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Gunther NEUMANN: Über allem und nichts#

Gunther NEUMANN: Über allem und nichts / Roman, Resdienz Verlag, 2020 / Rezension von Guenther Johann

Gunther NEUMANN: Über allem und nichts
Gunther NEUMANN: Über allem und nichts

NEUMANN, Günther: „Über allem und nichts“, Salzburg Wien 2020 Eine junge Pilotin erzählt aus ihrem Leben. Wie sie als Kind eine Einzelgängerin war, sich an die Sommerferien bei der Großmutter am bayrischen See erinnert. Sie studierte Naturwissenschaften. Wohnte mit einem Freund aus der Mittelschule zusammen. Später dann ihre Karriere von der Flugbegleiterin über die Copilotin zur Flugkapitänin. Ein typisch männlicher Beruf, in dem sie sich behaupten musste. Das private Leben blieb zurück. Freundschaften waren bei diesem Beruf schwierig. Der Dienst bei einer europäischen Billig-Airline verlangt von ihren Mitarbeitern das letzte. Auch Clara verausgabt sich und vernachlässigt ihr privates Leben. Viele Seiten des Buches nimmt das Herauskehren ihres Seelenlebens in Anspruch. Eine Frau, die nicht weiß welchen Mann sie vertrauen, lieben soll. Die nur eines im Sinn hat: Karriere als Pilotin großer Flugzeuge. Der innere Zwist frisst an ihr, verunsichert und destabilisiert sie. Sie hat Angst, dass ihre innere Unausgeglichenheit sichtbar wird und dabei ihre Karriere negativ beeinflussen könnte. Sogar vor den Maschinen und Computern fürchtet sie sich. „Wann wird es soweit sein, dass eine verpflichtende App das unterdrückte Zittern deiner Stimme und Mikrosensoren deinen biometrischen Status online an ein Kontrollzentrum weiterleiten? Dann bist du ein Datenpaket, ein Algorithmus wird mehr über dich wissen als du selbst; du wirst dich in einer Datenwolke auflösen, wirst ersetzt werden, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert, die Maschine wird dich nicht mehr brauchen und selbst fliegen, vielleicht verlässlicher als ein verrückter Copilot, der den Flieger in einen Berg crasht. Aber du bist ja jetzt schon eine Maschinenfrau, denkt sie im Cockpit, lacht noch fahrig, du siehst nicht einmal mehr die Wolkengebilde draußen, denkt sie, bevor ihr entfleischtes Ich im Taumel der aerodynamischen Gaukelei letzte Reste von Körperempfinden verliert.“ (Seite 123) Alles kam bei dieser Frau durcheinander. Nicht nur seelisch, auch körperlich. „Auf jeden Fall hatte sie keine tiefen Eindrücke mehr außer Bauchschmerzen, Hunger, Tag, Nacht, innere Uhr, Raster aus Rhythmen, ihr Stoffwechsel war durcheinander. Auf drei Tage Verstopfung folgte in Santo Domingo Durchfall …“ (Seite 118) Sie war nirgends zu Hause. Immer unterwegs. „Sie war unterwegs und kam nicht vom Fleck.“ (Seite 116) Bei ihren schlaflosen Nächsten denkt sie nach und erzählt dem Leser auch von ihren Großeltern. Der Großmutter die noch an das Deutsche Reich glaubte. Natürlich kommt auch der berühmte Pilot Saint-Exupéry zu Wort: „Liebe sei nicht, einander anzustarren, sondern in die gleiche Richtung zu schauen.“ (Seite 84) Das Problem ihrer Liebesprobleme liegt auch an ihrer technischen Ausrichtung „Zwischen Null und Eins war kein Platz für Gefühlsduselei. Sorgen galten den Turbinengeräuschen, nicht ihr.“ (Seite 20) Sie schaffte es letztlich Kapitänin zu werden. Doch dieser Höhenflug dauerte nicht lange: die Flugfirma ging pleite und sie verlor den Job. Jetzt stürzte sie noch tiefer. Schlaftabletten waren zu schwach um Schlaf zu bieten. Erst als sie sich entschied auf ein Ehe- oder Familienleben zu verzichten und sich dem Beruf des Fliegens zu widmen nahm sie einen Job in Tansania an und sie war seelisch geheilt. Stilistisch ist das Buch in kurzen Sätzen, manchmal nur Stichwörtern geschrieben. Ein Stil, der viel Information in wenig Worten vermittelt. Letztlich lässt sich der Inhalt aber mit zwei Sachbegriffen zusammenfassen: Flugzeugtechnik und Psyche.