Der liebe Augustin#
Der "liebe Augustin" gilt oft als Verkörperung der Wiener Mentalität. Es handelt sich jedoch um einen Mythos. Sowohl die Wandersage als auch die Melodie des populären Liedes stammen nicht einmal aus Wien.
Die namengebende Figur hat nie gelebt. 1880 kombinierte der phantasiebegabte Viennensia-Forscher Moritz Bermann (1823-1895) einige Überlieferungen. Er gab vor, den Text in seinem Besitz gehabt zu haben und lieferte die vermeintliche Biographie des Musikanten mit: Demnach sei Marx (Markus) Augustin 1643 als Kind einer verarmten Wirtsfamilie geboren worden und habe sein Geld als Wandermusikant mit dem Dudelsack verdient. Sein Revier seien die verrufenen Schenken am Spittelberg (Wien 7) und das spätere Griechenbeisl "Zum roten Dachel" in der Stadt gewesen. Im Pestjahr 1679 sei er in volltrunkenem Zustand - nachdem er das Augustinlied gesungen hatte - in einer Pestgrube gelandet. Als er dort seinen Rausch ausgeschlafen hatte, spielte er laut auf dem Dudelsack, um die Pestknechte, die neue Leichen brachten, aufmerksam zu machen. Mehr als ein Vierteljahrhundert später sei er in seiner Wohnung am Schlag gestorben und auf dem Nikolai-Friedhof (Wien 3) begraben worden.
Die Sage vom geretteten fröhlichen Musikanten erzählte der Hofprediger Abraham a Sancta Clara (1644-1709) schon fünf Jahre vor der Pestepidemie. Sie war seit langem in seiner schwäbischen Heimat bekannt.
Das Tanzlied "O du lieber Augustin … alles ist hin" lässt sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts als ein aus Böhmen oder Sachsen kommender Schlager nachweisen. Der Text wurde in entsprechender Abwandlung als Spott auf den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August II. (1696-1763) gesungen. Über die um 1800 sehr populäre Melodie schufen zahlreiche Komponisten, u.a. Leopold Mozart, Variationen.
Seit 1908 steht in der Kellermanngasse, Wien 7, ein Augustinbrunnen. Die vom Bildhauer Hans Scherpe geschaffene Bleiskulptur wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen und 1952 durch eine Steinfigur von Josef Humplik ersetzt. Im Hof des Griechenbeisls befindet sich eine nachempfundene Pestgrube, in der die Musikanten-Figur sitzt. Literarisch lebte Augustin um 1904 im Blatt "Der liebe Augustin" weiter, 1901 und um 1931 bestand ein Kabarett (Kellertheater) gleichen Namens. Seit 1995 wird die Straßenzeitung "Augustin" als Sozialprojekt verkauft.
Quellen#
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd. 1/S. 193 f.
Walter Deutsch - Helga Maria Wolf: Menschen und Melodien im alten Österreich. Wien 1998. S. 7 f.
Siehe auch: