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unbekannter Gast

"Dagegen war die Wirtschaftskrise 2008 ein Vogelgezwitscher"#

Gastronom berichtet von dramatischer Situation. Auch Hotels und Nachtclubs sind massiv betroffen.#


Von der Wiener Zeitung (11. März 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Daniel Bischof


Wenig ist los in der Innenstadt: Ein einsamer Kartenverkäufer vor der Wiener Staatsoper.
Wenig ist los in der Innenstadt: Ein einsamer Kartenverkäufer vor der Wiener Staatsoper.
Foto: © afp/Joe Klamar

Kräftig zischt der Wind an diesem Mittwochvormittag über den Stephansplatz. Vereinzelt schaukelt er noch Touristengruppen umher, einem Mädchen, das für ein Foto posiert, verbläst er das Haar, ansonsten aber bahnt er sich in der Wiener Innenstadt seinen Weg durch eher leblose Straßen.

"Die Situation ist dramatisch", sagt Peter Friese, Geschäftsführer des Wiener Kultgastrobetriebs "Zum Schwarzen Kameel". Die Auswirkungen des Coronavirus seien bereits seit geraumer Zeit spürbar: "Von den internationalen Gästen kommt kaum noch wer." Derzeit tapse man sich mit dem Wiener Stammklientel noch von einem Tag zum anderen durch, so Friese. Wie es aber die nächsten Wochen und Monate weitergehe, sei noch völlig unklar: "Keiner hat sich gedacht, dass es einmal so kommen wird. Dagegen war die Weltwirtschaftskrise 2008 für uns ein Vogelgezwitscher."

Schweizerhaus bleibt zu#

Das Coronavirus stürzt Wiener Gastrobetriebe und Hotels in eine schwere Krise. Das Schweizerhaus im Prater, das am Sonntag seine Pforten hätte öffnen sollen, sperrt vorerst nicht auf. Wann es in Betrieb gehen wird, ist noch offen. Der Steiermark-Frühling am Rathausplatz, der Anfang April über die Bühne gehen sollte, fällt überhaupt ganz aus.

Hotels und Pensionen werden wiederum mit Stornierungen überhäuft. WienTourismus hat dazu eine Blitzumfrage durchgeführt. Die Unternehmen rechnen mit einem enormen Nächtigungsrückgang. Im März wurden bei 110 Betrieben insgesamt bereits 87.000 Nächtigungen storniert, durchschnittlich sind das 788 Nächtigungen pro Betrieb. Die Situation dürfte sich weiter verschärfen: Die Umfrage wurde noch vor Bekanntwerden der bundesweiten Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus erstellt.

Eine Sprecherin des WienTourismus verweist darauf, dass in den nächsten Wochen weitere Rückgänge drohen: "Ostern ist für Italiener prinzipiell die drittbeliebteste Jahreszeit, um nach Wien zu kommen. Das werden wir nun schon deutlich spüren."

Massiv betroffen ist auch das Nachtleben. Clubs und Discos wie der Praterdome, Volksgarten oder die Pratersauna bleiben ab sofort geschlossen. "Es ist eine Katastrophe", sagte Michael Böhm, Betreiber des Volksgartens. Ein eingeschränkter Betrieb mit maximal 100 Personen sei wirtschaftlich nicht machbar: "Bei uns liegt der Break-even weitaus höher."

"Kurzarbeit ist auch keine Lösung"#

"Man kann pauschal sagen, dass das für die ganze Szene eine Katastrophe ist", sagt Sabine Reiter, geschäftsführende Direktorin des Vereins Mica, einer Servicestelle für Veranstalter. "Viele sind verzweifelt und wissen nicht, wie es weitergeht", so Reiter.

Gastronom Friese ist angesichts des düsteren Ausblicks besorgt. Er beschäftigt in seinem Großbetrieb 180 Mitarbeiter. Müssten er und andere Unternehmen mehrere Monate zusperren und die Mitarbeiter bis dahin freistellen, würde das die österreichische Wirtschaft enorm belasten.

Mittels Urlaubsabbau könne man sich schon ein bisschen helfen, so Friese. Auf Kurzarbeit umzustellen, sei keine Lösung: "Das klingt ja an sich super und leicht. Aber wie sollen die Angestellten davon leben? Wie bezahlen die ihre Miete?", fragt er.

Eine große Hilfe wäre es laut dem Gastronomen hingegen, "wenn für die Betriebe die Beiträge für die Sozialversicherung für einige Monate gestundet werden würden". Dadurch könne man sich leichter über Wasser halten, bis man die Situation wieder im Griff habe. "Es würde da nicht darum gehen, dass wir uns bereichern: Denn sobald es uns wieder besser geht, könnten wir alles auf Raten zurückzahlen", sagt Friese.

Entspannter dürfte die Situation derzeit noch in den kleineren Gasthäusern außerhalb der Innenstadt sein. Sie leben zumeist von ihrem Wiener Stammpublikum. So ist das "Schrammel & Schrammel" in der Landstraße am Mittwoch zu Mittag gut gefüllt. Das Coronavirus ist zwar bei allen Tischrunden das Gesprächsthema, von einem Wirtshausbesuch hält es die Stammgäste aber offensichtlich nicht ab. "Wir haben bisher noch keine Rückgänge wegen des Virus bemerkt", sagt Wolfgang Schrammel, Inhaber des Gasthauses.

Das öffentliche Leben kommt in Wien immer mehr zum Erliegen. Die Stadt Wien erließ am Mittwoch eine Verordnung, mit der die Vorgaben des Bundes zum Umgang mit dem Coronavirus umgesetzt wurden. Veranstaltungen mit mehr als 500 Menschen im Freien oder mit 100 Besuchern in geschlossenen Räumen sind bis vorerst 3. April untersagt. Das wird auch Flohmärkte wie jenen am Naschmarkt treffen.

Der öffentliche Verkehr wird nicht reduziert, auch Nahversorger oder Einkaufszentren bleiben geöffnet. Geschlossen wurden hingegen auch die Bundesmuseen, das Schloss Schönbrunn, der Schönbrunner Tiergarten und die Hofburg.

Wiener Zeitung, 11. März 2020