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Christoph RANSMAYR: Der Fallmeister#

Christoph RANSMAYR: Der Fallmeister / Eine kurze Geschichte vom Töten, FISCHER, 2021 / Rezension von Guenther Johann

Christoph RANSMAYR: Der Fallmeister
Christoph RANSMAYR: Der Fallmeister

RANSMAYR, Christoph: „Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten“, Frankfurt 2021

Vielleicht hätte ich mir dieses Buch nicht gekauft, aber Ransmayr selbst regte mich bei einer Lesung im Rahmen der Europäischen Literaturtage in Krems dazu an. Noch vor Ort kaufte ich es und bat Ransmayr es zu signieren. Ich fragte ihn „Können sie ihren Namen schreiben?“ und zeigte auf das Buch. Die Leute um ihn und auch er selbst lachte. Meine Frage hätte auch bedeuten können „Können sie schreiben?“

Der Icherzähler dieser „kurzen Geschichte vom Töten“ ist ein Hydrotechniker, der in verschiedensten Ländern beim Bau von Wasserkraftwerken im Einsatz ist. Er selbst ist als Sohn eines „Fallmeisters“, das ist ein Mann, der für die Versorgung von Wasserkanälen verantwortlich ist, über die Boote einen Wasserfall umschiffen können. Er ist am Ufer des „Weißen Flusses“ aufgewachsen. Gemeinsam mit seiner Schwester hat er da das Flusswasser kennen und schätzen gelernt. Als er sich gerade in Südamerika auf Einsatz an einer Baustelle befindet, erfährt er von seiner Schwester, dass der Vater ertrunken sei; in einem Boot den Wasserfall hinunter gestürzt sei. Seine Frau, sie stammte von der Adria, hatte ihn schon vorher verlassen. Unter seiner Leitung fand schon vor seinem Unfall einer mit einer voll besetzten Zille statt, bei der alle Insassen, Bewohner des Dorfes, ums Leben kamen. Der Vater – so war die Meinung im Ort – habe alles versucht, um den Unfall zu verhindern. Bei seinen Hilfeversuchen hatte er sich selbst schwer verletzt und wurde zum Helden gekürt. Nach und nach glaubte der Sohn aber anderes herauszufinden. Der Vater ein Mörder?

Er hatte seine Familie verloren. War auf Arbeitseinsätzen. Zuerst in Lateinamerika und dann in Asien. Europa zerbröselte in Klein- und Kleinststaaten. Er, der in Rotterdam studiert hatte verlor durch die Ausrufung der Unabhängigkeit Rotterdams und den Gegenreaktionen der anderen Kleinstaaten sein Abschlussdiplom. Es war ungültig geworden und er kündigte seinen Job. Man bot ihm nach einer Übergangszeit von drei Monaten die Stelle seines Vaters als Fallmeister an. Die drei Monate nutzte er, um seine verlorene Familie wieder zu finden. Seine Schwester Mira war in Norddeutschland verheiratet. Elektronisch kündigte er sein Kommen an. Das Netz war überwacht und er wusste nicht, ob seine Nachrichten auch ankamen. Auch in Asien waren die Länder in Kleinstaaten zerfallen und so musste sein Flugzeug oft zwischenlanden. Man brauchte Visa und Genehmigungen. Für eine Strecke, die früher 12 Stunden dauerte, brauchte er fünf Tage. Nachdem er seine Schwester, die ihn als Jugendlichen verführt hatte, besucht hatte, musste er fluchtartig quer durch Europa reisen, um seine Mutter an der Adria zu finden.

Ransmayr hat mit diesem Buch großartige Literatur geliefert. Eine Romangeschichte, die sich auch mit Zukunftszenarien wie dem Klimawandel und dem Zerfall der Europäischen Union auseinandersetzt. Eingebettet wird das in eine Familiengeschichte, die – bei allem Weltunheil - einen versöhnlichen Ausgang hat. Einen Ausgang, wie man ihn nicht vermutet. Eine Geschichte, in der, der den Mörder Verfolgende selbst zum Mörder wird.