Gertraud KLEMM: Einzeller#
Gertraud KLEMM: Einzeller / Roman, Kremayr Scheriau, 2023 / Rezension von GUENTHER Johann
KLEMM, Gertraud: „Einzeller“, Wien 2023
Eigentlich hatte sie eine Trilogie zum Thema Feminismus geplant. Aber dann kam Corona und vieles wurde anders. So auch ihr Schreiben und das Ergebnis wurde kleiner: der vorliegende Roman „Einzeller“. Klemm unterscheidet zwischen „Netzfeminismus“ und „Alltagsfeminismus“. Diskussionen in sozialen Medien sind für sie abgehoben und nicht Realität. In diesem Buch versucht sie Situationen zu schildern, die am Alltag hängen. Sie nennt das „Gummistiefel-Feminismus“. Zu diesem Thema fühlt sie sich als zur „Brückengeneration“ gehörend berufen. Vorangegangene Generationen sind anders damit umgegangen als heutige. Sie, als 1971 geborene, stehe da zwischen diesen beiden Weltanschauungen.
Es geht um eine Wohngemeinschaft – WG – von fünf unterschiedlichen Frauen. Geschrieben ist die Erzählung aus der Perspektive von zwei Personen: der 24-jährigen Lilly und der 60-jährigen Simone. Aus der Unterschiedlichkeit der Personen ergibt sich ein Spannungsfeld, das Einblick in die Szene der Feministinnen gibt.
Irgendwie ist das Buch schon männerfeindlich. Und doch wieder nicht: die älteste der WG, Simone, hat einen Freund. Einen Minister den sie aus Jugendtagen kennt. Er stammt aus einer Bauernfamilie und hat sich innerhalb der Partei bis zum Minister hochgearbeitet. Sie trifft sich regelmäßig mit ihm in einer kleinen geheimen Wohnung. Sie haben Sex mitsammen, er ist aber auch ein Gesprächspartner und Ratgeber für sie. Er ist ein Konservativer und trotzdem schätzt sie ihn. Er hat eine Vorzeigefamilie und obwohl sie von der politischen Einstellung anders ist, tauschen sie sich aus und schätzen einander.
Die Jüngste – Lilly – verlässt bald die WG und siedelt zu einer anderen WG. Ihre WG hat sich vertraglich für eine Talkshow verpflichtet. Es wird in ihrer Wohnung gefilmt. Simone ist die Älteste und der Profi unter ihnen. Sie organisiert viele Aktionen für die Freiheit der Frauen. Nicht alle goutieren das. Sylvia hat viele Feinde im Netz und bekommt viele Hasspostings.
Im Zweiten Teil des Buches kippt die Szene. Lilly wird schwanger und geht eine normale Ehe ein, bei er es auch zu Zwist und Schlägerei mit dem Partner kommt. Sie bekommt das Baby und verlobt sich mit ihrem Freund, der eigentlich der beste Freund ihres Freundes war.
Simone bekommt noch einen Preis als erfolgreiche und aktive Feministin. Viele beneiden sie dafür. Andere hassen sie noch mehr. Sie aber hat beschlossen auszusteigen und ein ruhiges Leben ohne feministisches Engagement zu beginnen. Sie besucht ihre Tochter in Berlin und kommt zur Preisverleihung nach Wien zurück, wo sie vorher noch ein exklusives Interview hat. Beim Verlassen des Studios wird sie von Unbekannten niedergeschlagen. Sie wird in Tiefschlaf versetzt, verstirbt aber. Das Begräbnis ist das Ende des Buchs.
Der erste Teil ist extrem feministisch und man erfährt als Leser, wie diese Frauen ticken. Im zweiten Teil dann fast ein Happy End, das zwar mit dem Tod von Simone endet, aber doch eine Umkehr der zwei Hauptpersonen brachte. Neue Generationen übernehmen das Gebiet.