Tobias Friedrich: Geheimnisvolle Schönheiten#
Tobias Friedrich: Geheimnisvolle Schönheiten / Meeresbewohner im Dunkel, Terra Mater, 2020 / Rezension von Hermann Maurer
Als ich die Ankündigung des Buches als Werk mit Aufnahmen beim Tauchen im Meer sah, war ich sehr neugierig, denn ich war selbst jahrelang Hobbytaucher und hatte dabei folgende Erfahrung gemacht:
Alle Hobbytaucher schienen davon zu schwärmen, dass man durch Tauchen die Natur (Fische, Korallen, …) sehen könnte, was man sonst nie sehen würde, und dass das der Grund sei, warum sie Tauchen lieben.
Mir hat diese Argumentation nie gefallen: Als normaler Taucher bewegt mach sich um 5-10 m unter dem Meeresspiegel. Schon bei 10 m wird alles blau, bei 20 m gibt s nur noch blau-graue Schatten. Also: Das Erlebnis eines Amateurtauchers, ist, optisch gesehen, genau das, was mit Schnorchel mit ein bisschen Übung auch sehen kann: Man taucht eben ein paar Meter hinunter, bestaunt Korallen und Fische, taucht wieder rauf. Mit einem kräftigem Ausatmen macht man den Schnorchel wieder zum Atmen frei.
Also behaupte ich: Die üblichen Amateurtaucher sehen nicht mehr als ein geübter Schwimmer mit Schnorchel, der keinen Tauchkurs mit Prüfung gemacht hat.
Ich bin selten mehr als 20 m tief getaucht: dort wurde es farblich schon sehr langweilig, außer man erforscht ein Wrack oder ein Höhlensystem.
Was mich beim Tauchen fasziniert: man lernt mit voller Lunge, halber Lunge, fast leerere Lunge zu atmen. Und je nach dem Volumen der Luft in der Lunge schwebt man im Wasser, steigt auf oder sinkt hinunter, ohne sonst etwas zu tun: man fliegt--- im Wasser. Drum hat mich auch das Erkunden von Wracks so fasziniert, weil man da volle „Flugkontrolle“ benötigt: Das Wrack liegt schief; zu nahe zum Boden darf man nicht kommen, da ist eine Schlammschichte, die aufgewirbelt jede Sicht verhindert; aber die Schiffsräume sind niedrig, und von der Decke hangen irgendwann Öllampen: die darf man auch nicht berühren um sich darin nicht zur verfangen, d.h. man muss mit Abstand vom Boden aber nicht zu hoch ruhig schweben. Bei Stiegen muss man genau im richtigen Winkel aufsteigen, usw. Für mich ist Tauchen: fliegen in einer anderen Welt: Es ist dieses „Körpergefühl“ für mich, das Tauchen so schön macht. Beim Schifahren ist es doch auch so: Ja, die verschneiten Bäume und Berge mögen schön sein, das wirklich Befriedigende ist aber die Körperbeherrschung, das Gefühl die Schwünge elegant zu fahren, usw.
Und dann ist da ein Buch und will mir neue Bilder zeigen und so das Tauchen interessant machen. Eine Unmöglichkeit schien mir. Es ist aber dem Autor voll gelungen. Das liegt darin, dass er immer tiefer taucht, mit genug Scheinwerfern und Blitzgeräten und Superkamera ausgerüstet und so Tiere zeigen kann die man sonst nie sehen würde, und die als vollseitige Farbbilder Unglaubliches zeigen.
Das Buch ist in Abschnitte geteilt, jeder mit vorneweg ein bisschen Text, und dann Bilder vom nächsten Tauchabschnitt, tiefer und tiefer, und alles „nur“ eine Sammlung herrlicher Farbfotos.
Es beginnt mit dem Abschnitt 0 – 5 Meter Tiefe, den jeder Schnorchler und jeder Amateurtaucher gut kennt. Dass es da Tobias Friedrich gelingt mit Panoramas von Korallen und einer Sammlung von Haien u.a. zu überraschen, ist für mich ein halbes Wunder.
Der Abschnitt 5 - 10 Meter mit 11 Bildern zeigt vieles, was man als Amateurtaucher kennt, allerdings färbiger und schöner als mit der üblichen Tauchausrüstung, wo man ja höchstens eine winzige Stirnlampe hat und daher alles schon ein bisschen blau eingefärbt sieht.
Von 10 - 20 Meter gibt es schon 30 Bilder, die man als Hobbytaucher nur noch bestaunen kann: Eine Muräne aus der Nähe, der lange Körper, das aufgerissene Maul, Anglerfische ganz nahe, Fische die sich als Stein maskieren, den Rotstachelfisch dessen Stacheln man nicht zu nahe kommen will, ungewöhnliche Krebse und Tintenfische, usw.
20 - 30 Meter --- das ist die Grenze eines Amateurtauchers: Man atmet schon stärker komprimierte Luft, man schaut auch schon auf Tiefenanzeiger und Uhr (weil man beim Auftauchen Sicherheitsstopps machen muss um Stickstoffembolien zu verhindern) und sieht schon alles in grau und blau: Lassen Sie sich also von den Gemälden anmutenden Fotos so überraschen, wie ich es war.
40 - 50 Meter: Die Bilder zeigen uns eine unbekannte, wunderbare Welt. So tief taucht man als Hobbytaucher nur um seinen Mut zu beweisen. Hier kann es schon geschehen, dass man etwas berührt, was man gar nicht gesehen hat. Auch die Zeit wird kurz: man verbraucht hier sehr viel mehr komprimierte Luft als in geringerer Tiefe. Als ich einmal in einem Meteoritenkrater vor Mexiko auf 60 tauchte, was das nur mehr Angeberei: Zum Sehen war hier nichts mehr, und ich hatte hier „unten“ gerade 2 Minuten Zeit, weil beim Hochtauchen mehrere Sicherheitspausen gemacht werden müssen. Dass die Tierwelt hier noch so reichhaltig ist und offenbar das Licht nicht so vermisst wie wir Menschen zeigen die herrlichen Bilder.
50 – 100 Meter: Hierher taucht man nicht mehr mit reiner Pressluft oder Sauerstoff, sondern schon stark versetzt mit Helium und weniger Stickstoff, um den Tiefenrausch zu vermeiden. Man würde vielleicht besonders kräftige Tiere in dieser Tiefe vermuten, aber das Gegenteil ist der Fall: filigrane, durchsichtige oft eigentümlich geformte Lebewesen und Fische und Larven findet man hier (wohl weil Räuber nicht mehr so tief tauchen), umgekehrt sieht man diese Tiefseelebewesen auch näher an der Oberfläche, nämlich wenn sie in der Nacht auf Nahrungssuche gehen!
Ich glaube die obige Beschreibung macht klar: hier wird ein großformatiges Buch mit ungewöhnlichen Kurzerzählungen und hunderten einmaligen (ja, wirklich einmaligen) Bildern angeboten. Wie ein so aufwendiges Buch um unter 33 Euro Ladenpreis hergestellt werden kann ist toll!
Kritik am Buch: Nicht bei jedem Bild ist es klar, was man eigentlich sieht, oder welche besondere Eigenschaften dieses Lebewesen hat. Dazu sind die Texte am Anfang der Abschnitte zu kurz und man muss fallweise raten, auf welches Bild sich welches Textstück bezieht, denn es fehlen leider Seitenzahlen. So kann ich Ihnen mein Lieblingsbild nicht verraten, sondern nur eines meiner 5 Lieblingsbilder: Das letzte im Buch. Dass ich fallweise fehlende Beschreibungen kritisiere wird den Fotografen Tobias Friedrich nicht stören: es geht ihm nicht um das Tier, sondern um die Schönheit des Bildes.