Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Siegfried de Rachewiltz und Andreas Rauchegger (Hg.): Kraut und Rüben#

Siegfried de Rachewiltz und Andreas Rauchegger (Hg.): Kraut und Rüben / Zur Kulturgeschichte von Kohl, Rüben und Sauerkraut im historischen Tirol, Schriften des Landwirtschafmuseums Brunnenburg Nr.20, 2021 / Rezension von Hermann Maurer

Siegfried de Rachewitz und Andreas Rauchegger (Hg.): Kraut und Rüben
Siegfried de Rachewitz und Andreas Rauchegger (Hg.): Kraut und Rüben

Das von Andreas Rauchegger mitherausgegebene Buch mit 31 Beiträgen beginnt mit einem von seinem 30 Jahr älteren Vorbild Siegfried Walter de Rachewiltz dessen Titel der Untertitel des Buches ist: „Zur Kulturgeschichte von Kohl, Rüben und Sauerkraut im historischen Tirol. “

Mancher, der den Titel des Buches sieht wird sich fragen, warum Kraut und Rüben ein so hoher Stellenwert zugewiesen wird, dass diesem Gemüse ein 300 seitiges stark bebildertes Buch gewidmet wird. Dabei wird übersehen, dass vor allem in rauen Klimazonen wie in den Tiroler Bergen das Essen im Winter sich reduzierte auf Eingekochtes, Eingelegtes, haltbares Obst ( Äpfel), selten Fleisch oder Fisch, Brot, später auch Erdäpfel, aber fast täglich ein auf Kraut und Rüben basierendes Gericht.

Wann und wo die zur Kreuzblüter gehörenden Gemüsearten das erste Mal auftauchten ist unklar. Geographisch ist es wohl das winterkalte Gebiet West- und Zentralasiens. Zeitlich tauchen sie vor ca.20 Millionen Jahren mit Sicherheit auf, aber vielleicht auch schon Millionen Jahre früher.

Das Buch besticht nicht nur durch seine Genauigkeit, sondern für den Leser erfreulich durch die vielen eingestreuten Anekdoten, Legenden, Geschichten. Wer weiß schon, dass Tschingis Khan seine Soldaten in erster Linie mit Sauerkraut verpflegte und so als „kulinarische Vorreiter“ des Sauerkrauts gelten kann? Oder dass man im Friulanischen Kraut als Brovada so zubereitete, dass eine Portion wie ein Teller mit Spaghetti aussah? Oder dass für die Bearbeitung von Kraut und Rüben ungewöhnliche Gerätschaften entwickelt wurden? Krautdiebstahl wurde teils streng bestraft. Auch wo ein Bauer keine Jagdgenehmigung hatte durfte er aber Rüben oder Kraut äsenden Hirsche erlegen… ein willkommenes Zubrot! Selbst klassische Dichter wie Gothe, Heine, Schiller usw. beschäftigen sich intensiv mit Kraut und Rüben, waren doch z.B. die scharf/süß schmeckenden „Teltower Rübchen“ so geschätzt, dass sie ein immer gerne gesehenes Geschenk darstellten! Die Herstellung von Sauerkraut ist fürwahr eine Wissenschaft, die immer mehr zu auch komplexen Geräten wie etwa Krautpressen mit durch Hebelwirkung vergrößerten Druck von Gewichten führten.

Nach den über 100 Seiten von de Rachewiltz und Rauchegger folgen fast 30 kürzere interessante und/oder amüsante Abrisse, etwa ein umfangreiche Beschreibung von Gedichten und Liedern, die sich mit Kraut und Rüben beschäftigen! Dass Kraut und Rüben gesund sind, z.B. eine Krautsuppe als Frühstück (!) kommt in den verschiedensten Versionen vor, einmal als „Kraut vom Kübel hilft gegen 99 Übel“ sogar als Überschrift eines Beitrags. Mehr mag überraschen, dass man auch die aus den Rüben herauswachsenden Halme sehr schätzt, weil sie (wie Kraut und Rüben überhaupt) Unkraut und Schädlingen fast völlig verhindern!

Dass aus der Flüssigkeit, die beim Zerhacken der Rüben entsteht, auch Schnaps gebrannt wird mag überraschen. Vor allem weil es heißt: „Wer sagt, dass ihm der erste Krautinger schmeckt, der lügt“. Nur gilt genau diese Aussage auch für andere Schnäpse vom Ouzo zum Jägermeister!

Obiges sind nur ein paar Beispiele, die beim Lesen des Buches überraschen. Sie sollen nur zeigen, dass dieses Werk nicht nur die (volkskundliche) Geschichte von Kohl, Kraut und Rüben bis Ende des 19. Jahrhunderts solide und gut dokumentiert beschreibt, und in diesem Sinn auch eine wissenschaftlichen Anspruch hat. Aber eben nicht nur: Auch für Laien macht das Lesen Spaß und man lernt viel Neues.

Insofern ist zu hoffen, dass der Leserkreis sich nicht nur auf „Spezialisten“ beschränkt, sondern auf alle, die gerne über Geschichte, Natur, Menschen und Bräuche lesen, wenn es so ansprechend dargestellt wird wie in diesem Buch.