Herfried MÜNKLER: Strategie ! Von der Kunst, mit Ungewissheit umzugehen#
Herfried MÜNKLER: Strategie ! Von der Kunst, mit Ungewissheit umzugehen, Vontobel Stiftun, 2023 / Rezension von GUENTHER Johann
Regelmäßig lässt die Vontobel Stiftung in Zürich Wissenschaftler und Schriftsteller im Rahmen einer Schriftenreihe (Broschüren) zu Wort kommen. Im März 2023 zum Thema Strategie.
Unter den derzeitigen Verhältnissen mit Russland wird zu Beginn gleich das Vorgehen Putins besprochen und dass es durch solche unvorhergesehenen Vorfällen – so auch COVID19 – zu keiner sicheren Zukunftsplanung kommen kann. „Die Planungseuphorie der 1960er und 1970er Jahre ist schon länger vorbei.“ (Seite 6) Der Autor erinnert auch daran, dass der Begriff „Strategie“ im Militärbereich entwickelt wurde und erst später in der Wirtschaft und Politik übernommen wurde. Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Resilienz sind Analysen von Bedrohungen nicht mehr ausreichend. Das Sicherheitssystem kann nicht an Experten ausgelagert werden.
Strategie wird aus der Sicht verschiedener Kulturen und Zeiten beschrieben. Beginnend in der griechischen Klassik bei Homer und Thukydides, aus denen heraus Machiavelli und Clausewitz ihre Theorien abgeleitet haben. Beide waren eng mit dem Militär verbunden: Machiavelli war mit der Neuorganisation des Florentiner Militärwesens befasst und Clausewitz war sein ganzes Leben lang Soldat. In Asien dagegen entwickelten Zivilisten die Strategie weiter und auch in der heutigen Wirtschaft haben asiatische Unternehmen einen anderen, friedlicheren Zugang zum Begriff Strategie.
Auf Staatsebene wird von der „Grand Strategy“ gesprochen. Das bedeutet, dass der Staat frei entscheiden kann. Diese kann sich militärisch mit einer Gebietserweiterung des eigenen Landes befassen oder sich als Friedensvermittler in anderen Ländern einmischen. Oft hat dieses „Einmischen“ aber das Ziel Einfluss zu bekommen. So hatte sich die Sowjetunion in Afghanistan, Großbritannien bei den Falkland Inseln und die USA im Irak engagieren.
In den westlichen Demokratien hat aber die militärische Strategie an Bedeutung verloren. Man bedient sich mehr der wirtschaftlichen und ideologischen Macht. Humanitär motivierte militärische Interventionen haben in den letzten Jahrzehnten aber nie zum Erfolg geführt. Der Balkan, Syrien, Nordafrika, die Sahelzone sind alles gescheiterte Missionen. Aus dem westlichen Denken heraus, kam es zunehmend zu Wirtschaftssanktionen, bei denen die Politik sich weitgehend auf „symbolisches Handeln beschränkt, bei dem man eigene wirtschaftliche Nachteile in Kauf nimmt, ohne dass dem ein erkennbares Einwirken auf der anderen Seite gegenübersteht.“ (Seite 45) Die in der Zeit von 2014 bis 2021 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland hatten nichts bewirkt. Im Gegenteil: Russland wurde mehr und mehr in die Arme Chinas getrieben, was für den Westen längerfristig sehr viel bedrohlicher ist. Das Modell, des Friedenschaffens mit immer weniger Waffen ist kläglich gescheitert. Die Folge davon ist eine Rückkehr zu mehr Bedeutung militärischer Kräfte.