Marlene Haushofer: Schreckliche Treue, Gesammelte Erzählungen#
Marlene Haushofer: Schreckliche Treue, Gesammelte Erzählungen, 2015
Spät erst kam sie zu Ruhm. Ihre Bücher wurden erst nachgefragt als sie schon gestorben war. Die vorliegende Erzählsammlung zeigt die Größe dieser Dichterin.
Detailgenau beschreibt sie Situationen und als Leser folgt man ihr zufrieden. Alles wirkt friedlich, auch nicht so schöne Situationen. Sie ist nicht nur detailverliebt, sondern auch voller Fantasien. Sei es, wenn sie vom Besucher toter Menschen spricht oder einem Mann, der sich einen Hund nimmt, um an ihm seine Wutauszulassen. Voll Phantasie auch die Aufarbeitung einer abgelehnten Liebe und ein Widerfinden in der Sterbestunde. Auch wenn es um den Tod geht wirkt es nicht traurig, ist einfach emotionell und schön. Manche Geschichten sind Zeitzeugen, wenn sie etwa auf die Kriegszeit zurück gehen oder den Umgang eines diktatorischen Vaters mit seiner Familie aufzeigt. Haushofer wird als eine der ersten Feministinnen verehrt. In ihren Geschichten versteht sie es, den dominierenden Ehemann und die unterwürfige Ehefrau sehr gut darzustellen, ohne kämpferisch aufdringlich zu wirken. Der Leser muss sich seinen Reim daraus selbst machen. So auch bei jener Frau, wo der Ehemann gönnerisch einen Geldschein über den Frühstückstisch schiebt und meint, sie solle sich neue Pantoffel kaufen. Sie aber ersteht ein Myrtenbäumchen, das ihr wichtiger erschien als neue Hausschuhe.
In vielen Geschichten geht es um Träume der Proponenten. Wirklich außergewöhnliche Erfindungen, die nur in der Nacht entstehen können. Das kann dann soweit führen – und hier verbindet sie ihre zwei Hauptthemen „Traum“ mit „feministischer Aufklärung“ – dass sich der Ehemann von der, Gruselgeschichten erzählenden Frau scheiden lassen will.
Jede Erzählung ist anders und steht für sich. In dem vorliegenden Buch wurden sie zusammengetragen. Zu Lebzeiten der Autorin in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht ergeben sie hier ein Gesamtbild.
Im Kapitel „Die Geschichte“ gibt die Autorin auch Einblick mit welchen Schwierigkeiten so manche Erzählung entstand. „Seit vielen Wochen trage ich mich mit der Absicht, eine seriöse Geschichte zu schreiben. Aber immer wieder kommt mir etwas dazwischen …“ (Seite 181) Es ist die fehlende Zeit neben der Hausfrauenarbeit und die Störungen durch die eigenen Kinder. Mit diesen Einflüssen entsteht dann aus einer „seriösen“ Geschichte eine Kriminalerzählung.
Die Erzählung „Schreckliche Treue“ gab dem Buch den Titel. Es ist aber eine traurige Geschichte, in der eine Frau in den Kriegswirren ihr Baby verliert und mit einem Mann ein neues Leben mit einer neuen Familie beginnt, ohne aber von den Gedanken des verlorenen Kindes loszukommen.
In einer Nachbemerkung erklärt Haushofer, warum sie diese Erzählungen geschrieben hat. „Um mir selber einmal eine Freude zu bereiten.“ (Seite 453) Nach zwei Romanen fühlte sie sich erschöpft und meinte, dass es keine mühsamere Arbeit als Romaneschreiben gäbe. Erzählungen zu schreiben sei dagegen eine Erholung. Aus Sicht des Lesers vermitteln die Erzählungen Erholungen, wenngleich man – bedingt durch die Verschiedenhaftigkeit und Vielfalt – das Buch nicht wie einen Roman durchlesen kann, weil man zwischen den einzelnen Geschichten eine Nachdenkpause braucht, um für das nächste Ereignis aufnahmebereit ist und gegen Verwechslungen aus dem Vorangegangenen gefeit ist.