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Annie ERNAUX: Der Platz#

Annie ERNAUX: Der Platz, Suhrkamp, 2022 / Rezension von GUENTHER Johann

Annie ERNAUX: Der Platz
Annie ERNAUX: Der Platz

ERNAUX, Annie: „Der Platz“, Berlin 2022

Die Nobelpreisträgerin erzählt in diesem Buch vom Leben ihrer Großeltern und Eltern. Ein Leben, wie es auch in Österreich oder einem anderen Land sein hätte können. So gesehen war die Welt schon früher global. Es beginnt mit dem Tod des Vaters. Wie er stirbt, welchen Eindruck der Gestorbene auf die Autorin machte und wie er dann für das Begräbnis gewaschen und gekleidet wird. Verwandte reisen an und bald geht das Alltagsleben weiter und die Mutter steht allein im eigenen Geschäft.

Annie Ernaux ist als Arbeiterkind aufgewachsen und durfte – weil die Eltern wollten, dass es dem Kind einmal besser gehe – studieren. Der Vater verstand das nicht mehr. Mit autobiografischen Romanen und Erzählungen wurde sie berühmt und bekam letztlich 2022 den Nobelpreis. Der vorliegende Roman „Der Platz“ war der erste, der ausschließlich aus ihrem eigenen Leben handelte. Sie wollte einen Roman über ihren Vater schreiben und nahm sich des Themas sehr vorsichtig an. „Ich schreibe langsam. Bei dem Versuch, die bedeutsamen Etappen eines Lebens freizulegen, das Zusammenspiel aus Gegebenheiten und Entscheidungen, habe ich den Eindruck, dass mir die Einzigartigkeit meines Vaters mehr und mehr abhandenkommt.“ (Seite 37/38) Die Beschreibung des Vaters beginnt aus der Sicht des Kindes und wie sie sich selbst dann aus dem Milieu der Eltern wegentwickelte und so den Vater aus einem anderen Blickwinkel sah. Mit dem Tod des Vaters beginnt das Buch und mit dem Begräbnis endet es. Dazwischen ist sein Leben direkt und indirekt beschrieben.

Der Titel „Der Platz“ bezieht sich nicht auf eine physische Stelle, sondern auf die Position, die der Vater in seinem Leben einnahm. Respekt vor den Intellektuellen und Reichen. „Oberste Regel: Dem kritischen Blick der anderen zuvorkommen, durch Höflichkeit, durch die Abwesenheit einer eigenen Meinung, für ein feines Gespür der Launen der anderen, die einen treffen könnten.“ (Seite 51) Er war gegenüber neumodischen Dingen skeptisch und verstand nicht, warum man ständig „sicher nicht“ sagte und „warum man zwei Wörter kombinierte, die einander widersprachen.“ (Seite 53)

Auch wenn eine Geschichte wie diese autobiografisch, also aus dem Leben der Autorin geschrieben ist, kann man als Leser viel Allgemeines und vielleicht sogar selbst Erlebtes herauslesen.