Arbeiterheim Favoriten#
10., Laxenburger Straße 8-10, Jagdgasse 1 Laxenburger Straße 8-10, Jagdgasse 1, Wien
1886 war der „Verein für Arbeiterwohnhäuser“ gegründet worden, mit dem Ziel, die ärgsten Missstände bei den Arbeiterunterkünften zu bekämpfen. Die Bedeutung dieser Bewegung nahm gegen die Jahrhundertwende noch zu. Aus der Notwendigkeit, Wohn- und Aufenthaltsraum für die Arbeiter zu schaffen, konstituierte sich der Verein „Arbeiterheim für Favoriten“. Er schrieb 1900 einen Wettbewerb für die Errichtung eines Zentrums aus. Der Auftrag ging an den damals erst dreißigjährigen Hubert Gessner. Am 5. August 1901 erfolgte der Spatenstich auf dem Grundstück von Tschinkeis Zichorienfabrik und schon am 7. September 1902 konnte das Arbeiterheim mit einem „Festkommers“ eröffnet werden. Gessner erbaute einen Komplex aus 40 Arbeiterwohnungen, Partei- und Vereinslokalen, Versammlungs- und Festhallen mit modernsten Einrichtungen.
Die Spendengelder allein reichten nicht zur Finanzierung aus, sie wurde erst durch das Eingreifen Victor Adlers (der 1901 als Vertreter Favoritens in den Landtag gewählt worden war) und Jakob Reumanns ermöglicht, Moritz von Kuffner, der Besitzer der Ottakringer Brauerei und Erbauer der Kuffner-Sternwarte, half mit einem Kredit.
Der Eröffnungsredner war Victor Adler, der des steinigen Weges der jungen Sozialdemokratie gedachte:
„So mancher, der in diesem Saale ist, wird sich noch erinnern, wie wir begonnen haben, wird sich der langen Nächte erinnern, wie wir in elendsten Schlupfwinkeln gehaust haben, wie wir verfolgt, gehetzt, verachtet, verhöhnt waren in diesem Osterreich, in diesem Wien; und er wird daran denken, welcher Arbeit von Zehntausenden es bedurft hat, um dem Arbeiter in diesem Reiche und in dieser Stadt Respekt zu schaffen. Nun sind wir ein Stück weiter: Hier sind wir zu Hause. Wir haben ein Heim!“
Zwei Jahre nach der Eröffnung wurde mit Um- und Zubauten des sogenannten Rothen Hauses begonnen, die sich bis 1912 hinzogen. Das Arbeiterheim wurde 1904 und 1911 baulich erweitert. Das erste Kino des Bezirks wurde hier 1912 eingerichtet. Gessner hatte die beiden unteren Geschosse der Fassade zur Laxenburger Straße verändert, stattete die darüber liegenden mit reicherer Ornamentik und differenzierten Fenstergliederungen aus. Obwohl in der äußeren Gestalt ein höchst qualitätvoller Jugendstilbau ähnelt, weist das Arbeiterheim Favoriten bereits auf die Wohnhausanlagen der Zwischenkriegszeit.
Im November 1903 fand hier zum ersten Mal der Parteitag der österreichischen Sozialdemokraten statt.
Das Arbeiterheim war der Sitz aller Gewerkschafts- und Kulturorganisationen sowie der meisten politischen Vereine der Sozialdemokratie in Favoriten. Es gab einen großen Theatersaal mit 1.117 Sitzplätzen, fünf kleinere Säle, darunter einen Turnsaal, zehn Klubzimmer mit einem variablen Fassungsraum von 50 bis 500 Personen, ein Restaurant, das erste Kinderfreunde-Lokal des Bezirks, eine große Zentralbibliothek, eine Filiale der Konsumgenossenschaft, eine Zahlstelle der Allgemeinen Arbeiterkrankenkasse sowie 40 Arbeiterwohnungen in den oberen Stockwerken. Das Arbeiterheim war von Anfang an auch ein Zentrum der sozial-demokratischen Bildungsarbeit.
Das Favoritner Arbeiterheim wurde in beiden Weltkriegen zweckentfremdet: Während des Ersten Weltkrieges wurde ein Teil des Heims in eine Kaserne umgewandelt und für die kriegsleistungsverpflichteten Arbeiter eine eigene Ausspeisung eingerichtet.
Im Jahr 1955 fanden viele verschiedene Veranstaltungen statt. Leider verschlechterte sich der Zustand des Arbeiterheimes durch alte Schäden an der Bausubstanz von Jahr zu Jahr.
Dennoch sollte es noch Jahre dauern, bis das Gebäude vor dem endgültigen Verfall gerettet werden konnte.
Ein von Bezirksobmann Anton Gaal erarbeitetes Finanzierungskonzept brachte schließlich den Durchbruch. Es ermöglichte die originalgetreue Wiederherstellung der Bausubstanz und die langfristige Erhaltung des Arbeiterheimes durch die Teilnutzung als "Trend-Hotel Favorita".
Quellen#
- Lexikon der Wiener Kunst und Kultur. Nina Nemetschke, Georg J. Klüger, Mitarbeit von Ulrike Müller Kaspar. Ueberreuter Verlag, Wien. 1990.
- www.dasrotewien.at