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Peter TURRINI: Gemeinsam ist Alzheimer schöner#

Peter TURRINI: Gemeinsam ist Alzheimer schöner / Theaterstück, HAYMON, 2020 / Rezension von Guenther Johann

Peter TURRINI: Gemeinsam ist Alzheimer schöner
Peter TURRINI: Gemeinsam ist Alzheimer schöner

TURRINI, Peter: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, Innsbruck Wien 2020 Ältere Schriftsteller können oft nicht aufhören mit dem Schreiben, auch wenn es nicht mehr so läuft wie in ihrer besten Zeit. Bei Peter Turrini (entschuldige, dass ich sage „älterer Schriftsteller“) muss man sagen „Bitte hör nicht auf!“ Ein sehr gutes Thema, interessant aufbereitet und sprachlich einmalig formuliert. Die handelnden Personen sind ein älteres Ehepaar im Rollstuhl und zwei Altersheimleiter. Das Ehepaar spielt verschiedene Phasen ihres Lebens. Anschließend fallen sie wieder in ihren Alterszustand zurück und sitzen im Rollstuhl. Im Theaterstück – so die Anleitung – leitet Musik die jeweilige Situation ein. Ich habe es nur als Buch gelesen, die Zusatzinformation ist aber wichtig um sich in die jeweilige Stimmung zu versetzen. Die einzelnen Phasen beginnen mit dem Verliebtsein und führen bis ins hohe Alter. Die Liebe in der Jugend formuliert Turrini etwa mit der Aussage des Mannes so „Weißt du, wie es mir geht? Kaum habe ich das Telefon aufgelegt, würde ich am liebsten gleich wieder anrufen.“ (Seite 13) Oder der folgende Dialog: „Sie: Soll ich zu dir kommen, obwohl es mitten in der Nacht ist? Er. Wann immer du erscheinst, ist Sonnenaufgang. Sie. Sehr romantisch. Ich ziehe mir nur schnell etwas an und bin in einer halben Stunde bei dir. Er: Wenn du es schnell wieder ausziehst, bin ich in einer halben Stunde in dir. Sie: Du weißt, dass es nicht so schnell geht bei mir. Du musst mir vorher die eiskalten Füße anwärmen. Sonst muss ich beim Sex immer daran denken, wann sie endlich warm werden.“ (Seite 14) Ein Wort zu den zwei Heimleitern. Der erste ist ein sehr jovialer, freundlicher Mann, der sich von den Heimbewohnern auch mit Vornamen oder Spitznamen anreden lässt. Er zerbricht an seinem Stil und begeht Selbstmord. Er wird von einem akademischen, sachlichen Manager abgelöst. Eine interessante Charakterdarstellung zweier, so unterschiedlicher Menschen. Das Ehepaar spielt dann eine weitere Rolle ihres Lebens, wo er ein angesehener und reicher Industrieller geworden ist und die Firma seines Vaters übernommen hat. Sie sind reich und haben außereheliche Verhältnisse. Sie leben an der Oberfläche. Ohne Tiefgang. So meint „Er“ über „Sie“ „Vor unseren Gästen bist du immer charmant und herzeigbar. Du kannst wunderbar Konversation machen und dir würde nie ein unflätiges Wort über die Lippen kommen. Obwohl du mich hasst, erweckst du vor anderen den Eindruck, als hätten wir eine äußerst harmonische Ehe.“ (Seite 34) Im Gegenzug sagt „Sie“ über ihn „Du bist für niemanden eine Freude und für niemanden eine Hoffnung, nicht einmal für deinen Sohn. Und der hätte seinen Vater so gerne bewundert. Aber du hast nie Zeit gehabt für ihn, nicht einmal die Zeit, dir seine Bewunderung anzuhören.“ (Seite 35) Als sich die beiden Alten ihre Medikamente gegenseitig aufzählen, lässt der Dichter ihnen ein Theaterstück inszenieren, in dem die einzelnen Medikamente auftreten, so als seien sie historische Theaterfiguren. Da der Sohn die teure Seniorenresidenz nicht mehr zahlt – oder zahlen kann – muss das Ehepaar in ein einfaches, kleines Zimmer übersiedeln. Sie vergessen immer mehr. Sprechen sich oft mit „Sie“ an, ja letztlich verlieben sie sich wieder, ja, er macht ihr einen Heiratsantrag – obwohl sie ja verheiratet sind: „Er: Könnten sie sich vorstellen, mich in absehbarer Zeit zu heiraten? Sie: Warum nicht gleich? Sie könnten ihren Antrag wieder vergessen.“ (Seite 79) Ich habe hier öfter zitiert um einen Eindruck zu vermitteln. So schöne Texte kann man nicht beschreiben, man muss sie selbst hören oder lesen.