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Clemens J. SETZ: Gedankenspiele über die Wahrheit#

Clemens J. SETZ: Gedankenspiele über die Wahrheit, Droschl, 2022 / Rezension von Guenther Johann

Clemens J. SETZ: Gedankenspiele über die Wahrheit
Clemens J. SETZ: Gedankenspiele über die Wahrheit

SETZ, Clemens J.: „Gedankenspiele über die Wahrheit“, Graz Wien 2022

In einem kleinen Büchel beschäftigt sich der junge Grazer Schriftsteller mit der Frage was Wahrheit und was Unwahrheit ist. Er bringt Beispiele aus verschiedenen Bereichen und gliedert sie in fünf Kapitel.

Im ersten wird ein Dichter zitiert, der wiederum Grillparzer zitiert, wie er das erste Mal das Meer sieht. Der Dichter – Roger Willemsen – zitiert Grillparzer beim ersten Anblick des Meeres mit dem Satz „So hatte ich´s mir nicht gedacht.“ Eine eindeutig negative Feststellung. Stellt man diesen Satz dann dem Originalreisebericht gegenüber – wie es Setz macht – so war es eine positive Aussage, weil er sich weniger vorgestellt hatte, als es dann wirklich war.

Oft hat man von Dingen eine gewisse Vorstellung, die sich mit vielen anderen Leuten deckt, die aber nicht der Realität entsprechen muss. Man nennt das den „Mandela-Effekt“; anknüpfend an die Berichterstattung zu Mandelas Begräbnis. Wahrheit und Unwahrheit kann auch eine Gegenüberstellung von der Aussage eines Buchhalters zu der eines Ekstatikers sein. Friedrich Nitsche meinte, „dass gewisse Unwahrheiten als Wahrheiten gelebt werden“ und schlägt im Nebensatz vor, dass „diese dann als eine neue Art von Wahrheit“ zu betrachten (Seite 25) Dichter halten sich nicht immer an Fakten. Etwa, wenn Alfred Lord Tennyson schreibt „Every moment dies a man. Every moment one is born“ (Seite 29) Da die Weltbevölkerung aber ständig wächst müsste es – so der Vorschlag im Buch – heißen „Every moment dies a man. Every moment 1 1/6 is born“ Dies wäre mathematisch auch nicht genau, aber zeige die Entwicklung auf.

Unter dem Titel „Die bedrohliche Wahrheit der Doppelgänger“ wird berichtet, dass bei einem Chaplin Wettbewerb die Nachahmer besser wegkamen als Chaplin selbst, weil dieser bei Dreharbeiten eben normal ging und der Watschelgang durch schnelleres Abspielen, also durch die Technik entstand. Die Nachahmer machten aber den schnellen Watschelgang, der theoretisch gar nicht der Wirklichkeit entsprach.

Manches wird in der Zukunft als unwahr oder als wahr eingestuft werden, obwohl es in der damaligen Zeit genau umgekehrt war. So verweist er auf eine Hexenwaage in der holländischen Stadt Oudewater. Am Marktplatz war eine geeichte Waage aufgestellt. Als Hexen angeklagte Frauen konnten sich hier wägen lassen und bekamen ein Dokument, in dem bestätigt wurde, dass sie nicht fliegen können, weil sie zu schwer seien. Alle Angeklagten mit diesem Attest wurden freigesprochen. Es waren aber nur diejenigen, die das Geld hatten in die Stadt Oudewater zu reisen, um einen derartigen Befund zu kaufen.