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Guido Fuchs: Wochenende und Gottesdienst#


Guido Fuchs: Wochenende und Gottesdienst. Zwischen kirchlicher Tradition und heutigem Zeiterleben. Verlag Pustet Regensburg 2009. 160 S. € 17,40

Die interessantesten Fragen entstehen meist an den Fachgrenzen, hier zwischen Theologie und Ethnologie. Das Wochenende ist für beide ein spannendes Thema. Im besten Fall dauert es von Freitag Mittag bis Sonntag Abend und es bildet -noch - für die meisten Bürger eine Zäsur zwischen Arbeits- und Freizeit. Doch die Entrhythmisierung schreitet fort. Betriebszeiten werden aus wirtschaftlichen Gründen in die Nachtstunden und Wochenenden hinein verlängert, Geschäfte sind immer länger geöffnet. Allein in Österreich sind 1.001.400 Menschen von Sonntagsarbeit betroffen, davon 673.500 regelmäßig.

Auf der Strecke bleibt in jedem Fall der Sonntag, seit Jahrhunderten zentraler Tag des christlichen Lebens und seit dem Hochmittelalter mit der "Sonntagspflicht" des Messbesuchs verknüpft. Die zusammenhängende Freizeit des Wochenendes lässt sich für viele Aktivitäten nützen, in die der sonntag-vormittägliche Gottesdienstbesuch nicht hineinpasst. Ebenso wenig ist er mit der Sonntagsarbeit vereinbar.

Während die Alltagskulturforschung die widersprüchlichen Trends unbeteiligt beobachten kann ("Volkskunde hat zu sehen, was ist…") besteht für Liturgiewissenschaftler und Pastoraltheologen Handlungsbedarf. In kirchlichen Kreisen hat der freundliche Wunsch "Schönes Wochenende!" keinen guten Klang. Es gibt Amtsträger, die das "heidnische" Vokabel ablehnen und Sonntag wie Messe in Gefahr sehen. In den 1980-er Jahren entstanden Abhandlungen wie "Ist der Sonntag noch zu retten?"

Dem vorliegenden Buch ging ein interdisziplinären Seminar (katholische Theologie - europäische Ethnologie) voraus. Es beleuchtet Geschichte und Gegenwart, Liturgie und Alltag und sieht die Diskrepanzen: "Die Nivellierung der Zeit und die Suche nach immer schneller eintretenden Zeit-Erlebnissen lässt die liturgische Zeit mit der ihr eigenen Zeitrhythmik und Dauer gar nicht mehr zur Entfaltung kommen, wie das Beispiel von Advent und Weihnachten zeigt." (S. 20). Das Warten als Grundidee des liturgischen Jahres wird unverständlich, wenn das Motto "ich will alles, und das sofort!" lautet. Die Zeiterfahrung der Liturgie trifft das Zeit-Erleben von Menschen in der Erlebnisgesellschaft nicht mehr.

Bei Feiern am Wochenende (oder: zur Wochenwende) verbinden sich Tradition, Innovation und Revitalisierung. Altes hat nicht nur seinen Platz, sondern erlebt sogar eine gewisse Renaissance, teils unter anderem Namen, in anderer Form oder zu anderer Zeit. Die Anbetung wird zur Meditation, die Andacht zur Wort-Gottes-Feier. Beim Taizégebet am Freitag wird das Berühren des liegenden Kreuzes zum emotionalen Erlebnis - anders als beim ganz ähnlichen "Herrgottbussen" am Karfreitag.

Die vormittägliche Sonntagsmesse ist längst nicht mehr Mittelpunkt am "Tag des Herrn", wie auch andere Bräuche (Sonntagskleid, Sonntagsausflug, Sonntagsbraten…) unüblich geworden sind. Realistisch spricht Guido Fuchs von "Angeboten" der Pfarrgemeinden für verschiedene "Zielgruppen" bzw. "Kunden". Häufig handelt es sich um nicht-eucharistische, ökumenisch offene Formen, die aufwändig vorbereitet und gestaltet sind (z.B. "Sunday special", "Moonlightmess).

Auch Gottesdienste sind Bräuche - und wie diese ändern sie sich. Wie diese fallen sie auch nicht vom Himmel, sondern werden von Einzelnen oder Gruppen erfunden, die ein Interesse daran haben. Im Bereich der Volksfrömmigkeitsforschung (und der Theologie) wird der Wandel häufig beklagt. Hingegen liest sich dieses Buch kompetent und erfrischend. Guido Fuchs wertet kaum, gibt dem Nebeneinander Raum, plädiert für ein Sowohl-als-auch (Wochenende und Sonntag, Herz-Jesu-Andacht und after-work-Gottesdienst…) und zeigt, wie es gehen könnte. Vor allem aber nimmt er die (präsumtiven) Teilnehmer ernst, bis zur "Bereitschaft, die Menschen wieder gehen zu lassen".

Der Autor, Dr. theol., geb. 1953, ist Herausgeber der Zeitschrift "Liturgie konkret", Verfasser zahlreicher Bücher zur Theologie und Praxis des Gottesdienstes und lehrt Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg.

hmw