Marlene STREERUWITZ: Partygirl#
Marlene STREERUWITZ: Partygirl / Roman, Fischer, 2011 / Rezension von GUENTHER Johann
STREERUWITZ, Marlene: „Partygirl“, Frankfurt 2011
Mehrmals habe ich dieses Buch zur Hand genommen, um mit dem Lesen zu beginnen. Immer wieder habe ich es wieder weggelegt. Es war schwierig der Erzählung zu folgen. Ein eigenartiger Schreibstil. Manche Sätze bestehen nur aus zwei Wörtern. Alles wirkt beim Lesen sehr abgehackt. Sehr detailgenau werden Eindrücke und Erlebnisse erzählt. Letztlich habe ich es aber doch geschafft. Die Hauptfigur des Romans ist Madeline. Ihr Leben wird auf einer umgekehrten Zeitachse erzählt. Das Buch beginnt in Chicago im Jahr 2000. Madeline arbeitet in einem Kleiderreinigungsgeschäft. Dann springt die Erzählung zurück ins Jahr 1997, wo sich Madeline mit Freunden in Havanna befindet, um dann 1994 aus Berlin zu berichten. 1989 ist Madeline in Santa Barbara in Kalifornien unterwegs. Durch intensives in die Sonne Schauen verliert sie kurzfristig ihr Sehvermögen. Die Freunde sind besorgt und versuchen sie wieder zu heilen. 1984 ist sie in Kreta. Sie wollte einige Wochen ausspannen und Urlaub machen, wurde aber mit der machoistischen Gepflogenheit der Männer konfrontiert. Es kam zu einer Vergewaltigung. Das Kapitel aus dem Jahr 1981 spielt in Arezzo im Ferienhaus eines Freundes. Sie ist die einzige Frau und muss sich mit dem fremden Verhalten der Männer zurechtfinden. Es ist eine Männergruppe aus Wien, die aus besseren Kreisen stammt und die sich im Urlaub in Italien ausgelassen geben. Es geht dann auf der Zeitachse weiter zurück ins Jahr 1976. Die Geschichte spielt in Wien. Das Nachtleben in verschiedenen Bars. Männer versuchen sie zu verführen. Sie flieht aus einem Auto und fährt mit dem Taxi heim. Und dann dreht die Autorin die Zeit nochmals zurück. Auf das Jahr 1973. Es spielt wieder in Wien. Madeline hat eine Wohnung mit ihrem Bruder in Wien im Zentrum. Sie ist von ihren Eltern weggezogen. Hat sich selbstständig gemacht. „Dass sie unbekannt war. Und sie hat sich das gewünscht. Weg von Baden. Weg aus diesem vertratschten Kaff.“ (Seite 229) Es ist die Zeit der Ölkrise. Energie war teuer. Die Wohnung schlecht geheizt. Sie hat eine Therapeutin. „Die verschrieb Emanzipation wir Schnupfentropfen. Wollte einen in die Emanzipation loswerden.“ (Seite 235) Warum sie eine Therapie bekam, konnte man als Leser nicht feststellen, weil die Geschichte ja gegen die Zeit läuft. 1968 geht auf eine Periode in Baden zurück. Es spielt im Elternhaus, einer alten Villa. Die Mutter von Madeline ist schwer krank. Ein Arzt, der Onkel, behandelt sie. Er will die Tochter, die ihre Mutter pflegt auf andere Gedanken bringen und fährt mit ihr in einen Nachtklub. Der Onkel meinte „Sie müsse aus dem Haus. Wahrscheinlich sei sie seit Wochen nicht aus dem Haus gewesen.“ (Seite 269) Madelines Bruder Rick sei bei Grabungen in Kleinasien, und so fiele die Betreuung der Mutter ihr zu. Der Onkel wollte im Restaurant mit ihr anbandeln. Sie bestand darauf heimgeführt zu werden. Der Mutter könnte etwas passieren. Als sie zum Haus kommen, sind alle Fenster beleuchtet, in jedem Raum das Licht aufgedreht. In der Küche findet sie einen Zettel: der Bruder war unangekündigt hier und habe alle Lichter aufgedreht.
Im nächsten Kapitel – es ist das Jahr 1965 – ist Madeline als junge Frau auf einem Sprachkurs in der italienischen Stadt Perugia. Ihr Bruder war auch da. Sie vereinbarten ein Treffen, aber er kam nicht. Ein Freund des Bruders holte sie ab. Im angegebenen Treffpunkt ist der Bruder nicht. Sie fahren weiter. Auch dort nicht. Ein anderer Freund übernimmt sie. Sie kommt in eine andere Gesellschaft. Eine Frau aus der Runde bringt sie in ein Zimmer, wo ein Mann mit einer Hure Geschlechtsverkehr hat. Die junge Frau Madeline flüchtet.
Die Erzählung geht weiter zurück ins Jahr 1960 und wieder nach Wien. Madeline besucht ihre Tante Lilly in Wien. Ihre Monatsregel auf der Fahrt im Bus wird ausführlich beschrieben. Die Tante erwartet, dass Madeline während ihres bevorstehenden Studiums bei ihr wohnt. Sie aber sagt ab.
Und die Zeit dreht sich weiter auf das Jahr 1957 in Baden zurück. Sie geht in die Maturaklasse und ist eine schlechte Schülerin. Rick half ihr in Latein. Im Bad wartete sie auf ihn. Ihn, den sie liebte.
Das Buch endet mit dem Jahr 1950. Madeline macht die Aufnahmeprüfung in die Mittelschule. Die anderen Bewerberinnen wurden von ihren Eltern begleitet. Madeline war allein und sie wurde auch als letzte im Klassenzimmer vergessen. Als man sie dann fand, war die Direktorin und die Lehrer sehr freundlich zu ihr. Sie wurde aufgenommen.
Die einzelnen Kapitel sind Stationen im Leben von Madeline. Man muss sich als Leser aus diesen Momentaufnahmen die Gesamtheit des Lebens der Frau zusammendenken, praktisch von vorne nach hinten durcharbeiten. Das der rote Faden eine inzestuöse Beziehung zu Madelines Bruder sein soll ist nur schwer herauszulesen.