Soziales Leben auf Sparflamme#
Großteil der Geschäfte wird geschlossen, Supermärkte bleiben offen. Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne.#
Von der Wiener Zeitung (14. März 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt
Von
Daniel Bischof
Die türkis-grüne Bundesregierung hat am Freitag weitere Maßnahmen erlassen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Ab Montag werden alle Geschäfte, die nicht für die Grundversorgung benötigt werden, geschlossen. Offen bleiben etwa die Supermärkte, Banken, Apotheken, Drogerien und Tankstellen. Restaurants, Bars und Cafés haben bis 15 Uhr geöffnet, Lieferservices sind von der Einschränkung nicht betroffen. Auch der öffentliche Verkehr, die Notfall-Dienstleistungen wie die Feuerwehr und die Wartung kritischer Infrastruktur werden fortgeführt. Die neuen Schließungen sind auf eine Woche befristet, Verlängerungen sind möglich.
„Ab Montag müssen wir unser soziales Leben auf ein Minimum reduzieren“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Österreich werde nicht auf Dauer, „aber auf Zeit auf Minimalbetrieb herunterfahren müssen“. Der Regierung sei vollkommen bewusst, dass es sich um sehr harte Einschnitte handle, sie seien aber zur Bekämpfung des Coronavirus notwendig. Mit Stand Freitagnachmittag gab es bundesweit 504 bestätigte Corona-Infizierungen.
Um die Versorgungssicherheit mit Medikamenten und Alltagswaren zu sichern, werden die Wochenendfahrverbote für Lkw ab 7,5 Tonnen österreichweit ab sofort ausgesetzt, „vorerst bis 3. April“, so Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Neue Flugverbote#
Die Bundesregierung stellte am Freitag zwei Gebiete unter Quarantäne: das Tiroler Paznauntal und St. Anton am Arlberg. Betroffen sind rund 9500 Einheimische. In den Gebieten – vor allem im Tourismus-Hotspot Ischgl – waren in den vergangenen Tagen zahlreiche Corona-Erkrankungen bekannt geworden. Auf den Zufahrtsstraßen werden nun Kontrollen durchgeführt. Ausländische Gäste, die sich in den Gebieten aufhalten, werden aufgefordert, möglichst schnell und ohne Zwischenstopp auszureisen.
Kontrollen gibt es nun auch an der Grenze zur Schweiz und zu Liechtenstein. Der Warenverkehr soll aufrecht bleiben, auch sollen Berufspendler weiter die Grenze überqueren können. Für die Schweiz, Spanien und Frankreich wurden Flugverbote erlassen. Für diese drei Staaten – sie verzeichnen besonders viele Corona-Infizierungen – gilt die höchste Reisewarnstufe. Das Außenministerium rief alle österreichischen Reisenden und Touristen auf, nach Österreich zurückzukehren.
Falschmeldungen kursieren#
Neuigkeiten gab es auch zu den Schulschließungen: Ab Montag dürfen alle Schüler daheim bleiben. Zwar findet am Montag und Dienstag an den Schulen für unter 14-Jährige an sich noch ein regulärer Unterricht statt, die Kinder müssen ihn allerdings nicht besuchen. Sie gelten bei Nichterscheinen automatisch als entschuldigt. Am Mittwoch gibt es dann wie geplant keinen regulären Unterricht mehr. Schüler unter 14 Jahren ohne Betreuungsmöglichkeit daheim werden am Schulstandort betreut.
Wie wichtig der Kampf gegen Falschmeldungen ist, zeigte sich am Freitag: In den sozialen Medien kursierten zahlreiche Meldungen, wonach demnächst alle Supermärkte geschlossen werden würden. Wohl auch deshalb bildeten sich am Vormittag lange Schlangen, Kunden wurden teilweise nur mehr blockweise hineingelassen, private Sicherheitskräfte bewachten die Eingänge.
Eine Sprecherin der Lebensmittelkette Spar stellte klar: „Wir werden selbstverständlich geöffnet halten – und das auch in der nächsten Woche. Es ist auch genügend Ware vorhanden, auch für die Zukunft.“ Die Öffnungszeiten werden nicht gekürzt. „Wir bitten die Kunden, ruhig und besonnen einkaufen zu gehen. Wir werden die Versorgung auch in Zukunft sicherstellen“, so die Sprecherin. Auch die Filialen anderer Lebensmittelunternehmen bleiben uneingeschränkt offen.
Angesichts der grassierenden Falschmeldungen mahnte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zu besonderer Vorsicht beim Nachrichtenkonsum. Er verwies auf die behördliche Informationshotline 0800-555-621 , an die sich besorgte Bürger wenden können.
„Es ist besonders wichtig, den Informationskonsum zu entschleunigen und auf die Quellen zu achten. Man muss sich Zeit nehmen, sich zu fragen: Sind das Behauptungen oder Fakten?“, sagt Andre Wolf, Pressesprecher des Faktencheckportals mimikama.at. Jeder könne helfen, Falschmeldungen einzudämmen, indem man nicht alles, was man geschickt bekomme, weiterverbreite.
Justizbetrieb eingeschränkt#
Auch die Justiz fährt künftig auf Sparflamme. Sie schränkt ihren Betrieb ein, der Parteienverkehr wird auf ein Minimum reduziert. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften werden von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) angehalten, alle Verhandlungen und Vernehmungen in „nicht dringenden Angelegenheiten“ abzuberaumen. Die Entscheidung darüber obliegt den Richtern. Das Ministerium könne und wolle nicht in die unabhängige Rechtssprechung eingreifen, so ein Sprecher zur „Wiener Zeitung“.
„Wir können natürlich nicht einfach zusperren“, sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Österreichischen Richtervereinigung. Es werde weiterhin natürlich unaufschiebbare Angelegenheiten geben. Dazu zählen etwa einstweilige Verfügungen im Gewaltschutz und die Verhängung der Untersuchungshaft. „Es gibt aber auch sehr viele Termine, die einen Monat später wahrgenommen werden können“, so Matejka.
Weitere Maßnahmen betreffen den Strafvollzug. In den Justizanstalten werden eigene Isolationsabteilungen geschaffen. Neue Häftlinge werden dort in Einzelhaft untergebracht. Zeigen sie innerhalb von 14 Tagen keine Symptome, werden sie in die gewöhnlichen Strafabteilungen verlegt.