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Elias CANETTI: Das Augenspiel#

Elias CANETTI: Das Augenspiel / Lebensgeschichte 1931 - 1937, Fischer, 2015 / Rezension von Guenther Johann

Elias CANETTI: Das Augenspiel
Elias CANETTI: Das Augenspiel

CANETTI, Elias: „Das Augenspiel, Lebensgeschichte 1931-1937“, Frankfurt 2015

Drei autobiografische Bücher hat Canetti geschrieben. „Das Augenspiel“ ist das letzte und zeigt den Schriftsteller, wie er ein etwas selbstbewusster Autor geworden ist. In den Jahren 1931 bis 1937 – auf die sich dieses Buch bezieht – wohnte und wirkte Canetti in Wien. In den vorliegenden Berichten wird Wien als eine kulturell pulsierende Stadt beschrieben. Namhaften Künstler und Persönlichkeiten ist Canetti begegnet und in diesen Erzählungen charakterisiert er sie. „Es gab etliche Menschen in Wien, mit denen ich damals umging, die ich öfters sah, denen ich mich nicht verweigerte, und sie zerfielen in zwei einander entgegengesetzte Gruppen. Die einen, es waren vielleicht sechs oder sieben, bewunderte ich für ihre Arbeit und den Ernst, mit dem sie zu ihr standen.“ (Seite 119) Die anderen waren „die eben das Entgegengesetzte vertraten, die für Geld, Ruhm und Macht zu allem bereit waren. Auch von ihnen war ich fasziniert, allerdings auf ganz andere Weise.“ (Seite 120) Viel Respekt hatte er vor Hermann Broch und wurde letztlich zu seinem Freund. Anna Mahler, die Tochter des Musikers Mahler, war seine Geliebte. Sie, eine Bildhauerin, verließ ihn aber. Die Freundschaft aber blieb bestehen. So machte sie ihn mit dem Bildhauer Wotruba bekannt, der letztlich ein guter Freunde Canettis wurde. Die Mutter Anna Mahlers wird als arrogant und überheblich dargestellt. Sie war es auch, die ihn Canetti keinen würdigen Schwiegersohn und Mann für ihre Tochter sah. Auch nach der Trennung verehrte Canetti Anna: „Die Leuchtkraft des Ruhms, der um Anna lag, war so groß, dass ich nichts Übles von ihr geglaubt hätte.“ (Seite 74) Annas Atelier lag in der Operngasse, gegenüber der Wiener Oper. Viele Künstler kamen bei ihr vorbei und viele von ihnen hat sie in Portrait-Köpfen verewigt.

Fritz Wotruba wer ein „harter“ Mensch. So wie er feste Steine bearbeitete war auch sein Umgang mit der Sprache. Er verwendete tiefen Wiener Dialekt. Canetti besuchte ihn oft in seinem Atelier unter den Stadtbahnbögen. Auch bei ihm zu Hause – er wohnte bei der Mutter und kleinen Schwester – war er geladen. Wotrubas Lebensgefährtin war sprachlich das Gegenteil. Sie sprach nur Hochdeutsch und auch nach Jahrzehnten in Wien nahm sie keinen Wiener Akzent an.

Verehrung und Respekt brachte Canetti Herrn Dr. Sonne entgegen, dem das zweite Kapitel des Buches gewidmet ist. Seine Freundin Veza war von Dr. Sonne nicht so begeistert und nannte ihn „Siebenmonatskind“, weil „er nicht voll ausgebildet war, dass ihm zu einem kompletten, normalen Menschen etwas fehle.“ (Seite 134) Trotzdem blieb er Canettis Vorbild.

1933 führten ihn dann Reisen nach Straßburg – wo er sich länger aufhielt -, Zürich und Paris. Hitler war inzwischen in Deutschland an die Macht gekommen und Bücher wurden öffentlich verbrannt. Dies brachte Canetti zu einem Werk, in dem er Spiegel verbietet. In Zürich lernte er bei einer Lesung James Joyes kennen und verachten. Die in diesem Buch behandelte Zeitspanne betrifft jene, in der Canetti in Wien wohnte. Mit dem Teil 4 führt er in seinen Wohnbezirk Grinzing ein. Unabhängig von den biografischen Informationen bekommt man einen Einblick in das Leben der Intellektuellen dieser Zeit. So traf er Alban Berg noch wenige Wochen vor dessen Tod im Café. In unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Haus wohnte die Familie des Zeitungsherausgebers Benedikt. Die Familie war ihm anfangs suspekt und unsympathisch. Durch den Kontakt mit der Tochter wird er von der Familie aufgenommen. Man „köderte“ ihn mit einer Einladung, an der auch „das Dreigestirn der Wiener Décadence um die Jahrhundertwende: Schnitzler, Hofmannsthal und Beer-Hofmann“ (Seite 238) teilnahmen. Thomas Mann gab er ein Manuskript für ein Buch zur Begutachtung. Nach vier Jahren bekam er eine Antwort.

Grinzing, in dem Stadtteil er wohnte, war und ist das Heurigendorf Wiens. Das hatte auch auf Canetti Einfluss: „In die Heurigen ging ich – von Zeit zu Zeit, nicht häufig – mit Freunden und besonders mit Besuchern, die aus dem Ausland kamen.“ (Seite 258) Die Fahrt mit der Straßenbahn der Nummer 38 in das Stadtzentrum liebte er. „Es war keine lange Strecke, ich befuhr sie von Endstation zu Endstation, keine halbe Stunde lang. Aber die Fahrt hätte auch länger dauern können, es war eine interessante Strecke…“ (Seite 259)

Im letzten Abschnitt des Buches wird seine Bekanntschaft mit dem Maler Kokoschka in Prag und der Tod seiner Mutter in Paris beschrieben.

Die biografische Beschreibung endet 1937. Wien wurde dann mit dem Anschluss ans Deutsche Reich um all diese Persönlichkeiten, die man im Buch kennenlernt, beraubt. So auch Canetti, der sich nach London absetzte.