Vier von fünf Pflegerinnen aus Rumänien und der Slowakei#
Weitere Grenzschließungen und Reisebeschränkungen infolge des Coronavirus würde Österreichs Pflegewesen vor massive Probleme stellen.#
Von der Wiener Zeitung (14. März 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt
Wien. Offen war sie, die österreichisch-slowakische Grenze in Kittsee. Die slowakische Grenzpolizei führte am Freitag aber Kontrollen durch. Wie lange dieser Zustand anhält, kann angesichts des Coronavirus derzeit niemand seriös abschätzen. Fest steht jedoch bereits jetzt: Folgt die Slowakei dem Beispiel ihres Nachbarn Tschechien und schließt die Grenzen zu Österreich, steht das heimische Pflegewesen vor einem massiven Problem.
Denn die 24-Stunden-Pflege hängt maßgeblich von Slowakinnen ab, wie ein Blick auf die Statistik der Wirtschaftskammer zeigt: An die 28.000 Pflegekräfte – die allermeisten Frauen – sind als selbständige Personenbetreuer gemeldet. Sie machten damit rund 38 Prozent der insgesamt 64.000 aktiven Gewerbetreibenden im Jahr 2018 aus.
Mittlerweile ist dieser Anteil gesunken auf ein Drittel. Stärker vertreten sind Personen aus Rumänien. Gut 46 Prozent der Pflegekräfte kommen von dort. Das heißt, knapp 80 Prozent der selbständigen Personenbetreuer stammen aus der Slowakei und Rumänien. Mit sechs Prozent aller Personen folgt Kroatien auf Rang drei. Und Österreicherinnen sind in diesem Gewerbe nahezu gar nicht vertreten. Mit rund 1000 Personen stellen sie 1,6 Prozent der Pflegkräfte.
Können die Menschen aus den Nachbarländern wegen der Reisebeschränkungen nicht mehr die Grenzen überqueren, droht ein Engpass in der 24-Stunden-Betreuung. Davor hat bereits der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker gewarnt. Würden die Grenzen geschlossen, hätte Österreich „schlagartig“ ein riesiges Problem. Beratungen starteten daher schon zwischen Wirtschaftskammer, Sozial- und Außenministerium. Außerdem liefen zwischen den Ländern bilaterale Verhandlungen.
Es gelte rasch personellen Ersatz zu finden, sagte Birgit Meinhard-Schiebel von der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger im Ö1-„Mittagsjournal“ am Freitag. Die drohenden Ausfälle stellten eine „gewaltige Herausforderung“ dar. Meinhard-Schiebel plädierte für eine Ausnahmeregelung, etwa die Grenzen für Betreuerinnen aus dem Osten offen zu lassen. Zudem müssten Ersatzoptionen geschaffen werden.
Auch Trägerorganisationen wie etwa die Caritas wünschen sich Ein- und Ausreisemöglichkeiten für die Pflegenden. Sollte es nämlich zu einem Personalmangel bei den Betreuerinnen kommen, würde für die betroffenen Familien viel zusammenbrechen, erklärte Generalsekretär Bernd Wachter der Austria Presseagentur. Derzeit gebe es zwar noch keine Engpässe. Dennoch bestehe Sorge, wie Ein- und Ausreisen künftig geregelt werden.
800 Menschen sind für den Verein „Caritas Rundum Zuhause betreut“ im Einsatz. Sie kommen vor allem aus der Slowakei, Rumänien, Ungarn und Bulgarien und kümmern sich um rund 400 Personen. „Noch können wir alle Personen betreuen“, betonte Wachter. Die Reisebeschränkungen wegen der Corona-Krise könnten dies aber bald ändern.
Ausnahmeregelungen oder Reiseerleichterungen für in der 24-Stunden-Betreuung tätige Personen forderte auch Christoph Lipinski, Wiener Landesgeschäftsführer der gewerkschaftlichen Initiative für Ein-Personen-Unternehmen vidaflex. „Erste Ansätze von Panik“ wegen der Reiserestriktionen, ortete Elisabeth Zahn, vidaflex-Sprecherin für die 24-Stunden Betreuung, bereits unter ihren Kolleginnen aus Ländern wie der Slowakei, Tschechien oder Rumänien. „Viele haben Angst, ob sie nach Österreich überhaupt einreisen können, oder ob sie von Österreich wieder zu ihren Familien kommen werden“, berichtete Zahn.