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„Ein unglücklicher Moment, und Covid-19 breitet sich rasch aus“#

Syrien ist von der Pandemie bis jetzt weitgehend verschont geblieben. Hauptgrund ist die Isolation des Landes.#


Von der Wiener Zeitung (9. Mai 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von WZ-Korrespondent

Markus Schauta


Freitagsgebete können wieder stattfinden – wenn auch unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen
Freitagsgebete können wieder stattfinden – wenn auch unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen.
Foto: reuters/Omar Sanadiki

Damaskus. Es wäre, verglichen mit Verbreitungskurven in anderen Ländern, eine sehr niedrige Ansteckungsrate. Bis Ende April testete das Labor in Damaskus 2000 Personen. Am 5. Mai meldete das Gesundheitsministerium 44 mit dem Coronavirus Infizierte, drei Menschen seien am Virus verstorben.

Im Zuge der Quarantänemaßnahmen schloss Syrien die Grenzübergänge in die Nachbarländer, wie auch den internationalen Flughafen in Damaskus. Reisen zwischen den Provinzen wurden verboten. Von 6 bis 18 Uhr galt eine Ausgangssperre. Die Armee stoppte die Einberufung neuer Rekruten, um eine Verbreitung des Virus innerhalb der Streitkräfte zu verhindern.

Im Kampf gegen Corona kann Damaskus auf chinesische und russische Unterstützung zählen. China lieferte 2000 Covid-19 Test-Kits, aus Russland kamen weitere Test-Kits, Beatmungsgeräte und Schutzmasken.

Über die staatlichen TV-Sender wurde den Menschen erklärt, wie sie sich vor Covid-19 schützen können. „Am Anfang haben wir der Regierung nicht geglaubt“, sagt Manar Hanoun. Doch als sie sahen, dass es in anderen Ländern ähnlich zugeht, begannen die Menschen, Schutzmasken zu tragen, erzählt die 25-Jährige, die bei einer Hilfsorganisation in Damaskus arbeitet. „Nicht alle, da einige das Virus nach wie vor nicht ernst nehmen.“ Das könne auch damit zu tun haben, dass sie in Syrien in den vergangenen Jahren weitaus Schlimmeres erlebt haben, meint Hanoun.

In der Provinz Idlib leben etwa eine Million Vertriebene in Camps, inoffiziellen Siedlungen und Schulen, erklärt Tue Jakobsen, assistierender Länderdirektor bei Care. Es fehle an sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und Seifen. „Die Mehrheit der Menschen ist über das Virus sehr besorgt“, sagt Jakobsen. Gleichzeitig können viele sich den Luxus, zu Hause zu bleiben, nicht leisten. Sie müssen zum Einkaufen auf den Markt gehen, sich bei der Verteilung von Hilfsgütern anstellen, oder zur Arbeit, um ihre Familien zu ernähren. Bedingungen, die eine rasche Ausbreitung des Virus befürchten lassen.

Doch die 302 im Labor der Stadt Idlib durchgeführten Covid-19-Tests verliefen negativ. „Auch sind die Fälle saisonal bedingter Grippe nicht höher als im Jahr zuvor“, berichtet Jakobsen. Dadurch könne ein versteckter Ausbruch ausgeschlossen werden. „Der Hauptgrund für das bisherige Ausbleiben von Ansteckungen ist die extreme Isolation des Gebietes“, sagt Jakobsen. Der Nordwesten ist von den Regionen, die unter Kontrolle von Machthaber Bashar al-Assad stehen, durch eine aktive Frontlinie getrennt. Die Grenzen zur Türkei wurden schon früh geschlossen.

Ende April hat die Regierung in Damaskus die Quarantänemaßnahmen gelockert. Das ist sicher auch der verzweifelten ökonomischen Situation geschuldet. Preise für Lebensmittel und Benzin sind extrem gestiegen, ein finanzielles Auffangnetz für jene, die wegen der Quarantäne ihre Arbeit im informellen Sektor verloren haben, existiert nicht, geht aus einem Bericht der WHO von April hervor.

Die Grenzübergänge bleiben geschlossen. Ebenso der internationale Flughafen. Basare, Dienstleister und andere Firmen dürfen ihre Geschäfte jedoch von 8 bis 17 Uhr geöffnet haben. Auch die Freitagsgebete können wieder stattfinden.

Ist die Gefahr von Covid-19 also gebannt? Basierend auf unabhängigen Berichten aus Damaskus, Tartus, Homs und anderen Städten Syriens, gehen Analysten davon aus, dass die Ansteckungszahlen in Syrien weitaus höher liegen als die von der Regierung genannten. Am 5. Mai wurde eine unbestätigte Anzahl türkischer Soldaten nördlich von Aleppo positiv auf Covid-19 getestet, berichtet der Blog Syria in Context.

„Es braucht nur einen unglücklichen Moment, und Covid-19 kann sich auch in der Provinz Idlib rasend schnell ausbreiten“, sagt Jakobsen von Care. Mit gravierenden Folgen. Denn ein Corona-Ausbruch würde das extrem beschädigte Gesundheitssystem in die Knie zwingen. Hinzu komme, dass die UN-Mission im Nordwesten Syriens in zwei Monaten endet.

Wiener Zeitung, 9. Mai 2020