Kaska Bryla: Roter Affe#
Kaska Bryla: Roter Affe / Roman, Residenz Verlag, 2020 / Rezension von Guenther Johann
BRYLA, Kaska: „Roter Affe“, Salzburg Wien 2020 Der Name der Autorin ist polnisch. Sie selbst ist in Wien geboren. Aufgewachsen ist sie in Wien und in Warschau. Dieses Leben in zwei Kulturen, in zwei Welten drückt sich auch in ihrem Roman „Roter Affe“ aus. Nicht nur, dass er in Österreich und Polen handelt, werden manche Dialoge nicht übersetzt. In der deutschen Ausgabe des Buches gibt es polnische Sätze, die man als deutschsprachiger Leser nicht versteht, aber auch nicht verstehen muss. Man fühlt, was ausgedrückt werden soll. Es gibt 5 handelnde Personen: Mania und Tomek, Ruth, Zahit und Marina. Sie teilen sich auch das Erzählen im Buch und man liest das Geschehen aus verschiedensten Blickwinkeln. Es beginnt mit Tomek und Mania, die schon als Kinder befreundet sind und gemeinsam aufwachsen, obwohl sie unterschiedlichen Familien angehören. „Auch wenn sie beide in Österreich geboren wurden, hatte Tomek das polnische R im Deutschen behalten – und Mania nicht.“ (Seite 43) Die Mutter hat Polnisch zu schreiben verlernt und Deutsch überhaupt nicht mehr gelernt. „Eine doppelte Analphabetin sei sie geworden.“ (Seite 70) Mania lebt mit einer Freundin zusammen und ist nach ihrem abgeschlossenen Studium Gerichtspsychologin geworden. Sie macht eigenartige Gutachten, nach denen sich mehrere Patienten umbringen. Ihre Freundin, eine Computerhackerin löscht Dinge aus dem Netz, die unangenehm sein könnten. Mania hat auch Flüchtlingen aus Syrien geholfen und einen davon – Zahit – bei ihrem Kindheitsfreund Tomek untergebracht, der mit einem Hund und Tomeks Freundin zusammenwohnt. Tomek hat sich mit seiner Freundin von Wien nach Warschau aufgemacht, wo sie beide (wie Romeo und Julia) ihrem Leben ein Ende bereiten wollen. Mania will ihn retten. Ruth kann die Position des Mobiltelefons feststellen. Der drogensüchtige Syrer will und kann nicht alleine in Wien zurückbleiben und so fahren sie zu dritt mit einem Auto und dem Hund nach Warschau Tomek zu suchen. Eine riskante Reise, weil Zahit keine Aufenthaltsgenehmigung hat und als Drogenhändler polizeilich gesucht wird. In Polen angekommen wird die aktuelle Situation beschrieben: „… kleine, graue Gebäude aus kommunistischen Zeiten standen dicht an dicht mit mafiösen Villen und bewiesen, dass sich im Osten Europas die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart noch nicht aufgelöst hatten, um in die Zukunft des Westens überzugehen.“ (Seite 184) Als politzisch aktive Frau beschreibt die Autorin auch die gesellschaftliche Situation Polen: „Es war das Jahr 2016, ein Jahr nach den Wahlen, die das Land in ein rechtes und ein rechtsextremes Lager gespalten hatten. Im Sommer 2015 … war Tomek nach Warschau gefahren und hatte Interviews geführt. Bei den Älteren herrschte Wut und Angst, bei den Jungen eine stolze Gleichgültigkeit.“ (Seite 185) Tomek und seine Freundin haben inzwischen den Keller eines Abbruchhauses bezogen um ihr Leben zu beenden. Sie erzählen sich Geschichten. Wie es sich für Polen gehört auch eine eines Pianisten, der romantische Musik von Chopin spielt. Aber es werden alle gerettet, obwohl – in Warschau angekommen – die Wiener Suchgruppe einen schweren Autounfall hat. Die Mutter Manias eilt zu Hilfe. Der Hund erlöst Tomek und holt die sich ertränkte Freundin aus einem See. Es wirkt fast wie ein Happy End. Dem ist aber nicht so. Sobald Tomeks Freundin nach langer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wird, begeht sie Selbstmord. Ruth zieht mit dem Syrier zusammen und Mania fliegt mit einer Sexarbeiterin, die sie in Polen kennengelernt hatte, nach Indien. Sie versucht dort ihren leiblichen Vater zu finden Ihre Begleiterin fragt sie im Flugzeug „`Und was machen wir, wenn wir ihn gefunden haben?´ Mania zögerte. `Darüber habe ich noch nicht nachgedacht´, antwortete sie erstaunt.“ (Seite 227)
Kaska Bryla studierte in Wien Volkswirtschaft und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. In Leipzig gründete sie 2015 die Literaturzeitschrift „Autor_innennetzwerk PS-Politisch Schreiben“. Im Monatsmagazin „an.schläge“ arbeitete sie als Redakteurin. 2013 erhielt sie das „STARTStipendium“ und 2018 den Exil Preis für Prosa. Seit 2016 gibt sie Kurse zu kreativem Schreiben in Gefängnissen und für Menschen mit Migrationshintergrund. 2019 inszenierte sie in Leipzig die Reihe „Szenogramme“. Der vorliegende Roman „Roter Affe“ ist 2020 als ihr erster Roman erschienen. www.kaskabryla.com