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Immunität gegen Covid-19 hält doch an#

Corona-Patienten haben genug Antikörper, um eine erneute Infektion zu bekämpfen, zeigt eine neue Studie.#


Von der Wiener Zeitung (22. Juli 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Eva Stanzl


Bis zu einer Impfung gegen Corona müssen noch viele Testreihen gemacht werden
Bis zu einer Impfung gegen Corona müssen noch viele Testreihen gemacht werden.
Foto: © apa/afp

Schwerer Verlauf versus Symptomfreiheit: Mehr als 600.000 Menschen sind bisher an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Andere - und das ist der Großteil - merken gar nicht, dass sie sich angesteckt haben, und gehen unbeeinträchtigt ihrem Alltag nach. Wiederum andere leiden an Schnupfen, Kopfweh, Fieber, Geruchs- und Geschmacksverlust. Und wieder andere laborieren wochenlang an bellendem, trockenem Husten und schwerer Atemnot.

So facettenreich wie das Krankheitsbild ist offenbar auch die natürliche Antwort des Immunsystems auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus. In manchen Fällen bildet der Körper Antikörper, die vor einer neuen Infektion mit Sars-CoV-2 schützen, in anderen Fällen nicht.

Neuesten Erkenntnissen zufolge entwickeln Corona-Patienten mit mittleren bis schweren Krankheitsverläufen in vielen Fällen dauerhaft so viele natürliche Antikörper, dass sie eine erneute Infektion mit dem Virus vermutlich abwehren können. Zu diesem Ergebnis kommt ein deutsch-chinesisches Team in einer noch unveröffentlichten Studie an 327 Covid-19-Patienten in der chinesischen Metropole Wuhan, wo die Ausbreitung der Seuche Ende des Vorjahres begann. Die Testpersonen zählen zu den weltweit ersten infizierten Menschen.

Schutz gegen Zweitinfektion#

Die Ergebnisse könnten bedeuten, dass die Seuche wie erhofft mit einer Impfung, die eine stabile Immunreaktion hervorruft, bekämpft und bei einer weltweiten Durchimpfung ausgelöscht werden könnte. Bei mehr als 80 Prozent der genesenen Probanden seien sechs Monate nach der Erkrankung noch biologisch aktive Antikörper nachgewiesen worden, die fähig seien, das Virus unschädlich zu machen, erklärt der Virologe Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen, im Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur. Die Ergebnisse der Untersuchung würden einem Fachmagazin zur Begutachtung vorgelegt.

Alle untersuchten Patienten seien im Krankenhaus behandelt worden, berichtet der Virologe. Die Reaktion ihres Immunsystems decke sich mit jener bei anderen Viruserkrankungen: "Eine Antikörper-Antwort gegen Viren wird in der Regel schnell hervorgerufen. Die Menge an Antikörpern steigt zuerst stark an, erreicht dann einen Höhepunkt, fällt danach wieder ab und stabilisiert sich schließlich auf einem Niveau, das Schutz gegen eine neue Infektion vermitteln kann."

In den vergangenen zwei bis drei Monaten des jeweils sechsmonatigen Untersuchungszeitraums bei den chinesischen Covid-19-Patienten sei die Antikörper-Menge relativ stabil geblieben. "Ich glaube, dass daraus folgt, dass wir zumindest eine Zeit lang von einer Immunität nach einer durchgemachten Erkrankung ausgehen können", fasst Dittmer zusammen.

Wie lange hält Immunität?#

Dies könne bedeuten, dass eine Impfung einen länger anhaltenden Schutz vermitteln könne - sofern der Impfstoff in der Lage ist, ähnlich stabile Antikörper-Antworten wie eine Covid-19-Erkrankung auszulösen. Wie lange solch eine Immunität anhalte, sei noch unbekannt. "Nach der aktuellen Studie muss man aber zumindest von mehreren Monaten, vermutlich sogar Jahren ausgehen."

Dittmer betont auch, dass bisher noch kein eindeutig nachgewiesener Fall bekannt sei, bei dem ein genesener Patient erneut mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert wurde. Derartige Berichte seien kaum bestätigt, die Fallzahl zu gering.

Vergangene Woche hatte eine Studie des King’s College in London Hoffnungen auf eine lang anhaltende Immunität und damit auf eine lange Wirksamkeit einer Impfung erheblich gedämpft. Das britische Team hatte 90 an Covid-19 erkrankte Personen im Zeitraum zwischen März und Juni wiederholt getestet und in einigen Fällen ein deutliches Absinken der Anzahl von neutralisierenden Antikörpern, die das Virus zerstören, im Blut festgestellt.

Anderen Berichten zufolge sinkt der Antikörperspiegel, der vor einer neuerlichen Infektion schützen soll, gerade bei Menschen mit leichten Verläufen schnell wieder ab, da diese teilweise nur eine geringe Zahl von Antikörpern entwickeln müssen, um Sars-CoV-2 zu bekämpfen. Und aus Österreich wurde kürzlich bekannt, dass weitaus weniger der Infizierten schützende Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt als erhofft.

In einer an der Medizinuniversität Wien durchgeführten Studie wurden 1650 Beschäftigte in Wien im Zeitraum zwischen Anfang und Mitte April getestet. "Wir haben die Seroprävalenz untersucht. Das heißt, wir wollten wissen, ob ein Kontakt zum Virus, der nur leichte Symptome auslöste, neutralisierende Antikörper, die den Erreger effektiv zerstören, auf den Plan gerufen hat", sagt Studienleiterin Ursula Wiedermann-Schmidt zur "Wiener Zeitung". Das Ergebnis: "Zwei Prozent der Probanden bildeten Virus-reaktive Antikörper, aber nur 0,9 Prozent davon neutralisierende Antikörper." Als Nächstes wolle man prüfen, ab welchem Zeitpunkt nach der Krankheit ein Abfall der Antikörper-Konzentration im Blut sichtbar wird.

Komplexe Realität#

Wie ist die Qualität der Immunantwort und wie lange hält sie an? "Wenn man versteht, wie die natürliche Immunität aussieht, kann man ableiten, welchen Impfstoff man machen will. Wenn die Immunität rasch verloren geht, dann stellt sich die Frage, was man am Impfstoff verbessern muss, um sie zu verlängern", betont Wiedermann-Schmidt, denn: "Die natürliche Immunität stellt sich so facettenreich dar wie die Erkrankung selbst."

"Die Illusion, die man nehmen muss, ist, dass eine Impfung gegen Covid-19 ein Leben lang hält", sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing. "Es könnte auch bei einem Covid-19-Impfstoff sein, dass man wie bei der Influenza-Schutzimpfung regelmäßig wieder geimpft werden muss." Es ist nicht ungewöhnlich, dass Impfungen aufgefrischt werden.

Wiener Zeitung, 22. Juli 2020