Felicitas HOPPE: Die Nibelungen#
Felicitas HOPPE: Die Nibelungen / Ein deutscher Stummfilm, Fischer, 2021 / Rezension von Guenther Johann
HOPPE, Felicitas: „Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm“, Frankfurt 2021
Im Rahmen der „Europäischen Literaturtage“ in Krems hatte die Autorin aus ihrem Buch gelesen. Es klang spannend und neu. Beim Selbstlesen wurde es aber schwieriger. Es ist ein schwieriger Text. Er setzt die Kenntnis des Original-Nibelungenliedes voraus. Auch stilistisch ist es aus der Zeit gefallen, aber literarisch sicher neu und gut. Das Stück ist, wie die Beschreibung einer Theateraufführung aufgebaut. In den einzelnen Akten wird der Hergang beschrieben, wobei eben auf die neuzeitliche Aufführung auf einer Freilichtbühne Bezug genommen wird. Der erste Akt, der sich „Der Rhein“ nennt , spielt in Worm. Es geht um Differenzen und Konflikte, wie etwa zwischen Brunhild und Kriemhild; zwischen den Männern Hagen und Siegfried, ja auch um die Unterschiede der Flüsse Rhein und Donau.
Wie bei einer Fernsehübertragung werden in der Pause Interviews mit den Schauspielern geführt. Dabei wird ein Bezug zwischen der Rolle des jeweiligen Schauspielers/Schauspielerin zu ihrer Person hergestellt. Brunhild wird etwa nicht nur nach ihrer Rolle der starken Frau beschrieben, sondern auch als atheltische und sportliche Person.
Spielt der erste Akt am Rhein, so ist der zweite an der Donau. Nach der zweiten Pause, in der wieder Schauspieler befragt werden, kommt ein Akt, der sich „Die Klage“ nennt. Nach dem vorangegangenen Gemetzel, bei dem die meisten Darsteller sterben, hält König Etzel Gericht. Der Berichterstatter für dieses Buch wird zur Rede gestellt. Er war verliebt und es wurde ihm „der größte Auftrag erteilt: die Geschichte der Nibelungen niederzuschreiben.“ (Seite 243) Nur Brunhild ist dem Gemetzel entgangen „Denn während alle anderen unterwegs in den Untergang waren, ist Brunhild einfach zu Hause geblieben.“ (Seite 246)
Indirekt kritisiert die Autorin ihre Arbeit, indem sie schreibt „Und weil in der Nibelungenwerkstatt diese fadenscheinigen Schriftsteller sitzen, die immer noch glauben, das Original reiche nicht aus und müsse für die Festspiele auf neuesten Stand gebracht werden. Dabei sind wir uns schon seit Jahren einig darüber, dass das Original nicht tu toppen ist.“ (Seite 100) Vielleicht war es auch ein Anreiz dieses Stück zu schreiben, weil das Original viele nicht gelesen oder nicht verstanden haben. In den Pauseninterviews legt sie einem Schauspieler das in den Mund: „Kein Einziger von uns kann ihnen sagen, worum es in diesem Stück wirklich geht, aber wir lieben es alle. Wir leben davon, dass wir es nicht verstehen.“ (Seite 84)