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Hasso Hohmann: Ziegelgitter in der Steiermark#

Hasso Hohmann: Ziegelgitter in der Steiermark / Form, Funktion und Konstruktion; Ursprung, Zustand und Zukunft, Academic Publishers Graz, 2022 / Rezension von Hermann Maurer

Hasso Hohmann: Ziegelgitter in der Steiermark
Hasso Hohmann: Ziegelgitter in der Steiermark

Das Buch ist im Grunde ein Sachbuch, so dass Teile vielleicht nur für Spezialisten interessant sind: Aber die allgemeine Einleitung und die vielen beeindruckenden Bilder wohl für jeden.

Es ist auch viel mehr als ein Sachbuch: Es ist in einem gewissen Sinn ein Archiv, denn es ist vielleicht die einzige umfassende Darstellung dieser nicht-urbanen Baukunst, die nur in Einzelfällen überleben wird, wie noch erläutert wird.

Der Ausgangspunkt für alles im Umfeld Ziegelgitter ist eine physikalische Tatsache: Wenn noch nicht ganz trockenes Heu in einem Gebäude (typisch in einem Dachboden oder einer Hütte) gelagert wird, muss es dauernd belüftet werden, um die durch den Gärungsprozess erzeugte gefährliche Hitze (die bis zu Selbstentzündung gehen kann) zu vermeiden. In den meisten Ländern geschah das, indem man beim Bau z.B. vertikale Spalten offen ließ, um so einen Luftdurchzug zu erreichen. Hütten oder Dachböden wurden schon immer für das Trocknen und trocken Aufbewahren von Heu verwendet.

Anfangs oft aus Holz gefertigt setzen sich allmählich aus Ziegel gemauerte Strukturen wegen der damit verringerten Feuergefahr durch, wodurch die Anordnung von Ziegeln mit Lücken dazwischen erst möglich wurde.

In Teilen der Steiermark hatten Bauern oft genug finanzielle Reserven, dass sie nicht selbst eine Hütte oder einen Dachboden für Heu bauen mussten, sondern dass sie dafür professionelle Maurer, typisch aus Friaul, anheuerten, die dann zur Durchlüftung in den Ziegelwänden Lücken so aussparten, dass sich oft beeindruckende Mosaike und Muster ergaben.

Dort wo man aus Kostengründen auf professionelle Maurer mehr oder minder verzichtete, wurden die die Ziegelgitter mit Nachbarschaftshilfe gebaut, wobei man bei den Lücken diese bewusst so anordnete, dass sie nicht nur eine Durchlüftung garantierten, sondern durch ihre Gestaltung auch böse Geister wie etwa den Feuerteufel daran hindern sollten einzudringen. Abb.1 enthält ausschließlich kreuzförmige Öffnungen, die böse Geister oder ein Teufel nie durchfliegen würden.

Ziegelgitter
Ziegegitter mit Kreuzen aus Kraubath

Abb.1.: Dieses Beispiel aus Kraubath hat nur kreuzförmige Öffnungen und sorgt daher neben der Durchlüftung auch dem Schutz des Gebäudes vor z.B. Teufeln.

Inzwischen zeichnet sich eine neue Entwicklung ab: Man verpackt das fast trockene Heu in Ballen, die durch eine Plastikumhüllung zusammengehalten werden und lässt sie so einfach auf den gemähten Wiesen liegen. Damit erübrigt sich der Bau eigener Aufbewahrungsorte für Heu, was dazu führt, dass kaum neue Ziegelgitter gebaut werden, und existierende oft nicht gepflegt und durch Umbauten oder Abrisse verschwinden. Tatsächlich berichtet der Buchautor, dass seit seinem ersten Buch über Ziegelgitter im Jahre 1975 die Anzahl der Bauten mit Ziegelgittern auf etwa die Hälft geschrumpft ist, und ein weiterer Rückgang zu erwarten ist. Der Autor plädiert für die Erhaltung schöner Ziegelgitter, selbst wenn sie nicht mehr für die Durchlüftung von Heu notwendig sind, damit diese schöne nicht-urbane Kunstform in bescheidenem Umfang und sei es funktionslos bestehen bleibt.

Die obigen Zeilen sind eine ganz unvollständige und sehr verkürzte Darstellung der ersten ca. 30 Seiten des Buches , die viele faszinierende Fakten über Ziegelgitter berichten, z.B. dass es optisch Ähnliches schon viel früher auf einigen griechischen Inseln gab, nämlich für Taubenhäuser. Der Hauptteil des Buches (270 Seiten) beschäftig sich mit Beispielen von Ziegelgittern in der Steiermark, vor allem geglieder nach den Motiven in Ziegelgittern, ihrer Herkunft und den Einfluss von verschiedenen Kunstrichtungen, alles belegt mit beeindruckenden Fotos und Erklärungen, die der Autor in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen hat und hier erstmal in großem Umfang der Öffentlichkeit vorstellt.

Tiegelgitter
Ziegelgitter aus Großsulz

Abb.2.: Ein Ziegelgitter aus Großsulz als schönes Beispiel für den Einfluss der Neugotik.

Nicht nur die Vielfalt wird alle Leser überraschen, sondern dass ihnen nach dem Studium des Buches Ziegelgitter an Häusern auffallen, die sie früher nie „gesehen“ (beachtet) hätten.

Das Buch, das sich als das Standardwerk zu Ziegelgittern etablieren wird, ist allen Menschen, die an einer Mischung von Geschichte, Architektur und Kunst Interessiert sind sehr zu empfehlen.