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Ausnahmezustand? Nein, nur eine Ausnahmesituation #

Gastkommentar in der Presse am 12.2.2021 VON JANKO FERK

Die Coronapandemie bestimmt seit einem Jahr – wie selten etwas davor - unser Leben. Wir befinden uns aber noch (lang) nicht in einem Ausnahmezustand, wie uns manche in populistischer Art vortäuschen wollen, sondern in einer Ausnahmesituation.

Der Gesetzgeber wendet Maßnahmen an, die bereits mit Polizeistaatmethoden verglichen werden. Bei einer großen Gefahr, die Pandemie ist eine solche, können Grundrechtseingriffe gerechtfertigt sein. Können! Damit wird die Verfassung nicht ausgesetzt, sondern angewendet. Nebenbei bemerkt, wir alle haben anlässlich des Ibiza-Skandals erkennen können, welches Meisterwerk dem Legisten Hans Kelsen mit unserer Verfassung gelungen ist.

In dieser Zeit muss man den Personen, die das Heft in der Hand haben, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, was bisher nicht einmal im Ansatz gelungen, sondern eher misslungen ist, einen Spielraum zubilligen. Würde man ihnen diesen versagen, wären sie handlungsunfähig. Am besten ist und wäre ein genug großer Vertrauensvorschuss. Wir können nämlich noch immer darauf bauen, dass niemandem geschadet werden soll. Die Querschüsse werden von jenen abgegeben, die nicht (mehr) an der strukturellen Macht beteiligt sind. Und noch eines: Die Untätigkeit der Regierenden käme der politischen Variante der unterlassenen Hilfeleistung gleich. Die rechtliche ist strafbar.

Verständlich ist, dass auch Menschen, die stabil sind, in der „Wohnhaft“ langsam einen Lagerkoller bekommen. Die Kontaktverbote können schließlich in völliger Einsamkeit und auswegloser Verzweiflung enden. Die Maßnahmen muten autokratisch an, sind aber zum Teil notwendig. Wer dies bei den veröffentlichten Todeszahlen und den täglichen Neuinfektionen nicht zur Kenntnis nehmen will oder sogar behauptet, die Pandemie sei eine Einbildung, dem kann nicht wirklich geholfen werden.

Der Gesetzgeber hat hier das Recht, Maßnahmen zu treffen, die unsere Grundrechte nicht ein-, sondern beschränken, freilich nur, so lang es aus Gründen des Ernsts der Lage erforderlich ist. Das Aufrechterhalten der Beschränkungen nach der Krisensituation wäre ein Schritt in Richtung Willkürherrschaft. Im Vertrauen auf den aufgeklärten Rechtsstaat kann man davon ausgehen, dass die Ausnahmesituation sofort beendet werden wird, wenn keine weitere Gesundheitsgefahr besteht. Bis dahin hat jeder Mensch in Österreich mit seinem Verhalten beizutragen, dass wir Herr der Lage werden. So viel Solidarität müsste selbstverständlich sein. Unverständlich mutet daher an, dass Vereinigungen, die sich sonst staatstragend gebärden, zu Demonstrationen und der Missachtung von empfohlenen oder vorgeschriebenen Maßnahmen aufrufen sowie völlig abstrusen Verschwörungstheorien Vorschub leisten.

In dieser Situation ist nicht das Aufsperren von Möbelgeschäften und Textildiskontern die erste Sorge, sondern ist die vordringlichste Aufgabe eine vernünftige und erfolgreiche Verhandlung mit den Impfstoffherstellern sowie ein von Intelligenz geprägter Impfplan, der in absehbarer Zeit zur Eindämmung der Pandemie und vor allem der Ängste unserer Bevölkerung führt. Auf längere Sicht zu einem postnormalen Leben ohne Masken und Verbote. Ohne Kontaktbeschränken und Shutdowns.

Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu Literaturwissenschaften. Zuletzt erschien sein wissenschaftlicher Essayband „Kafka, neu ausgelegt“ (Leykam Verlag, Graz).