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Marlene STREERUWITZ: Nachwelt.#

Marlene STREERUWITZ: Nachwelt. / Roman, Fischer, 2006 / Rezension von Guenther Johann

Marlene STREERUWITZ: Nachwqelt.
Marlene STREERUWITZ: Nachwqelt.

STREERUWITZ, Marlene: „Nachwelt.“, Frankfurt 2006 Am Cover nennt sich das Buch „Roman“, auf der Innenseite dann „Ein Reisebericht“. Eigentlich ist es ein Tagebuch eines Amerikaaufenthalts. Zehn Tage werden genau beschrieben. Vom 1. bis zum 10. März 1990. Die Protagonistin und Hauptperson des Romans, der Berichterstattung, ist Margarethe. Die Amerikaner nannten sie Margaux. Es dürfte sich um die Autorin selbst handeln. Sie befand sich in Kalifornien, um über Anna Mahler, der Tochter Alma Mahlers und des berühmten Musikers, der Annas Vaters ist, zu schreiben. Stilistisch gehört der Roman zu den früheren Werken von Streeruwitz - es ist ihr zweiter Roman -, in denen sie mit kurzen Sätzen formuliert. In diesem, ihrem „Reisebericht“, werden alle Details festgehalten, auch dass sie „nochmals aufstehen und aufs Klo gehen musste.“ (Seite 94) Vielleicht lag das detaillierte Berichten auch daran, dass sie bei diesem Amerikaaufenthalt oft alleine war. Nur unter Tags hatte sie Treffen mit Leuten, die ihr über Anna Mahler berichteten. Sie rückte mit einem Aufnahmegerät an und hielt alles Gesagte fest. Auch im Buch wird es wiedergegeben, wenn etwa der 88-jährige Witwer über seine Anna berichtet. Er erzählt wie er Anna in Wien kennengelernt hatte. „Zweifelsohne war ich wahnsinnig verliebt in sie. Sie hatte andere Affären. Sie ging damit ganz offen um. Sie war mit Zolnay verheiratet. Aber die Ehe war in Auflösung.“ (Seite 79) Als Hitler in Österreich einmarschierte mussten sie flüchten. Zuerst nach London und dann nach Amerika. Obwohl Anna Klavierspielen lernte, wollte sie – wegen des berühmten Mahler Vater – Nichts mit Musik zu tun haben und wurde Bildhauerin. Ihr Ziel war es „Schönheit herzustellen.“ In Amerika angekommen war sie eine Ausländerin. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Flüchtlinge im 21. Jahrhundert werden ähnlich behandelt wie die Migranten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anna war von London nach Amerika gekommen. Sie wurde in der Schule wegen ihres englischen Akzents gehänselt. „Sie war eine Ausländerin und eine Jüdin und das Kind eines berühmten Vaters.“ (Seite 84) Alle Mahler Frauen hatten nur Töchter „Alma hatte nur Töchter gehabt. Anna Töchter. Alma, die Enkelin, Töchter. Anna, die Urenkelin, eine Tochter Alma.“ (Seite 33) Neben den Recherchen über Anna Mahler wird auch die Lebensgeschichte der Protagonistin (der Autorin) beschrieben. Ihre in Österreich zurückgebliebene Tochter, der Ex-Ehemann und der Geliebte, der nicht mitkommen wollte oder nicht mitkommen konnte. Hier in Amerika kommt sie auch selbst zum Nachdenken; über sich. So wird es ein Verweben von zwei Geschichten: jene der Autorin, der Erzählerin und jener von Anna Mahler. Auch sind es verschiedene Generationen, die da zu Wort kommen. Eine wirkliche Anna Mahler Biografie wurde es nicht, aber trotzdem kann man aus den Interviews mit Leuten, die Anna Mahler noch selbst erlebt hatten viel Neues erfahren. Einige Auszüge der Personsbeschreibung Anna Mahler: • „Wenn Anna sprach, dann war das ein Vortrag. … Sie wollte für etwas anerkannt werden, was sie gemacht hatte. Sie wollte von der Nachwelt erinnert werden, als jemand, der etwas getan hatte.“ (Seite 137) • „Sie war zart, aber sie war stark wie ein Stier.“ (Seite 138) • „Ich habe Anna nie krank gesehen.“ (Seite 140) • „… und jeder ist gekommen mit Büchern für Autogramme. Aber es waren Bücher über ihren Vater. … das muss sie geärgert und gekränkt haben, … dass die Leute den Ruhm ihres Vaters auf sie übertragen haben.“ (Seite 186/187) • „Aber ihr Herz war jung. Sie war ein junger Mensch. Sie hat auch nie über Krankheit gesprochen. Sie hat sich nie beklagt.“ (Seite 187) • „She was a Weltbürger“ Sie sagte über sich selbst „Nobody should write a sentence about me.“ (Seite 189) • „Sie war eine sehr unerfüllte Person und sie war nicht glücklich mit sich selbst.“ (Seite 247) • „Ja. Anna war wirklich links. Sie lebte Kommunismus.“ (Seite 249) • Sie hatte neben ihren Ehen auch ein Verhältnis mit dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg. • Österreich hasste sie. England und Italien liebte sie. • Einer der Ehemänner, Ernst Krenek, sagte der Autorin „Die zweite Symphonie … ist gewidmet der Anna Mahler.“ (Seite 270) • Sie unterrichtete an der UCLA, wurde aber nach einigen Jahren nicht mehr engagiert. „Sie hatte kaum Theorien. Sie war nicht akademisch.“ (Seite 324) Sie war eine Künstlerin, eine Bildhauerin. • „Ich meine, sie ging nie wirklich zur Schule, sie lernte nie richtig schreiben. Sie hielt beim Schreiben die Feder so nach innen wie den Stift beim Zeichnen. ... ihr Schreiben war eine Art unleserlicher Form zu zeichnen. Die Briefe waren interessant anzusehen.“ (Seite 331) Einerseits wollte Anna Mahler von ihrem Vater unterschieden werden, andererseits hat sie trotz 4 Ehen immer den Namen Mahler behalten. Marlene Streeruwitz mischt hier mehrere Geschichten zu einer Melange: • Ihr zehntägiger Aufenthalt in Los Angelos, bei dem sie viel Zeit alleine hat. Zeit zum Nachdenken über ihr eigenes Leben. • Anna Mahler, die sie mit Interviews von Zeitzeugen beschreiben lässt. • Das Leben der Leute, die sie in Amerika trifft und deren Schicksale. • Ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Die großen und die kleinen. Letztlich bleibt es ein Reisetagebuch. Über viele Seiten schildert sie Straßen, die sie gefahren ist. Das erinnert an den Griechen Markaris, der in seinen Romanen auch seitenlang Fahrten in der Stadt Athen schildert. Unwichtigkeiten.