Anna KIM: Die grosse Heimkehr#
Anna KIM: Die grosse Heimkehr / Roman, Suhrkamp, 2017 / Rezension von GUENTHER Johann
KIM, Anna: „Die grosse Heimkehr“, Berlin 2017
Anna Kim, die in Südkorea geboren wurde und mit 2 Jahren nach Deutschland beziehungsweise mit 5 Jahren nach Wien kam, ist eine Schriftstellerin, die viel Abwechslung bietet. In ihrem letzten Roman „Geschichte eines Kindes“ hadert sie noch mit sich selbst, zu welchem Kulturkreis sie gehöre. Dem Aussehen nach zur asiatischen, in der Art des Denkens aber zur europäischen Kultur. Im Roman der „großen Heimkehr“ zeigt sie sich aber koreanisch und bietet viel Wissen und Informationen der jüngeren Vergangenheit des Landes an. Das Wissen schöpft sie aus vielen Gesprächen mit dem Koreaner Yunho. Er blickt zurück auf seine Erlebnisse mit den Veränderungen Koreas. Die Autorin des vorliegenden Buchs schreibt mit Personen, Proponenten des Romans, die Geschichte Koreas. Es ist ein historischer Roman, der gespickt ist mit Spionagegeschichten und der Erzählung politischer Ereignisse. Es geht um die Teilung in Nord- und Südkorea, wie sich die Großmächte Sowjetunion und USA ihre Einflussbereiche teilten und die ehemaligen Besatzer, die Japaner vertrieben. Diktatur herrschte aber auf beiden Seiten der neu gezogenen Grenze. Zu Beginn mehr im Süden des Landes. Erst mit fortschreitender Regentschaft von Kim Il Sung und seiner Nachfolger verschärfte sich die Diktatur und im Süden wechselte sie zu Demokratie.
Die drei Hauptakteure des Romans sind Johnny Kim, Eve Moon und der Erzähler Yunho Kang. Im April 1969 müssen sie vor der, unter dem Schutz der Regierung stehenden antikommunistischen, paramilitärischen Schlägertruppe nach Japan flüchten. Sie geben sich als Geschwister aus und tauchen in einem koreanischen Exilviertel Japans unter. Nordkorea, das sich als das „wahre“ Korea ansieht bietet koreanischen Asylanten in Japan die Rückkehr an. 90.000 folgen dem Aufruf. Im Vergleich dazu verließen 1945 500.000 Menschen den Norden, um in Südkorea einen neuen Anfang zu schaffen. Viele haben ihre Heimat und ihr Glück auch in Nordkorea gefunden, aber viele wurden ausgenutzt, verfolgt und vernichtet. Johnny nimmt von dieser Heimkehr Gebrauch und verschwindet mit der Tochter eines exilkoreanischen, in Japan etablierten Geschäftsmanns. Der Erzähler hat von ihm nie mehr etwas gehört. Auch die vereinbarten Geheimbotschaften, die Zensur überstehen sollten, kamen nicht. Eve, die er liebte und die ihn später verraten hatte und sich als Spionin entpuppte, traf er in Soul, wo er in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zurückgekehrt war, wieder. Sie war mit einem Amerikaner verheiratet und übersiedelte in die USA. Von seinen Freunden, die nach Nordkorea gingen und das Heimkehr-Angebot annahmen hofft er das beste: „Er zieht es vor, zu glauben, dass er, Tomoko, Eiko und Yunsu einander trafen und halfen, über Hungersnöte, Dürreperioden und Überschwemmungen hinweg, dass sie ein glückliches Leben führen und noch immer führen.“ (Seite 552) Aber auch der Erzähler, Yunho, hatte keine leichte Heimkehr nach Südkorea. Auch in seiner Heimat musste er untertauchen, um nicht verfolgt zu werden. Nach verschiedenen Aushilfsarbeiten, mit denen er sich über Wasser hielt, ging er in ein Leprakrankenzentrum, wo niemand hineinwollte, er aber sicher war. Mit den Geheilten wurden Farmen aufgebaut. Erst 1975 verließ er das Lepradorf.
Für den Erzähler war es ein Loslassen der Vergangenheit und die Autorin Anna Kim machte daraus einen sehr lesenswerten Roman, der nicht nur spannend ist, sondern Leute aus dem Westen in die historischen Verhältnisse dieser asiatischen Region einführt.