Bernhard HERRMAN, Robert STREIBEL: Der Wein des Vergessens#
Bernhard HERRMAN, Robert STREIBEL: Der Wein des Vergessens, Residenz, 2018
Es ist ein großartiges Buch. Die Beschreibung eines Zeitabschnitts über die NS Zeit in Österreich mit Vor- und Nachwirkungen auf Basis von konkreten Personen. Ein Roman – so nennt sich das Buch – wie man ihn nur schwer erfinden könnte. Die Basis lieferte der Nachlass einer Verwandten des Autors Herrman. Einen schalen Beigeschmack hat das Buch aber, auf den ich am Ende dieser Rezension zurückkommen möchte.
Nun zum Inhalt: Ein wohlhabender Weinhändler mit Besitzungen in Wien Heiligenstadt, Krems und im Süden Österreichs ist homosexuell und hat einen gesellschaftlich sehr aktiven Freund, der selbst aber wenig vom Geschäft versteht und von ihm abhängig ist. Dafür hat er ausgezeichnete Beziehungen zur gehobenen Gesellschaftsschicht. Der Weinhändler ist Jude und bekommt mit der Übernahme der Nationalsozialisten Probleme. Sein Freund hilft aus. Die Güter werden an ihn verkauft umso vorm Zugriff durch die Nazis gesichert zu sein. Dem war dann nicht so. In Krems wurde von Nationalsozialisten eine Winzergenossenschaft gegründet, die das Kremser Weingut übernehmen wollte und nach langen gerichtlichen Streitigkeiten auch tat. Politisch war die Sache klar, aber rechtlich doch nicht. Obwohl letztlich die Nationalsozialisten gegen den Freund des Juden, der inzwischen ausgewandert war gewonnen hatten. Der Weinhändler selbst schlägt sich über Triest, Frankreich nach Venezuela durch, wo er wieder ein Geschäft aufbaut und erfolgreich wird. Mit Österreich und seinem Freund hat er über viele Jahre jeden Kontakt abgebrochen. Bei Kriegsende flüchtet auch der zurückgebliebene Freund in die amerikanische Zone. Der Verwalter und inzwischen enge Freund führte die Geschäfte weiter. Die Familie des Verwalters – Frau und Tochter - wurde „seine Familie“ und sie nannten ihn auch Vati. Die Enteignung der Weingüter wurde nach dem Krieg wieder gerichtlich aufgenommen. Aber an der Gesinnung hatte sich Nichts geändert. Der jüdische Besitzer hatte zwei Mal Geld für seine Besitzung bekommen. Schätzungen gerichtlicher Gutachter sahen die Zahlungen als realistisch an und der Akt wurde geschlossen. Der Weinhändler kam noch einmal nach Wien, um seinem Freund aus finanzieller Not zu helfen. Er starb reich und alleine in Venezuela. Seine Wiener Besitzungen vererbte er dem Freund, der aber verarmt starb.
Ein wirklich gut recherchiertes Buch. Obwohl die Erzählung auf der Zeitachse läuft verliert es nicht an Spannung beim Lesen. Warum man im Vorwort und im Nachsatz negativ über das derzeitige Management der Winzergenossenschaft, einem gut organisierten Betrieb, schreibt ist nicht zu verstehen. Erbsünde gibt es doch nicht mehr? Es sind inzwischen schon zwei Generationen vergangen. Was bezweckten die Autoren mit diesen negativen Statements? Soll das Buch Bestandteil eines gerichtlichen Wiederaufrollens der Übernahme durch die Winzer werden? Müssen Menschen, die achtzig Jahre später leben dafür einstehen was ihre Urgroßeltern gemacht haben?
Dieses Buch wäre auch ohne diese Schmutzkübelaktion ein gutes Buch geworden.