Peter TURRINI: Fremdenzimmer#
Peter TURRINI: Fremdenzimmer / Ein Volksstück, HAYMON, 2018 / Rezension von Guenther Johann
TURRINI, Peter: „Fremdenzimmer. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2018
Turrini beschreibt in diesem Stück das Aufeinandertreffen eines syrischen Flüchtlings mit einem älteren Wiener Paar. Er ist frühpensionierter Briefträger und sie eine ehemalige Kellnerin. Sie hatte einen Sohn, der verschollen ist. Wie es eben der Mutterinstinkt in sich hat, hält sie für den verschollenen Sohn immer noch ein Zimmer bereit. Er könnte ja heimkommen. Plötzlich aber steht ein junger Syrier im Raum und ersucht sein Mobiltelefon aufladen zu dürfen. Dier Frau zeigt sich hilfebereit und will ihn aufnehmen. Auch sei das Zimmer des verlorenen Sohnes frei. Der Lebensgefährte zeigt seine Ausländerfeindlichkeit und will das nicht. Es kommt zum Streit der beiden. Das Paar repräsentiert die Stimmung der Österreicher gegenüber den ankommenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten. Zuerst eine Willkommenskultur und dann zunehmend eine Abneigung. Aber auch innerhalb der eigenen Gesellschaft hat sich viel verändert. Herta, die Frau des Stücks, sagt es so: „Überall ist es kalt. Am Gang, bei den Nachbarn, auf der Straße, alle sind fremd zueinander. Wahrscheinlich ist es auf der ganzen Welt so, alles kalt.“ Sie fragt den Flüchtling „Wie ist es dort, wo du herkommst, in deinem Land? Auch kalt? Bei euch ist ja Krieg und das ist ja die kälteste Kälte.“ (Seite 36) So ist auch die Beziehung zu ihrem Mann. Obwohl der Flüchtling kein Deutsch spricht und Herta fast kein Englisch versteht, meint sie zu ihm „Es ist schön, dass ich mit dir ein bissel reden kann. Mit dem Gustl geht das ja schon lange nicht mehr. Streiten ja, reden nein. Und Streiten ist ja kein Reden.“ (Seite 38) Um der Kälte zu entkommen sinniert sie, dass sie nach Griechenland fahren könne, sich dort als Flüchtling verkleiden, alle Dokumente wegwerfen um als Flüchtling ins eigene Land zurückzukehren. Da würde ihr mehr Wärme entgegenschlagen.
Die drei Personen erzählen sich dann ihre Lebensgeschichten. Die Frau, die aus Kärnten nach Wien kam und als Kellnerin arbeitete. Der Mann, der eigentlich Tischler gelernt hatte und dann pragmatisierter Briefträger wurde. Weil er die Briefe, deren Adressen er nicht lesen konnte, an Asylanten verteilte wurde er in Frühpension geschickt. Und Samir, der Syrer, erzählt, dass er aus einer reichen Familie, die ein Schmuckgeschäft besitzt, aus Damaskus stammt. Bei einem Bombenangriff kamen seine Mutter und die Geschwister ums Leben. Der Vater gab ihm Schmuckstücke und schickte ihn auf die Reise nach Europa. Er wolle mit seiner eigenen Mutter nachkommen. Samir erzählt seinen Leidensweg der Flucht. Jetzt soll er abgeschoben werden und er wird polizeilich gesucht. Diese Gespräche bringen die drei näher. Als dann die Polizei kommt um ihn abzuholen simulieren sie einen Flug. Gustl, der ein Flugzeugmodellbauer ist, sitzt auf einem Sessel vorne und seine Frau und Samir auf zwei Sesseln hinten. Sie wollen das Land im Flugzeug verlassen, aber die Tür wird von der Polizei aufgebrochen. Hier endet das Stück.
Turrini hat mit „Fremdenzimmer“ versucht das Aufeinandertreffen von Fremden und Einheimischen zu beschreiben. Die letztliche Verbundenheit der Drei, des Fremden und der zwei Einheimischen, definiert Turrini in einem Gespräch so: „Wir sind alle Flüchtlinge, wir werden bodenlos, weil wir unser Land verlassen, weil wir unseren Beruf verlieren, weil wir nicht mehr wissen, ob wir den Partner lieben oder nicht, weil unser Selbstwertgefühl schwindet, weil wir zunehmend überflüssig werden. Es gibt keinen sicheren Boden mehr unter unseren Füßen. Insofern haben die drei Hauptfiguren meines Stücks zwar keine gemeinsame Sprache, aber eine große Verlorenheit verbindet sie miteinander.“ (Seite 106/107)