Bernadette Reinhold: Oskar Kokoschka und Österreich#
Bernadette Reinhold: Oskar Kokoschka und Österreich / Facetten einer politischen Biografie, böhlau, 2023 / Rezension von GUENTHER Johann
REINHOLD, Bernadette: „Oskar Kokoschka und Österreich“, Wien 2023 Viele Biografien wurden über Kokoschka schon geschrieben. Allein das Literaturverzeichnis dieses Buches zitiert auf über 20 Seiten in kleiner Schrift Werke über den Künstler Kokoschka. Und doch gelang es der Autorin Bernadette Reinhold eine andere Art von Biografie zu schreiben, die sich von allem bisherigen unterscheidet. Sie legt einerseits den Schwerpunkt auf das Verhältnis Kokoschkas zu Österreich und andererseits kündigt sie ihren Stil im Untertitel mit „Facetten einer politischen Biografie“ an. Es wurde also nicht eine weitere Biografie, sondern eine andere. Natürlich gehen die Fakten des Lebens nicht verloren und das Geburtsjahr bleibt 1886, genauso wie der Geburtsort Pöchlarn, aber es werden Verhältnis zwischen dem Maler und anderen Personen und Städten hergestellt. Vor allem das zwiespältige Verhältnis zu Österreich, wo er im Ständestadt ein Vorzeigekünstler war, der verehrt wurde und auf den man stolz war, aber dann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zuerst nach Prag ging und dann britischer Staatsbürger wurde. Wobei die Autorin festhält, dass die Übersiedlung nach Prag keine Flucht war, sondern eine Abkehr zu Wien. Aus politischen Gründen hätte er 1934 Wien nicht verlassen müssen. Es waren vielmehr wirtschaftliche Gründe. Prag war eine reichere Stadt als Wien und bot dem Künstler einen besseren Absatzmarkt für seine Werke. „Persönlich und politisch enttäuscht wandte er sich von Österreich ab und legte vielfältig sein Bekenntnis zur Tschechoslowakei ab.“ (Seite 97) Hitler hatte in Deutschland bereits die Macht ergriffen und Kokoschkas Bilder wurden 1937 und 1938 in München in der Ausstellung „Entartete Kunst-Schau“ gezeigt, die von zwei Millionen Menschen besucht wurde. Nach seiner Flucht aus Prag ließ er sich in London nieder und engagierte sich für humanitäre Projekte. Kokoschka war als tschechischer Staatsbürger nach England gekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor er seine tschechische Staatsbürgerschaft, bekam aber die britische. Er hatte gute Beziehungen zu den Sowjets und dies war der Grund, ihn aus der Tschechoslowakei „hinauszuschmeißen“. Als am 8. Mai 1945 der Krieg aus war, konnte er es noch nicht glauben und hatte Sorgen um seine zurückgebliebene Schwester mit ihrem Mann. Erst 1947 betrat er wieder österreichischen Boden. Hier stand er bald wieder im Fokus des öffentlichen Interesses, wenngleich er nicht von allen anerkannt wurde. Lange brauchte es, bis es wieder eine Ausstellung von ihm in seiner Heimat gab. Viele internationale Ausstellungen folgten, die erste in Österreich fand aber nicht in Wien, sondern in Linz statt, obwohl ihn in Wien der kommunistische Stadtrat Matejka unterstützte. Schon 1946 drängte er seine Mitpolitiker dazu Kokoschka auszuzeichnen, aber es dauerte noch 15 Jahre, bis es dazu kam. Eine Ehrenbürgerschaft erreichte keine Mehrheit und so schlug man ihm einen Ehrenring vor, den er mit dem Grund ablegte, prinzipiell keine Ringe zu tragen. In Wien bekam er auch keine Professur, wie es ihm eigentlich zustand. Dafür engagierte sich Salzburg, wo er die „Schule des Sehens“ gründete. Dies war auch der Hauptgrund meines Interesses an diesem Buch. Meine Cousine, eine aufstrebende Künstlerin, war Studentin von Kokoschka in Salzburg und ich besitze noch Aquarelle aus dieser Zeit. Aufträge bekam er in Österreich zu Beginn wenige. Es wurden immer noch Künstler aus der Nationalsozialistischen Zeit bevorzugt, wie etwa bei der Ausführung des Vorhangs in der renovierten Oper. Von ihm wollte man ein Bild von der Eröffnungsfeier, dem er aber nicht in diesem Sinne nachkam. Er schuf eine Außenansicht der neu renovierten Oper. Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu mehreren Ehrungen. Die größte Ausstellung seiner Werke fand erst 1958 in Wien im Künstlerhaus statt. 1955 bezeichnete ihn der damalige Unterrichtsminister Drimmel als den „bedeutendsten lebenden österreichischen Künstler“. (Seite 289) Auch Thomas Bernhard würdigt ihn, wenn er sagte „Heute kostet selbst ein schwaches Klimtkitschgemälde mehrere Millionen Pfund, sagte Reger, das ist widerwärtig. Schiele ist nicht ein Kitsch, aber ein ganz großer Maler ist Schiele natürlich auch nicht. In der Qualität Schieles hat es in diesem Jahrhundert mehrere österreichische Maler gegeben, aber außer Kokoschka keinen einzigen wirklich bedeutenden, sozusagen wirklich großen.“ (Seite 297) Letztlich war es Kreisky, der ihn zu sich in seine private Wohnung einlud, ihn hier als Wohnsitz anmeldete und ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verlieh. Nach einer österreichischen, einer tschechischen und britischen war er wieder Österreicher geworden.