Christoph RANSMAYR: Der fliegende Berg#
Christoph RANSMAYR: Der fliegende Berg / Roman, Fischer, 2020 / Rezension von GUENTHER Johann
RANSMAYR, Christoph: „Der fliegende Berg“, Frankfurt 2020
Ransmayr zeigt sich bei diesem Buch als Kenner Irlands, wo er lange Zeit lebte, und gleichzeitig bringt er seine Erfahrungen aus dem Himalaya ein. Er verbindet diese beiden Gebiete durch zwei junge irische Männer, Brüder, die als Jugendliche in den Klippen der irischen Küste kletterten. Ihre Interessen trennten sie: der eine wurde Seemann und der andere blieb sesshaft. Er errichtete das Farmhaus seiner Eltern und lebte als Landwirt auf einer irischen Insel. Den Bruder wollte er immer wieder zurückholen. Letztlich gelang es und sie planten eine gemeinsame Expedition in den Himalaya. Sie wollten einen Berg besteigen, der nach Recherchen ein noch nicht entdeckter ist. Da es sich um tibetisches Gebiet handelte, mussten sie eine offizielle Reise buchen, die sie später verließen und auf eigene Faust illegal zu „ihrem“ Berg aufbrachen. Zuerst mit einem fahrenden Händler auf einem Pickup und später wandernd mit Nomaden und deren Yakherde. Wochenlang waren sie unterwegs in Richtung höher gelegener Weidegründe. Von dort erst brachen sie allein und unerlaubt zu einem Gipfel – den Phur-Ri, den fliegenden Berg - auf.
Die Nomaden rieten von dieser Besteigung ab. Berge seien etwas Heiliges. Berge, so erzählten sie, hätten „sich aus dem Funkenschwarm der Sterne gelöst und würden wie Lichtflöße durch die Himmelsnacht treiben, bis sie schließlich herabschweben auf die Ebenen einer Welt, die flach war.“ (Seite 138) Keiner dieser Berge, so die Erzählung, bleibe in der Welt der Menschen. Sie alle würden irgendwann wieder aufsteigen in den Himmel.
Der jüngere Bruder hatte sich in die Erzählerin dieser Sage, einer Frau, einer Witwe der Nomaden verliebt und wollte gar nicht mehr auf den Berg. Er hatte sich mit seinem Bruder schon zerstritten. Dieser versuchte Alleingänge. Als er von so einer Besteigung nicht zurückkam, brach der Bruder – trotz Zwist – auf, um ihn zu suchen. Dabei stürzte er in eine Gletscherspalte und wäre fast selbst umgekommen. Letztlich bestiegen sie gemeinsam den ersehnten Gipfel. Das Wetter schlug um. Sie kamen in Schwierigkeiten, bei denen der ältere und erfahrenere Bruder starb. Verletzt überlebte der Erzähler, der erst beim Räumen des Bauernhofs in Irland vieles über seinen Bruder erfuhr. Selbst litt er unter dem Tod des Bruders und dachte „Ich habe meinen Bruder getötet.“ (Seite 342)
Ransmayr entführt den Leser in eine ihm vielleicht unbekannte Welt. Eine Welt des Hochgebirges, des Himalaya. Einer Welt der Gefahren, die er sehr gut zu beschreiben versteht, sodass man glaubt selbst durch Eis und Schnee zu gehen. Auch ich bin zu Beginn dem Irrtum unterlegen, dass das Buch in Gedichtform geschrieben sei. Dem ist nicht so. Es ist ein freier Rhythmus. Die Texte sind frei von Versen. Es ist ein Flattersatz. Ransmayr nennt es einen „fliegenden Satz“, der aber angenehm zum Lesen ist. Ich fand sogar, dass die Sätze in diesem Format vornehmer wirkten als im traditionellen Satz.