Ernst KRENEK: Die drei Mäntel des Anton K.#
Ernst KRENEK: Die drei Mäntel des Anton K. / Novelle, Edition Memoria, 2020 / Rezension von Guenther Johann
KRENEK, Ernst: „Die drei Mäntel des Anton K.“, Hürth bei Köln 2020 Der Komponist und Musiker Ernst Krenek zeigt sich hier als Schriftsteller. Er erzählt in dieser Novelle die Probleme, die er hatte, als er von einer Amerikatour wieder nach Österreich zurückkam und Österreich nicht mehr existierte. Österreich zum Ostgau des Deutschen Reiches wurde. So wie es nach einem längeren Auslandsaufenthalt ist, blieb viel Post unbeantwortet liegen und ein eingeschriebener Brief lag am Postamt zur Abholung. Dazu musste er sein Dokument – seinen Reisepass – vorweisen. Der Postbeamte akzeptierte aber den österreichischen Pass nicht mehr. Auch wenn er den Komponisten gut kannte, durfte er ihm auf Grund des nicht gültigen Passes den Brief nicht aushändigen. Herr K. – so nennt der die Figur - wollte nun die Gültigkeit seines Passes testen und fuhr in ein Nachbarland. Das ging problemlos. Als er dann aber wieder zurück in seine Heimat wollte funktionierte es nicht. Sein Heimatland – vormals Österreich – müsse zustimmen, dass er einreisen dürfe. „Die Regierung dieser Wahlheimat verordnete, dass Menschen, die dem Ursprungsland des K. angehörten und Pässe dieses Landes führten, fortan nur noch eingelassen werden sollten, wenn sie von den neuen Herren dieses Ursprungslandes eine schriftliche Erlaubnis erhalten hatten, dass sie in jenes Ursprungsland ungehindert zurückreisen dürften.“ (Seite 32/33) Die Sache wird aber noch komplizierter und zeigt die Verhältnisse in dieser Zeit (1938). Als er in einem Kaffeehaus sitzt wird sein Mantel vertauscht. Er geht mit einem falschen weg. Auch oftmaliges Nachfragen verhilft ihm nicht zum eigenen Mantel, in dem sich wichtige Dokumente für seine Anerkennung befanden. Im „falschen“ Mantel findet er eine Adresse. Sie ist in einem anderen Land und spontan entscheidet er dort hinzufahren. Er hat zwar keinen Namen, aber eine Adresse. Dort trifft er eine zwielichte Frau an. Sie verweist ihn an ein Café in der Stadt, wo er den Mantelträger finden könne. Man erwartet ihn schon und bietet ihm einen gefälschten Pass an. Dabei wäre fast „sein“ Mantel gestohlen worden. Das Café wird von einer Polizeirazzia überfallen. Alle sind geflüchtet. Er blieb als einziger Gast zurück. Die Polizei nahm ihn zu Verhören auf der Wachstube mit. Dort bekommt er einen Referenzbrief, um ihn sein Land zurückreisen zu können. Man gibt ihm auch einen neuen Mantel. Beim Konsulat seines letzten Landes versucht er ein Durchreisevisum zu bekommen, was ihm der Konsul verweigert. Es kommt zu einer langen Diskussion. Letztlich wird er zu einem Arzt geschickt, der feststellen soll, ob er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Der Arzt hält ihn für verrückt und schickt ihn weiter zu einem Radiologen. Am Weg dorthin findet er zufällig im Mantel – seinem dritten - ein wichtiges Dokument, das er in seinem Heimatland vorlegen muss. Viele Amtsstuben hatte er schon besucht und sein Heimatland war nicht mehr das, was er sich vorstellte. Er zerreißt das Dokument und wirft es in einen Fluss. Ähnliche Situationen, wie sie Krenek selbst erlebt hatte, wurden in dieser Novelle verarbeitet. Für demokratische Verhältnisse heute unvorstellbar: Jemand fährt auf Dienstreise nach Amerika und als er zurückkommt existiert sein Heimatland rechtlich nicht mehr. Auch der Reisepass ist ungültig geworden. Über viele bürokratische Hürden versucht er wieder in seine Heimat zu kommen, aber auch die „nicht deutschen Vertretungen“ sind nicht behilflich. Selbst die Durchreise durch ein Nicht-Deutsches Land wird nicht erlaubt. Was ist Realität und was ist Erfindung? In der Einleitung des Herausgebers wird sehr schön aufgezeigt, was Krenek in dieser Zeit erlebte und wann er diese Novelle schrieb. Im Buch selbst werden ja keine Städte genannt und auch der Name des Betroffenen ist anonym „K“. Aber dahinter steckt auch eine klare Absicht. Der Autor nimmt Bezug auf Franz Kafka und dessen fragmentarischen Roman „Der Prozess“ und sich selbst. In der Novelle zitiert er Kafka bei einem Gespräch mit einem Konsul „Denn es scheint mir nachgerade, als sei ich in eine Maschinerie geraten, die mich nie mehr loslassen soll und die in beängstigender Weise an die Alpträume jenes Autors erinnert.“ (Seite 20) Krenek kam 1938 von einer Amerikatournee nach Europa zurück. Er reiste auf einem modernen Schiff, der „Normandie“, die erst 1935 in Betrieb gegangen ist. Am 7. März verließ er in Le Havre das luxuriöse Schiff und fuhr über Paris nach Brüssel. In Brüssel erfuhr er von der Annexion Österreichs. Eine Rückkehr nach Österreich war für ihn nicht mehr möglich und er begann Vorbereitungen zu einer Auswanderung in die USA zu treffen. Aber in den folgenden Monaten hatte er noch viele internationale Termine zu absolvieren. Nach Brüssel reiste er nach Amsterdam zur Uraufführung seines zweiten Klavierkonzerts. Von dort ging es nach London. Um aber von England nach Holland zurückzukehren verlangte die niederländische Polizei einen Nachweis, dass Krenek jederzeit nach Österreich (Deutschland) einreisen könne. Er musste in London viele Amtswege gehen um diese Reise antreten zu können. Im Mai fuhr er nach Schweden und auch das neutrale Schweden verlangte eine „deutsche Rückreisebewilligung“. Schwierig war es auch seinen Sommeraufenthalt in der Schweiz zu realisieren. Im Juni 1938 war die Uraufführung seines Bühnenwerks „Karl V“ in Prag. 1934 wurde diese Aufführung an der Wiener Staatsoper durch nationalsozialistische Intrigen verhindert. Krenek wollte bei der Uraufführung in Prag dabei sein. In London ging er mehrmals zur tschechischen Botschaft. Das Ticket für die Fahrt nach Prag war schon gebucht und wurde wieder storniert. Krenek konnte der Uraufführung nicht beiwohnen. Das alles war viel Frust. Frust, den er sich durch Schreiben von der Seele fernhielt. Diese Schreibtheraphie führte zur Novelle der drei Mäntel. Er begann mit dieser Erzählung am 19. Mai 1938 und beendete sie am 7. August. Die Geschichte wurde in Hotelzimmern in Warschau, Helsinki und auf einem schwedischen Schiff von Göteborg nach London geschrieben. Die Realität führt das Ehepaar Krenek aber am 19. August 1938 mit dem Schiff „Ausonia“ von Le Havre nach New York. Als er in New York eintrifft sagt er als gläubiger Mensch „Lieber Gott, gib dass das gut ausgeht.“ Das Ernst Krenek Institut in Krems hat diese Publikation möglich gemacht. Die Novelle „Die drei Mäntel des Anton K.“ liegen sowohl in Englisch, als auch in Deutsch vor.