Dietmar Füssel: Ricardi#
Dietmar Füssel: Ricardi, Sisyphus, 2020 / Rezension von Hermann Maurer
Das Buch ist im Ich-Stil vom angehende Schriftsteller Franz Pospischil geschrieben. Es beginnt mit amüsanten Berichten aus seinem Leben als Student in Wehrstadt mit einer kleinen Kunstakademie. Es finden sich oft Bemerkungen und Verhaltensweisen, die überraschen, aber wo man innerlich zustimmend nickt. Ab und zu gibt es eine Anspielung, die man einfach überliest, ohne ihr eine Bedeutung zuzumessen. So ist es auch mit den Erinnerungen, die bei Franz durch Notizen über den Maler Ricardi ausgelöst werden, oder seine große Liebe Marie, die er spontan als solche erkennt, als er sie einmal singen hört. „Ich war nicht bloß beeindruckt, sondern überwältigt, betört, verzaubert, verzückt -und vor allem unsterblich verliebt, von einer Sekunde auf die andere“. (Zitat aus: Füssel, D. (2022, August; NID Version; Gedruckt vom Sisyphusverlag 2020).
Seine Beziehung zu Marie entwickelt sich unerwartet. Seine Freundschaft mit dem etwas ausgeflippten und manchmal anstrengenden Freund Martin hindert ihn nicht daran, diesen in seine Wohnung in der Ricardistrasse als Mitbewohner mitzunehmen, nachdem er beschlossen hat, dass er es im Studentenheim nicht mehr aushält. Marie stösst in die Wohngemeinschaft dazu. Die an sich interessanten Episoden ändern sich gravierend durch ein Bild von drei jungen Frauen gemalt von einem Giovanni Ricardi, einem italienischen Maler aus dem 17. Jahrhundert, das im lokalen Museum hängt, denn Ricardi lebte eine Zeit in Wehrstadt. Das Bild strömt schon durch seine Farbe blau-weiß eine eigentümliche Kälte aus, und beeinflusst Betrachter oft in eigentümlicher Weise. Franz beschließt, über Ricardi einen Roman zu schreiben. Er findet nur Bruchstücke über Ricardis Leben, spannend zu lesen, auch hier mit manchen Andeutungen, deren wirkliche Bedeutung erst später klar wird. Zunächst glaubt man als Leser, dass es ein psychologisches Phänomen ist, wie sich das Gemälde der drei blauen Frauen auf verschiedene Menschen auswirkt, aber allmählich wird klar, dass das Bild eine besondere Magie hat, fast wie ein eigenes Leben, das mit eigentümlichen Marmorstatuen, die im Keller der Wohngemeinschaft stehen, eine enge Verbindung hat.
Mehr darf hier nicht berichtet werden, um nicht zu viel zu verraten. Das Buch geht an mehreren Stellen über die Realität hinaus, aber Leser wie auch Personen im Buch, können sich zur Not in Erklärungen wie Rauschgift, psychische Phänomene, Träume, usw. flüchten. Die Entwicklung im Buch ist genial und spannend. Es gehört zu den wenigen Büchern, die ich kenne, die man am besten nach dem Lesen noch einmal liest, zumindest das erste Drittel, weil plötzlich vieles ganz anders verstanden oder erst dann bemerkt wird.
Einen italienischen Barockmaler Maler Giovanni Ricardi im 17. Jhdt. scheint es in Wirklichkeit nicht zu geben. Allerdings findet man vom August 2019 ein „Ricardi Coat of Arms and Family Crest Notebook Journal“ bei einer Suche in z.B. Amazon. Es gibt aber einen italienischen Maler Giovanni Ricciardi. Auch Wehrstadt existiert nicht, nur Wehrstedt, ein Ortsteil von Bad Alzdefurht in Niedersachsen. Die Suche nach Wehrstadt kann zu eigentümlichen Ergebnissen führen! Eine andere Rezension des Buches findet man unter https://litrobona.com/2022/05/21/dietmar-fuessels-ricardi.
Insgesamt ist das Buch so lesenswert, dass ich ein Fan von Dietmar Füssel geworden bin: Wenn man seine Publikationsliste unter Biographien/Füssel,_Dietmar ansieht wird es klar, dass ich noch einige Zeit interessanten Lesestoff vor mir habe.
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