge auf und wurde ein, in Wien anerkannter, Wissenschaftler, der auch international lehrt. Seine Eltern wohnen in Israel. In der Funktion des Wissenschaftlers schreibt er einen Artikel über seinen verstorbenen Freund Dov Zedek. Zu seinem Nachruf kommt ein Gegenartikel von einem Kollegen, der sich um dieselbe Stelle an der Wiener Universität bewirbt

. Das Buch nimmt ab hier an Fahrt auf, als dieser, bisher unbekannter außerehelicher, Sohn auftritt, der gleichzeitig ein Mitbewerber für Ethan wird. Für eine Position, die auf ihn zugeschnitten ist. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Irgendwie könnte es auch das Konzept einer Biedermeierkomödie sein, aber es spielt in einer jüdischen Kultur und hat ein hohes Niveau. Der Vater hat eine Niere seiner Frau, die versagt und er erkrankt. Ethan reist nach Israel. Dort tritt auch der Bruder in sein Leben. Der Vater stirbt und hinterlässt ein Chaos. Ein Rabbiner sah im Vater einen Vorfahren des ungeborenen Messias. Die schwangere Mutter wurde im Zweiten Weltkrieg ermordet. Mit den Samen des Vaters könnte man – so die Ansicht des berühmten und konservativen Rabbiners – den Messias im Labor züchten. Aber der Vater stirbt, bevor die Idee des Rabbiners umgesetzt werden kann. Bei den Untersuchungen zu einer „Nachzüchtung“ über die Söhne stellt sich heraus, dass er für beide nicht der Vater ist. Es kommt zu Streit und Zank, das noch am Begräbnis des Verstorbenen anhält, obwohl der Rabbiner in seiner Rede sagt „Es ist unsere Pflicht, so steht es geschrieben, über einen Verstorbenen nur Gutes zu sagen.“ (Seite 280)

Unabhängig vom Konstrukt dieses Romans wird der Leser in die Unterschiedlichkeit der jüdischen zur europäischen Kultur eingeführt.