EOWYN IVEY: Das Leuchten am Rande der Welt#
EOWYN IVEY: Das Leuchten am Rande der Welt, rororo, 2017 / Rezension von Maurer Hermann
Das Leuchten am Rande der Welt Im Jahr 1867 Jahre wurde Alaska von Russland an die USA verkauft. Aber man hat man nur über die küstennahen Gebiete nahe der Beringstraße im Westen inklusive Yukon Mündung und ein Stück seines Unterlaufs, sowie über die die Randzonen vieler Inseln und Buchten im Südwesten und von Vancouver ausgehend Teile der Küste nach Norden folgend einige Informationen. Die weiter nördlichen Küstengegenden aber vor allem das zum Teil ja sehr gebirgige Landesinnere sind völlig unerschlossen.
Im Winter 1885 erhält Colonel Allen Forrester in der Garnison Vancouver den Auftrag, er solle Alaska im Namen des USA Militärs ausgehend von der Mündung des Wolverine Rivers erforschen, zuerst dem Flußlauf bis zu seinem Ursprung folgend, dann weiter in das Innere Alaska vordringend.
Mancher Leser wird nun gleich auf einer Suche mit Google Maps oder OpenStreetMap sofort nachsehen, wo der Wolverine River mündet und überrascht sein, dass man den Fluss kaum findet.
Das Buch beschreibt in ungewöhnlicher Weise, mehr dazu später, die überraschenden Erlebnisse dieser Expedition, die natürlich lange Zeit völlig abgeschnitten von jeder Kommunikation vom Rest der Welt war.
Zunächst aber ein kurzer geschichtlicher und geographischer Abriß. Alaska ist sei über 15.000 Jahren von vielen asiatisch anmutenden Stämmen mit verschiedensten Dialekten und Gebräuchen besiedelt. Oft wird angenommen, daß viele von Ihnen über eine seinerzeit existierende Landbrücke über die Beringstraße von Nordostsibirien kamen: Der Verfasser konnte vor mehr als 50 Jahren von Kotzebue an der NO Küste Alaskas die Uferlinien von Russland sehen! (Kotzebue war damals nur mit Schiff oder mit Kleinflugzeug auf einer Schotterpiste erreichbar; heute führen Straßen dorthin).
Ab 1650 begannen immer mehr Russen in Alaska auf Pelzjagd zu gehen. Daß 1790 der Silka Sound als russisches Gebiet deklariert wurde hatte keine praktischen Auswirkungen. Die Russen bauten 1799 sogar ein Städtchen Novo-Arkhangelsk, das von den einheimischen Tlingit 1802 zerstört, aber 1804 wieder aufgebaut wurde. Diese Auseinandersetzung zeigt auch deutlich das Verhalten der Einheimischen gegenüber Fremden: Manchmal sehr aggressiv, manchmal freundlich und entgegenkommend. Übrigens starben ca. 90% der Einheimischen durch Krankheiten aus der alten Welt, gegen die sie keine Immunität hatten!
Nach dem Kauf von Alaska wurde dieses Städtchen unter dem neuen Namen Sitka auch die erste Hauptstad von Alaska.
Die Bedeutung des Pelzhandesl in Alaska war für Rußland kaum profitabel: Am Höhepunkt hatte Russia North America nur 700 russische Einwohner, die die mehr kosteten als sie erwirtschafteten. Zudem meldeten die Engländer (Cook hatte bei einer seiner Weltumrundungen auch Alaska umrundet) und Spanien (das einige Inseln entdeckt hatte) Ansprüche an, so daß das Kaufangebot der USA den Russen gerade Recht kam.
Wo liegt nun wirklich die Mündung des Wolverine Flusses: Am nächsten (aber nicht am Fluss) liegt die heutigen Siedlung Alaganik , aber auch diese noch 600 km NW von Sitka!
Zurück zum Buch: Colonel Allen Forrester war mit Sophie Forrester verheiratet, einer jungen, sehr unternehmensfreudigen und intelligenten Frau, die ihren Manns soweit es ging begleiten wollte. Eine Schwangerschaft zwang sie aber, dann doch in Vancouver zu bleiben.
Das Buch ist nun insofern ungewöhnlich, als man abwechselnd Tagebuch Eintragungen von ihm und ihr liest, ohne dass die andere Person sie natürlich sehen kann. Während sich der Colonel mit einer Gruppe mit Booten von Sitka zur Mündung des Wolverine Rivers kämpft (Eisberge und riesige Eisbrocken machen die Fahrt fast unmögliche) erfährt man, dass die Schwangerschaft von Sophie sehr kompliziert wird: Das ungeborene Kind stirbt , rettet aber damit das Leben der Frau. Sie widmett sich von nun an immer mehr der damals entstehenden Fotografie (Glassplatten) und wurde allmählich zu einer anerkannten Expertin.
Zur selben Zeit kämpfte Ihr Mann mit Eisstürzen, verrückten und ungewöhnlichen Menschen und einer allmählich immer kleiner werdenden halb verhungerten Gruppe und schafft es doch, nach ca. 1000 km mit großen Entbehrungen und bei Schneestürmen bei der Überquerung der Gebirgskette den Tanana River zu erreiche, der nach ca. 940 in den Yukon mündet, wo man bei der Weiterfahrt immer mehr auf westliche und hilfreiche Hilfe stößt.
Ende gut, alles gut.
Was in dieser Besprechung völlig untergeht ist die Beschreibung nicht nur ungewöhnlicher Situationen, sondern vor allem auch ungewöhnlicher Menschen, die das Lesen so interessant machen. Daneben gibt es noch andere Erzählungsströme und Ergänzungen im Buch.
Colonel Allen Forrester beobachtet und gibt wieder, was er sieht oder ihm berichtet wird, ohne den Wahrheitsgehalt prüfen zu können. Das Buch ist also zwar ein Forschungsbericht, aber auch halb Roman. Nicht alles (wie etwa, dass Einheimische einmal 100 schlafenden Russen die Kehlen durchschnitten haben, oder dass es Geisterarmeen gibt) ist nicht belegt, vieles ist fragwürdig.
Jeder, der der eine sehr ungewöhnlich erzählte Entdeckungsreise liebt, sollte das Buch unbedingt lesen.
Dem Schreiber dieser Zeilen wurde auch bewusst, wie sehr sich unsere Welt inzwischen geändert hat: Wenn es je solche Expeditionen am Mond oder Mars oder sonst wo gegen wird, man wird man stets in Kommunikation mit der Zivilisation stehen: Die Zeit solcher Entdeckungsreisen ist schon länge vorüber!