Maximillian Moser: Waldeskind#
Maximillian Moser: Waldeskind / Die Bedeutung von Wald und Natur für die Entwicklung unserer Kinder, Servus Verlag bei Benevento Publishing, 2022 / Rezension von Hermann Maurer
Dieses Buch enthält mehrere nette Geschichten und schöne Bilder, etwa „Im Rhythmus des Waldes“ oder schon fast am Ende „Von der Erschaffung und von der Vertreibung aus dem Paradies“.
Insgesamt ist es von einem Menschen verfasst, der Wissenschaftler war und zu einem grünen Schwärmer wurde; und es ist für grüne Träumer geschrieben. Es enthält viele Behauptungen, die von einzelnen Menschen als wahr angesehen werden, obwohl sie keinesfalls von der Mehrheit der Forscher anerkannt sind. Mag jeder der will an den Vorteil des Waldbadens, an das Kinderstillen in der Natur, oder an Waldschulen glauben, in denen sich Kinder spielerisch wohlfühlen und sich körperlich bestens entwickeln aber (das vermute ich) bei gleichem Engagement der Unterrichtspersonen weniger Denken und Wissen erlernen.
Was das Buch sicher vermittelt ist der Wert der intakten Natur, wobei Wiesen, Almen, Seenlandschaften, Flüsse, … im Vergleich zu Wäldern zu kurz kommen. Dass ein ruhiger Aufenthalt in der Natur entspannt und glücklich stimmt bezweifelt wohl niemand. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob die Technik an der Zurückdrängung der Natur schuld ist, oder die ständig wachsende Bevölkerung. Um 1900 lebten auf der Welt etwa 1,3 Milliarden Menschen, nun sind es mehr als 8 Milliarden, und allein in Afrika (wo Menschen lange sehr naturverbunden leben mussten) kommen bis 2100 mindestens 1,5 Milliarden dazu, die (etwa zum Kochen) noch mehr abholzen und dort Landstriche de facto in Wüsten verwandeln. Als ich in die Volksschule ging, hatte Österreich 6 Millionen Einwohner, heute sind es über 9 Millionen, die Touristen im Sommer nicht mitgezählt. Und da soll man als Stadtbewohner noch ein ruhiges Stück Wald ohne Lärm finden?
Einige Darstellungen stören. Da wird behauptet der IQ (bei Rekruten) sinkt jährlich, weil sie durch Filme, Computer, Computerspiele usw. nicht mehr genug mit der Natur in Verbindung sind und daher (!) Intelligenz verlieren. (Also waren die techniklosen Urmenschen offenbar viel intelligenter als wir es jetzt sind???) Dass ein Wissenschaftler den schon lange verpönten IQ als Messung für Intelligenz verwendet ist verwunderlich: Misst man den IQ, dann misst man mit Fragen, die an die Situation angepasst sind. Da die Standard IQ Fragen nicht auf moderne Technik eingehen, schneiden mehr technisch orientierte Personen schlecht ab. Würde man die Fragen der Zeit anpassen, dann würden viele (vor allem ältere) Personen schlechte Werte haben, weil sie von WLAN, WWW, Facebook, TicToc, Quantencomputer usw. keine Ahnung haben.
Dass der Waldboden von Myzel durchzogen ist und Bäume verbindet ist genauso wohlbekannt wie dass Pflanzen in dem Sinn wandern, dass sie ihren Standort im Laufe der Zeit verändern, zu Stellen, die für sie günstiger sind. Das kann jeder beobachten, der einen Garten hat. Damit aber dann allen Pflanzen gleich eine Art Bewusstsein zuzuschreiben, Pflanzen und Blüten singen lasen, usw. geht doch recht weit.
Besonders ärgerlich ist es, dass vom Wald so geredet wird, als gehört er uns allen. So leid es mir tut, er gehört entweder Personen oder Gemeinden, dem Bund etc. Und überall gelten relativ strenge Regeln: Der Autor schreibt „Man sollte möglichst auf Wegen bleiben“ und ignoriert die Gesetze, die ein Verlassen der Wege verbieten, übrigens auch für freilaufenden Hunde, die das Wild vertreiben, auf Wiesen Rückstände hinterlassen, die das Gras als Futter untauglich machen… einer der Hauptgründe warum überall mehr Stacheldrahtzäume entstehen und Wege immer mehr verboten werden! Da wird von romantischen Lagerfeuern erzählt (die man fast nirgends mehr anzünden darf), vom 1000 Stern Hotel (Übernachtung im Schlafsack in der „Wildnis“): Das ist in Österreich nur erlaubt, wenn man bei einer Wanderung wegen einer Verletzung nicht mehr zur nächsten Hütte kommen kann… oder auf Privatgrund. Der Verfasser des Buches lebt in einer vergangenen Welt.
Um klar zu stellen: Obwohl ich beruflich Informationstechniker bin, glaube ich, dass diese Technik viel zu stark und schnell oft nicht notwendige und schlecht durchdachte Anwendungen einführt. Ich war z.B. schon früh ein Fan von Computernetzen, weil ich damit auf die bessere Verbreitung von Wissen für alle gehofft habe. Was ist passiert? Das Internet liefert ein totales Chaos: Für jede Aussage gibt es auch deren Gegenteil. Ein Grund ist, dass man anonym jeden Unsinn verbreiten kann: Warum ist das erlaubt bzw. warum wird es akzeptiert? Warum muß nicht jeder Beitrag einen Autor haben, der mit Sicherheit feststeht, wie es vor 30 Jahren in Bildschirmtext schon gewesen ist! Anders formuliert: Man sollte nicht jede Technik kritisieren, die in vielen Bereichen auch Wichtiges leistet (in der Medizin, in der Klimaforschung, usw.) sondern falsche Anwendungen. Dass in dem Buch so nebenbei auch Gentechnik negativ behandelt wird ist typisch. Es wird übersehen, dass wir nur mit Gentechnik Weizen auf trockenen Böden anbauen werden können, dass heute schon über 60% des Maisanbaus gentechnisch entwickelte Sorten verwendet, dass viele Krankheiten nur gentechnisch bekämpft werden können, und die Zahl dieser Krankheiten wird immer größer. Der Glaube, dass Natur meist gut ist (guten Appetit beim Speisen von Tollkirschen, Knollenblätterpilzen, usw.) und Technik meist schlecht ist, mag grün sein, aber ein zu einfaches Grün.
Dass herrschende Meinungsströme die Medien, eben inklusive Buchautoren beeinflussen (vielleicht ist ja dann auch das Produkt besser zu verkaufen) ist schade und verwundert besonders bei einem hochqualifizierten Wissenschaftler wie Maximilian Moser, dessen Buch ich nur wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen gelesen habe, hier ein winziger Auszug: Univ.-Prof. Dr. Maximilian Moser wurde 1956 in Klagenfurt geboren. Er studierte an der Universität Graz Biologie und Medizin. Moser wirkte nicht nur bei Studien mit, in denen die „positive Wirkung“ des Zirbenholzes auf unseren Körper nachgewiesen wurde, sondern auch bei hochtechnischen Projekten wie etwa Austromir. Der fünffache Vater ist Professor an der Medizinischen Universität Graz und leitet das Human Research Institut für Gesundheitstechnologie und Präventionsforschung.
Wer soll also das Buch lesen? Grüne Träumer, und alle anderen, die einmal sehen wollen, wie verschieden auch gute Naturwissenschaftler die Welt anders sehen, und sich auch nach kurzen einschlägigen Studien berufen fühlen, über (esoterische?) psychologische Ergebnisse zu schreiben.