Die Römersteine von Iuvavum#
Welche Arten von römischen Steindenkmälern es auf dem Gebiet von Iuvavum gab und was uns davon erhalten blieb Zu den ersten Aufgaben der römischen Verwaltung in einer „unzivilisierten“ Provinz wie Noricum gehörte die Erschließung von Steinbrüchen. Sobald Siedlungen das römische Stadtrecht erhielten oder neue Städte gegründet wurden, brauchte man Steine für öffentliche Bauten – Forum, Tempel, Versammlungsräume, Markthallen, Bäder, Theater etc. Auch die privaten Bauten der Oberschicht wurden mit steinernen Architekturteilen und Skulpturen ausgestattet. Davon haben wir in Salzburg nur einige Säulen- und Gebälkfragmente. Die Götterbilder, angefangen mit denen der kapitolinischen Trias Jupiter, Juno und Minerva, in den Tempeln, die vielen Statuen von Kaisern und städtischen Honoratioren auf dem Forum – all das ist verloren. Die bronzenen Kaiserstatuen waren ihres Materials wegen schon in der Antike eine gefährdete Spezies, die als Baumaterial schlecht geeigneten steinernen Götterbilder und Ehrenstatuen wanderten später meist in die Kalköfen. Überlebenschancen hatten praktikable Steinblöcke wie Statuensockel, von denen aber in Salzburg nur einer erhalten ist, und vor allem die zahlreichen Altäre, die Einzelpersonen einer Gottheit stifteten. Denn außer einem großen Opferaltar vor jedem Tempel gab es viele kleinere Altäre, die für erwiesene oder erhoffte Hilfe der Götter aufgestellt wurden. Sie trugen meist knapp formulierte Inschriften mit den Namen der Gottheit und des Stifters, der Anlass der Weihung ist selten genannt. Diese Votivaltäre standen in großer Zahl in den Tempelbezirken, aber auch in kleineren Heiligtümern in städtischen Quartieren, Villen und Gutshöfen; als Opfergaben wurden auf ihnen Harzkörner verbrannt oder Früchte niedergelegt. Manche Votivaltäre wurden auch von Amts wegen gestiftet. Am Chiemsee weihten z.B. jährlich die 2 amtierenden Bürgermeister von Iuvavum einer lokalen Gottheit einen Altar; erfolgreiche Militärs errichteten Altäre für die Siegesgöttin Victoria und bei Straßenstationen gab es eigene Heiligtümer, in denen jeder der dort zur Verkehrsüberwachung eingesetzten Soldaten nach dem Ende seines Dienstes einen Altar – meist für den obersten Reichsgott Jupiter - aufstellte.
Es sind nur wenige Götter, die auf den im Gebiet von Iuvavum gefundenen Votivaltären angerufen werden; neben Jupiter und dem einheimischen Gott Bedaius kommen nur Hercules und Victoria mehr als einmal vor, daneben die für die Gesundheit zuständigen Gottheiten Apollon, die Nymphen und Asklepios – Fundamente seines Tempels in Salzburg wurden aufgedeckt - sowie Fortuna und der persische Lichtgott Mithras. Durch eine verschollene Inschrift kennen wir auch einen Tempel des Mercur, der als Gott der Händler in einer Stadt, die vom tranalpinen Handel profitierte, sicher sehr verehrt wurde. Die größte und in jeder Hinsicht gesprächigste Gruppe von Römersteinen sind auch im Salzburgischen die Grabsteine. Die Sitte, steinerne Grabmäler zu errichten, wurde in den nördlichen Provinzen vom römischen Militär verbreitet; ab dem späteren 1. Jahrhundert n. Chr. war sie in Noricum auch bei der einheimischen Bevölkerung in allen Gesellschaftsschichten üblich.
Die einfachste Form des Grabsteins ist der sogenannte Titulus, eine schmucklose Inschrifttafel, die Namen, Alter und Familienverhältnisse der Verstorbenen nennt. Meist erfährt man auch, wer den Grabstein hat machen lassen. Diese kleineren Tafeln stammen wohl in der Mehrzahl von Hügelgräbern, über deren Eingang sie angebracht waren. Diese Bestattungsform aus der vorrömischen Zeit wurde von der ländlichen Bevölkerung weiter gepflegt. Nach römischer Sitte angelegte Friedhöfe säumten die wichtigen Ausfallstraßen der Stadt, kleinere Familiengrabbezirke lagen bei Villen und Gutshöfen. Die Oberschicht – der romanisierte norische Adel und zugezogene italische Händlerfamilien - errichtete repräsentative Grabbauten, in deren Untergeschoss die Aschenurnen aufbewahrt wurden. Von solchen Mausoleen sind meist nur einzelne Reliefblöcke, aber auch große Inschriftplatten erhalten, aus denen wir einiges über die tonangebenden Familien Iuvavums erfahren. Diskret sind sie allerdings bezüglich der Quellen ihres Reichtums, der sich nicht nur aus ihren Grabmälern, sondern auch aus ihren Villenanlagen und ihren Ehrenämtern, die sie zu immensen Ausgaben für ihre Stadt verpflichteten, erschließen lässt. Zu diesen Familien gehörten auch Freigelassene (liberti) und Sklaven (servi), die es, wie ihre Grabsteine erkennen lassen, zu eigenem Vermögen bringen konnten.
Die übliche Grabmalform der Mittelschicht von Iuvavum war der Grabaltar; er wurde sicher nicht für Opfer am Grab verwendet, sondern wird wegen seines altarförmigen Mittelteils so genannt, auf dem die Inschrift steht und der meist eine dachförmige Bekrönung trägt. Die in anderen Gegenden sehr gebräuchliche Grabstele, die heutigen Grabsteinen ähnelt, ist dagegen um Salzburg auffallend selten. Das ist insofern bedauerlich, als sich auf römischen Grabstelen die Verstorbenen gern abbilden ließen. Solche Porträts besitzen wir gerade aus dem Gebiet von Iuvavum nur vereinzelt. Auch die im südlichen Noricum häufigen Porträtnischen von Grabbauten, in denen oft die Büsten ganzer Familien aufgereiht erscheinen, haben sich in Iuvavum nicht erhalten. Ein schwacher Ersatz dafür sind die hier beliebten sogen. Aschenkisten; es handelt sich um steinerne Kisten, in denen die Urnen der Verstorbenen verwahrt wurden. Sie standen öffentlich sichtbar auf den Friedhöfen, trugen eine Grabinschrift und waren mit meist dachförmigen Deckeln verschlossen, an denen Porträtreliefs angebracht sein konnten. Diese haben allerdings, entsprechend dem niedrigen Status der Familien, die dieses preisgünstige Grabmal wählten, meist den Charme von Kinderzeichnungen.
Alle genannten Grabmaltypen gehörten zu Brandbestattungen. Die seit dem späteren 2. Jahrhundert aufkommende Körperbestattung scheint in Noricum zunächst wenig gebräuchlich gewesen zu sein, jedenfalls haben sich im Nordteil der Provinz bisher keine Sarkophage gefunden, die in den Nachbarprovinzen, vor allen Pannonien, im 3. Jahrhundert die übliche Form des Grabmals für Mittel- und Oberschicht sind.
Was wir aus den Inschriften der Römersteine über die Gesellschaft von Iuvavum erfahren#
Interessant sind zunächst die Personennamen auf Votiv- und Grabinschriften. In der römischen Gesellschaft gab es nicht nur soziale, sondern zuerst juristische Klassen, die sich in ihren Namensformen unterscheiden. Der römische Bürger, der in der Verwaltung einer Stadt amtieren, in einer Legion dienen, eine gültige Ehe schließen und legitime Kinder haben konnte, besaß die tria nomina, zusammengesetzt aus praenomen (Vorname), gentile (Familienname) und cognomen (Beiname). Letzterer diente zur Unterscheidung von gleichnamigen Familienmitgliedern und konnte auf Inschriften auch weggelassen werden. Bei Frauen wird gewöhnlich gentile und cognomen angegeben, aber kein praenomen. Das gentile von Provinzbewohnern gibt oft Auskunft darüber, unter welchem Kaiser eine Familie bzw. ein Soldat - nach seinem Dienst bei einer Hilfstruppe – das Bürgerrecht erhalten hat. Sklaven bekamen das Bürgerrecht und zugleich den Familiennamen ihres ehemaligen Herren bei der Freilassung; zumindest in der ersten Generation werden sie durch den Zusatz libertus (liberta) des ... gekennzeichnet. Ein griechisches cognomen ist in der Regel ebenfalls ein Hinweis auf eine Freigelassenen-Herkunft. Aus den Namen einiger Familien in Iuvavum ist abzulesen, dass sie offenbar schon als römische Bürger aus Oberitalien zugezogen sind; dabei handelt es sich um Angehörige von Handelshäusern, die an Stützpunkten an den wichtigen Alpenübergängen interessiert waren und die gleichzeitig die Romanisierung der Provinz vorantrieben.
Personen, die nur einen Namen, sei er lateinisch oder einheimisch-keltisch, haben und allenfalls den Namen ihres Vaters im Genetiv anfügen, waren sogen. peregrini, also Fremde im römischen Reich. Sie arbeiteten als Bauern, Handwerker, Fuhrleute oder stehen in den Diensten von Großgrundbesitzern. Damit sind wir bei einem profanen Thema, zu dem die Inschriften in Noricum nur wenige Auskünfte geben. Die Hautevolée in Iuvavum zählt ihre städtischen Ehrenämter auf, aber keinesfalls, womit sie ihr Geld verdient. Dass ein nicht unwesentlicher Teil ihres Reichtums aus dem Salzhandel stammte, darf vermutet werden. Ihren Beruf geben nur einige Verwalter (vilicus, actor) an, die landwirtschaftliche Betriebe und sonstige Geschäfte der hohen Herrschaften betreuten. Auch die vilica, die für das Funktionieren des Haushalts und dessen Personal zuständig war, wird zweimal genannt.
Vermutlich weil seine Profession so speziell war, wird die eines Mannes namens Profuturus in seiner Grabinschrift erwähnt; er war Fährtensucher (verstigiator) im Dienst einer der großen Familien Iuvavums. Aber im Allgemeinen fanden die einfachen Leute ihre Arbeit nicht erwähnenswert.
Militärs nennen dagegen stets ihren Rang. Sie treten aber nur selten auf, da Noricum bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts keine Legionsgarnison hatte und Iuvavum selbst eine zivile Stadt ohne überregionale Verwaltungsaufgaben und weit entfernt von der Reichsgrenze war. Soldaten mit Sonderaufgaben (beneficiarii) überwachten die Straßen im Landbezirk und im 3. Jahrhundert bot die Legion in Enns auch jungen Männern aus Iuvavum Aufstiegschancen.
Friederike Harl
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